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Geschichte zum Staunen

Crostwitz besitzt jetzt eine Gemeindedokumentation. Zu verdanken ist das drei Menschen, die ein Gespür fürs Gestern und Heute haben.

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Von Andreas Kirschke

Da waren die Frauen des Crostwitzer Dorfvereins Domizna schon ziemlich stolz: Für ihre liebevoll gebundenen Erntekronen bekamen sie in den letzten Jahren mehrfach erste Preise, zum Beispiel bei den Landeserntedankfesten in Bischofswerda und Sebnitz. Notburga Kockel erinnert sich beim Blick in die Crostwitzer Gemeindedokumentation gut daran. Gemeinsam mit Johannes Matzke aus Crostwitz und Christin Lukas aus Neudörfel hat sie das 135-seitige Buch mit 23 Kapiteln erstellt. Unlängst stellten sie die Chronik den Einwohnern vor – eine Premiere, denn eine Gemeinde-Dokumentation gab es zuvor noch nie in Crostwitz.

„Ansätze stammen aber schon vom Ende der 1990er-Jahre. ABM-Kräfte begannen damals damit“, erzählt Johannes Matzke. Er selbst erstellte anderthalb Jahre im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes die Crostwitzer Sport-Chronik. Im November 2013 war sie fertig. Drei Monate Zeit verblieben ihm. Johannes Matzke wollte sie sinnvoll nutzen. Er begann also mit der Gemeindedokumentation. Notburga Kockel, damals Gemeinderätin, unterstützte ihn sofort. Mit ihr und Christin Lukas fand Johannes Matzke zuverlässige Mitstreiter. Notburga Kockel arbeitet als Sekretärin bei Eldakon Neudörfel. So brachte sie Computer-Kenntnisse ein. Ebenso die Freude an der Geschichte und am Nachforschen. Sie ist Mitglied im Dorfverein Domizna und im Kirchenchor. Von Hand und in Sorbisch schreibt sie seit 1997 die Chronik der Crostwitzer Pfarrgemeinde. Aus all diesen Erfahrungen konnte sie für die Gemeindechronik schöpfen. „Das Sichten und Dokumentieren der Quellen, Texte und Fotos hat mir viel Freude gemacht“, meint sie im Rückblick. Christin Lukas erstellte für die Gemeindechronik das Layout. Karten, Wappen und originelle Zitate baute sie mit ein. In Bautzen arbeitet sie als Grafikerin. „Das Grundlayout für die Chronik sollte über-sichtlich, klar gegliedert, gut lesbar und vor allem zweisprachig sein“, erzählt sie. Zuarbeit leisteten die Vereine, Institutionen und Einrichtungen aus Crostwitz und den Ortsteilen. So entstand ein authentisches Bild der Gemeinde im Ganzen.

Gerade Crostwitz steht für spannende Geschichte. Hier lebt die größte, sorbisch-katholische Pfarrgemeinde. „Zur Pfarrei gehören 35 Dörfer aus acht politischen Gemeinden, mit insgesamt circa 3 900 Gläubigen. In den meisten Dörfern gehören weit über 90 Prozent der römisch-katholischen Kirche an. Etwas weniger sprechen zugleich Sorbisch als Muttersprache“, vermerkt die Chronik. Sie verweist auf besondere Traditionen wie das Fest des Heiligen Sebastian am 20. Januar, das Osterreiten am Ostersonntag, Prozessionen zu Pfingstmontag, zu Mariä Heimsuchung am 2. Juli und zu Mariä Geburt am 8. September, ebenso auf die jährliche Wallfahrt der Jugendlichen Ende Juli ins tschechische Krupka. Immer wieder besuchen hohe geistliche Würdenträger Crostwitz. So kam 1921 der Nuncius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., hierher. 1975 besuchte der polnische Kardinal Karol Wojtyla, der 1978 bis 2005 Papst Johannes Paul II. war, den Ort. „Das waren tiefgreifende Ereignisse“, sagt Johannes Matzke. Gerade Crostwitz ist auch geprägt durch die Landwirtschaft. Rund 1100 Hektar Nutzfläche gibt es hier. Bearbeitet und genutzt wird sie durch die Sorabia Agrar AG Rosenthal und weitere neun Landwirtschaftsbetriebe. Viel verbindet Crostwitz mit der Geschichte der Domowina. Zum Kreisverband „Micha³ Hórnik“ gehören aktuell 950 Mitglieder. In Crostwitz wurde kurz nach der Befreiung von der Nazidiktatur am 10. Mai 1945 die Domowina wiedergegründet. Auch darauf verweist die Gemeindedokumentation. Sie geht auf schmerzliche Einschnitte ein wie die Schließung der Mittelschule Crostwitz 2003 trotz langer Proteste und die Schließung des Freibades Caseritz.

„Crostwitz steht für Lebensfreude, kulturelle Vielfalt, Gastfreundschaft“, so Johannes Matzke. Mit „Horjany“ und den „Crostwitzer Blasmusikanten“ bestehen hier zwei Kapellen. Cyrill-Methodius-Verein, Ortsverein Domizna, Sportverein, Imkerverein, Rassekaninchen-Züchterverein, Jugend- und Dorfklubs prägen die Gemeinschaft. Stark engagiert sich die Sorbische Laientheatergruppe. Crostwitz, so Johannes Matzke, stehe aber auch für Internationalität. Seit 1995 ist der Ort für zwei Tage Gastgeber des Internationalen Folklorefestivals Lausitz. Die Chronik verweist zugleich auf den Tourismus. Routen für sechs aktive erlebnisreiche Tage regt sie an. „Unsere Dokumentation soll Anstoß sein. Sie soll die Grundlage für eine künftige, weiterführende Chronik bilden“, so Johannes Matzke. Ehefrau Maria las Korrektur. Ihr, den beiden Mitstreiterinnen, den Vereinen und Einrichtungen sowie Raphael Ledschbor aus Ralbitz und Mario Beuttenmüller aus Dresden für die Unterstützung durch Fotos ist er sehr dankbar. Einen Wunsch hat er: „Gut wäre eine Vervielfältigung der Dokumentation. So könnten wir sie bald den Vereinen und Interessierten zukommen lassen.“