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Aufhören, wenn’s am schönsten ist?

Warum sich Werner J. Patzelt und Michael Bittner von der Kolumne „Besorgte Bürger“ verabschieden.

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© Montage/SZ

Seit fast drei Jahren erscheint jeden Freitag im Feuilleton der Sächsischen Zeitung die Kolumne „Besorgte Bürger“. Der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt und der Schriftsteller Michael Bittner wechseln sich Woche für Woche ab. Dabei sind sie selten einer Meinung, und das ist auch so gewollt: Diese Kolumne soll zeigen, dass man ganz gegensätzliche Ansichten vertreten und trotzdem niveauvoll miteinander streiten kann. Heute erscheint die Kolumne zum letzten Mal. Das ist für alle Beteiligten sehr schade, aber ein Gebot der Fairness.

Wie vor einigen Tagen bekannt gemacht wurde, hat Werner J. Patzelt die Leitung der Programmkommission für die sächsische CDU übernommen. Er will als Moderator und Politikexperte dabei helfen, das Wahlprogramm der CDU für die Landtagswahl zu erstellen. Damit wechselt er seine Rolle: Zuvor war er einfaches CDU-Mitglied, Politikwissenschaftler und ein meinungsstarker politischer Beobachter – und gerade deshalb ein guter Kontrahent für Michael Bittner. Nun aber übernimmt Patzelt eine aktive, herausragende Funktion für seine Partei im Wahlkampf. Mit Rücksicht auf die politischen Mitbewerber und die Ausgewogenheit in der Berichterstattung haben wir deshalb beschlossen, diese Kolumne zu beenden.

Ein altes Sprichwort besagt: Man soll aufhören, wenn’s am schönsten ist. Auch das könnte ein Grund sein, einen Strich zu ziehen. Nach über 150 Kolumnen sind den beiden noch lange nicht die Ideen ausgegangen. Wir bedanken uns für jedes Schmunzeln beim Lesen, jedes Kopfschütteln und jedes: „Nu, genau!“ (SZ)

Gelegenheit zum Nach-Denken

Ein paar persönliche Worte von Werner J. Patzelt zum Ende dieser Kolumne:

Es wird Zeit, mich von den Lesern dieser Kolumne zu verabschieden. Es ist nicht so, dass mir nichts mehr einfiele oder ich faul geworden wäre. Doch die Zeitungsredaktion kam zur Ansicht, dem Ko-Vorsitzenden der Programmkommission einer Partei solle nicht die Bühne einer zweiwöchentlichen Kolumne geboten werden. Das kann man nachvollziehen.

Knapp drei Jahre lang habe ich hier versucht, über so manches Thema zum Nachdenken anzuregen, womöglich auch zum Besserdenken. Durchaus nicht wünschte ich, dass meine Texte schnell durchgelesen werden könnten. Sie sollten nicht rein Alltägliches in Alltagssprache aufzeigen. Auf das Mitmachen der Leser gingen sie aus – beim Eindringen in tiefere Schichten des oft nur oberflächlich Klaren, beim Verstehen größerer Zusammenhänge, beim Erkennen noch unbemerkter Ähnlichkeiten. Deshalb sollten meine Kolumnen immer wieder zum Stocken bringen, zu einem zweiten Lesen, zum Nach-Denken des Geschriebenen: Was meint dieser Satz eigentlich? Kann das wirklich so gemeint sein? Und wenn nicht, wie dann? Folgt aus dem Gesagten wohl etwas? Für wen? Gar für mich, den Leser?

Ich habe nicht absichtlich in schwieriger Sprache geschrieben. Die meisten Sätze waren kurz, Fremdwörter selten. Das – mir so liebe – Darstellungsmittel der Ironie habe ich viel seltener benutzt als erwogen. Derlei Verfremdung führt einen gutwilligen Leser nämlich oft zum Neuverstehen des nur vermeintlich Selbstverständlichen; und genau darauf war ich immer aus. Ich verstehe schon auch: Wer wider seinen Wunsch auf einen noch nicht befahrenen Denkweg gezogen wird, empfindet leicht das Zugseil als verletzend, die Zugrichtung als abwegig. Schade eigentlich, denn auf neuen Wegen lassen sich neue Aussichtspunkte erreichen!

Vielleicht aber sperrt sich mancher, das zu erkennen, was man von dort aus erblicken würde. Manch anderem ist ein Gedankenschritt zu forsch, ein Argument zu unübersichtlich, ein Tonfall verletzend. Dann misslingt ein Mitteilungswunsch wegen der Unzulänglichkeit des Sprechers oder Schreibers. Derlei unterläuft, leider, manchmal auch mir. Wer sich aus solchen Gründen nun über das Ende dieser Kolumne freut, der möge das gerne tun. Und wer es bedauert, der muss keine Entzugserscheinungen fürchten: Ich bleibe öffentlich präsent – nur eben anderswo.

Werner J. Patzelt ist Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der TU Dresden.