SZ +
Merken

Gefährliche Bruchbuden

In Pirna wird eine Frau erschlagen, in Riesa rieselt Geröll vom Dach. Warum Kommunen oft spät reagieren.

Teilen
Folgen
NEU!
© Lutz Weidler

Von Nicole Czerwinka

Riesa. Es kommt meist wie aus heiterem Himmel, kann jedoch fatale Folgen haben: Wenn Steine und Geröll von alten Ruinen abbröckeln besteht Gefahr für Leib und Leben. Erst in der vergangenen Woche ist in Pirna eine Frau getötet worden, weil Mauerstücke vom Dachgesims eines alten Hauses auf die Straße fielen. Nur wenige Tage später sorgten auch in Riesa herabfallende Gebäudeteile für einen Feuerwehreinsatz. Verletzt wurde dabei zum Glück niemand. Die Meißner Straße ist anschließend aber halbseitig gesperrt worden. Doch Kommunen können nur bedingt eingreifen, wenn Hauseigentümer ihren Besitz vernachlässigen. Für Städte und Gemeinden ist dies ein lästiges Thema.

Können Kommunen die Ruinen nicht einfach abreißen?

Nein, so einfach ist das nicht. Zunächst einmal kommt es darauf an, wem das Gebäude gehört. „Eigentum verpflichtet und damit der jeweilige Eigentümer in erster Linie verantwortlich für sein Haus“, erklärt der Gröditzer Bürgermeister Jochen Reinicke (parteilos). Er hatte in Gröditz schon mehrere Beispiele, bei denen Eigentümer ihre Gebäude verfallen ließen. „Das alte Kino konnten wir vor über zehn Jahren dann glücklicherweise vom Eigentümer erwerben und mithilfe von Fördermitteln abreißen lassen, da es im Sanierungsgebiet lag“, berichtet Reinicke. Doch nicht immer liegt der Fall so günstig für die Kommunen. Auch in Zeithain gibt es viele solcher Fälle. „Bei uns ist es allerdings weniger so, dass Gebäude vom Einsturz bedroht sind, sondern dass Anliegerpflichten wie Rasen mähen oder Hecke schneiden vernachlässigt werden“, erklärt der Zeithainer Bürgermeister Ralf Hänsel (parteilos).

Was passiert, wenn der Eigentümer nicht reagiert oder unbekannt ist?

Stellt die Kommune fest, dass ein verwahrlostes Gebäude so marode ist, dass es gesichert werden muss, dann informiert sie zunächst den Eigentümer. In manchen Fällen übernimmt dies auch der Landkreis. „Die Kommune kann laut Baugesetzbuch dann ein Baugebot erlassen, in dem sie den Besitzer auffordert, den Schaden an seinem Gebäude abzustellen“, erklärt Reinicke. Dies ist aber für die Kommunen auch mit einem Risiko verbunden, denn weist der Hauseigentümer nach, dass er den Schaden an seinem Besitz nicht beheben kann, muss die Kommune dies auf eigene Kosten erledigen. Dies ist auch der Fall, wenn die Eigentümer nicht ausfindig gemacht werden können. Ist der Eigentümer bekannt, aber reagiert nicht auf die Aufforderung, muss die Kommune ebenfalls den Auftrag zur Sicherung des Gebäudes auslösen. Der Eigentümer bekommt dann die Rechnung für die Baumaßnahme. „Die untere Bauaufsicht darf und kann aber nur einschreiten, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erkennen ist“ erklärt Manuela Langer, Sprecherin der Stadt Riesa dazu. Die Stadt Riesa stellt für solche Fälle auch Gelder im Haushalt bereit. Die Höhe wollte Langer nicht verraten.

Wer beobachtet marode Häuser und legt fest, wann Gefahr im Verzug ist?

Dafür sind in erster Linie die Kommunen zuständig. Und hier gilt natürlich: Je kleiner, desto einfach ist es für die Kommune, ihre Gebäude im Blick zu behalten. „Wir arbeiten da eng mit unseren Bürgern und den Ortschaftsräten zusammen. Da gab es erst vor wenigen Tagen eine Begehung in der Gemeinde, bei der wir kritische Stellen unter die Lupe genommen haben“, erzählt Ralf Hänsel. Zudem ist es auch Aufgabe des Ordnungsamtes, alte und marode Gebäude in der Stadt oder Gemeinde im Blick zu behalten. Und dennoch: Regelmäßige Begehungen gibt es nur in wenigen Gemeinden. Bürger und Ordnungsamt können zudem oft nur unzureichend einschätzen, ob nun wirklich schon Gefahr im Verzug ist. Dafür brauchte es im Zweifel einen Fachmann – und der kostet wiederum Geld.

Wer haftet im Schadensfall, wenn die Ruine bröckelt?

In diesem Fall ist die Rechtslage ganz klar: Es haftet immer der Eigentümer. Er trägt die Verantwortung für sein Eigentum. Unklar ist die Lage allerdings, wenn etwa ein Geröllstück von einem Gebäude auf ein Auto fällt, der Eigentümer des Gebäudes aber nicht bekannt ist.