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Ein Superstar, der sich im Hintergrund hält

Genesis-Gitarrist Mike Rutherford und seine Zweitband Mike & The Mechanics spielten ihre 80er-Pop-Hits in Dresden so, als wären sie Zukunftsmusik.

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Mit Genesis wurde Mike Rutherford zum Star, mit seiner Zeitband Mike & The Mechanics spielte er jetzt in Dresden.
Mit Genesis wurde Mike Rutherford zum Star, mit seiner Zeitband Mike & The Mechanics spielte er jetzt in Dresden. © Andreas Weihs

Von Tom Vörös

Der heimliche Star war eine Art Superman, bestens durchtrainiert, gebürtiger Deutscher, ein wahrer Hüne. Im Finale schraubte ihm der dagegen fast kleinwüchsige Sänger Tim Howar das Mikrofon besonders weit nach oben. Dann pfiff dieser große Mann, der eigentlich Keyboarder ist, die Melodie des wohl hartnäckigsten Ohrwurms „Over My Shoulder“ so lässig wie unerwartet.

Ein grandioses Beiwerk für das Konzert der britischen Hitmaschine Mike & The Mechanics. Bereits zu Beginn versprach der Kanadier Tim Howar, einer von zwei Sängern, mit „The Best Is Yet To Come“ dem gut gefüllten Dresdner Kulturpalast am Donnerstagabend ein wahres Hitfeuerwerk. Aber das wussten die Anwesenden ja eh schon. Aber wie der quirlige, eher kleine Mann den Kulturpalast von Sekunde eins an in positive Schwingungen versetzt, das erlebt man nicht allzu oft. 

Derweil groovte sich der hochgewachsene Chef-Mechaniker und Anzugträger Mike Rutherford, im Hauptberuf Gitarrist der Prog-Rock-Legende Genesis, eher im Hintergrund ein. Die Haltung aber stimmt, und auch mit ungeübtem Blick ahnte man, wer hier den Ton angibt. Einen besonders gefühlvollen Ton in der Stimme hatte aber ein gewisser Andrew Roachford. 

Den britischen Musiker westindischer Abstammung kann man beinahe schon als Seele der Band bezeichnen. So wie er singt, spielt, fühlt – so viel Soul besaßen Mike & The Mechanics noch nicht mal in den glorreichen Achtzigern. Auf Hits wie „Another Cup Of Coffee“ folgten Lieder wie „Let Me Fly“, die auch gut in alten Schulterpolster-Zeiten hätten erfunden werden können. Die Mischung aus alten Ohrwürmern und neuen Kreationen, zum Beispiel vom neuen Album „Out Of The Blue“, war teils derart gut abgestimmt, dass Gefühle für eine Reise ins falsche Jahrhundert gar nicht erst aufkamen. Rutherford & Co. schaffen es tatsächlich, die Achtziger einfach in die Gegenwart hinüberzuretten. 

Allerspätestens im Refrain von „Silent Running“ stand fast jeder im Saal und klatschte sich enthusiastisch zurück in die Zukunft. Einfach eine echt super Stimmung, wie man damals noch ohne Scham sagen konnte. Natürlich ließ man ab und zu auch die positiv besetzten Dämonen ins Rampenlicht. Alte Genesis-Weisen wie „Land Of Confusion“ und später „I Can’t Dance“, inklusive einem effektvoll schreitenden Mike Rutherford, erzeugten echte Nostalgie.

Und als im Finale „All I Need Is A Miracle“ erklang, hatten die meisten ihr musikalisches Wunder längst erlebt. Eine Band in dieser Form überzeugt live selbst den genervtesten Nichthörer eines gewissen Oldie-Radiosenders.

Ganz nebenbei schaffte es die Band so auch, all denen die latente Enttäuschung zu nehmen, die zunächst die Ankündigung des neunten Band-Albums gefeiert, dann aber schnell lange Gesichter bekommen hatten. Schließlich ist das Werk nicht wirklich ein großer Wurf. Denn nur drei Songs auf der Platte sind tatsächlich neu, alles andere ist aufgewärmtes Altmaterial. Aus dem jedoch aufgrund der teils völlig überarbeiteten Arrangements und Instrumentierungen neue Facetten herausgekitzelt wurden. Immerhin.

Fürs Konzertpublikum bleibt nun aber die Erkenntnis, dass man sich das Album vielleicht nicht zulegen muss, dafür aber auf keinen Fall die nächste Show der Band verpassen darf. Sind Mike & The Mechanics doch auf der Bühne eine Wucht und eben nicht irgendwelche Musik-Mechaniker.