Von Christoph Scharf
Die Schmierereien sind auffällig – aber sie sind nicht das Problem, das die Fußgängerbrücke über die Elbe hat. Das lässt sich nur bei einem Blick unter die Brücke erkennen. Da gibt es Nässeflecken, Risse, abgeplatzte Stellen. „Das Bauwerk ist komplett durchfeuchtet“, sagt Claudia Dölling. „Aus der Brücke tropft es so stark, dass im Asphalt der B 6 schon kleine Krater entstanden sind.“ Die Bauingenieurin vom Dresdner Ingenieurbüro Bonk & Herrmann hat sich den Fußgängerüberweg an der Eisenbahnbrücke ganz genau angeschaut – im Auftrag der Stadtverwaltung.
Denn bei der turnusgemäßen Brückenprüfung war im vergangenen Jahr aufgefallen, dass der Bau ziemlich beschädigt ist. „Es besteht Handlungsbedarf!“ Der Laie wundert sich. War doch die Eisenbahnbrücke erst kürzlich neu gemacht worden? Dabei wurde nicht geschlampt: Denn obwohl es anders aussieht, sind Fußgänger- und Eisenbahnbrücke zwei getrennte Bauwerke. Sie stehen lediglich direkt nebeneinander. Überdies gehören sie zwei verschiedenen Eigentümern – für die Eisenbahnbrücke ist die Bahn zuständig, für den Fußgängerweg die Stadt. Und die wird sich die Erneuerung ihrer Brücke nun eine Stange Geld kosten lassen müssen. Denn weil auf dem Abschnitt über der Siebeneichener Straße/B 6 jahrelang Wasser von oben in den Baukörper sickerte und drinnen die Stahlträger angriff, wird sich wohl eine Reparatur des Stücks kaum noch lohnen.
Nach derzeitigem Stand geht man von 200 000 Euro Kosten für eine Instandsetzung des betroffenen Brückenabschnitts aus. Ein Abriss und ein Neubau kosteten gerade mal 35 000 Euro mehr. „Dafür hätte man aber eine wesentlich größere Lebensdauer – auf lange Sicht wäre ein Neubau also wirtschaftlicher“, sagt die Ingenieurin. Zum Vergleich: Eine instandgesetzte Brücke soll 20 Jahre halten, eine neue dagegen 80 Jahre. Dazu kommt, dass bei einer bloßen Reparatur böse Überraschungen drohen. Womöglich sind die Träger innen drin schon viel verrosteter, als man das von außen abschätzen kann. „Das lässt sich erst bei einer Öffnung der Brücke erkennen.“
Das mit der Planung beauftragte Ingenieurbüro empfiehlt deshalb einen Abbruch des Überbaus über der B 6 und einen Neubau. Die Variante fand jetzt auch im Bauausschuss des Stadtrats einhellige Zustimmung. Stadtrat Wolfgang Tücks (ULM/FDP) wollte allerdings wissen, warum man die städtische Fußgängerbrücke nicht gleich parallel zur Sanierung der Eisenbahnbrücke mit in Angriff nahm. Bauamtsleiter Dirk Herr verweist darauf, dass man bei der Vielzahl der Brücken in Meißen Prioritäten setzen müsse. „Beim S-Bahn-Ausbau waren die Kapazitäten und Mittel für mehrere Dinge zur gleichen Zeit nicht da.“ Ohnehin wäre es technisch kaum machbar gewesen, Fußgänger- und Eisenbahnbrücke gleichzeitig zu machen. So habe man wegen der Enge beim Bahnbau auch Platz auf dem Fußweg in Anspruch nehmen müssen.
OB Olaf Raschke (parteilos) gibt noch einen Aspekt zu bedenken: „Zwei Brücken bedeuten zwei verschiedene Bauherren, zwei verschiedene Ausschreibungsverfahren, zwei verschiedene Fördermöglichkeiten.“ Denn ohnehin habe man bislang als Stadt kein Fördergeld für den Brückenneubau – dafür müsse man jetzt erst einen Antrag stellen. Immerhin winke eine Zwei-Drittel-Förderung, weil der Abschnitt gerade noch so zum Sanierungsgebiet Altstadt gehöre. Noch aber lasse sich nicht sagen, wann die Fußgänger einen neuen Überweg über die B 6 bekommen. Eine Vollsperrung soll es allerdings in keinem Fall geben. Denn die Brücke gilt als kürzeste Verbindung von der Altstadt zur anderen Elbseite – und sei entsprechend beliebt bei Passanten und Radlern.
Deshalb wird es eine Behelfsbrücke geben, die an der Baustelle vorbeiführt. Dasselbe Bild könnte sich übrigens am gegenüberliegenden Brückenende in absehbarer Zeit auch bieten: Dort fällt bei einem Abschnitt großflächig der Putz ab, weil die Stahl-Beton-Konstruktion ebenfalls völlig durchnässt ist. Der Abschnitt über die Elbe selbst dagegen ist noch in Ordnung. Er wurde erst vor wenigen Jahren neu gemacht.