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Gezerre auf dem Neumarkt

Mit der Aufstellung einer Skulptur von Olaf Stoy ist die Gestaltung des Parkplatzes im Freitaler Stadtteil Döhlen abgeschlossen. Was dort einst geplant war, zeigt ein Relief.

Von Thomas Morgenroth
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Olaf Stoy mit seiner Bronzeskulptur „Tauziehen“ auf dem Neumarkt in Freital.
Olaf Stoy mit seiner Bronzeskulptur „Tauziehen“ auf dem Neumarkt in Freital. © Thomas Morgenroth

Da kommt Thomas Ihle ganz schön ins Schwitzen. Mit einem mächtigen Bohrer rückt der Kunstgießer einer Betonwand unter der Pergola auf dem Freitaler Neumarkt zu Leibe. Ihle macht die Löcher für vier Schrauben passend, die eine Bronzeplatte tragen sollen. Diese zeigt einen Plan zur Bebauung und Gestaltung der Fläche zwischen Dresdner Straße und Weißeritz, wie es sich die Stadtväter nach der Gründung vor 99 Jahren vorgestellt hatten.

Der Entwurf stammt von dem deutsch-böhmischen Reformarchitekten Rudolf Bitzan (1872-1938), der unter anderem auch das 1915 fertiggestellte Rathaus in Döhlen geplant hatte, das heute Sitz der städtischen Wohnungsgesellschaft Freital ist. Auf dem Neumarkt sah er neben öffentlichen Gebäuden und einem Rathaus Luxuswohnungen vor, aber auch ein monumentales Krematorium mit Feierhalle und Friedhof am Fuße des Windberges.

Es blieb weitgehend bei einem Entwurf. Die Weltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg vereitelten die Realisierung. Nur zwei Gebäude wurden errichtet, das heutige Ärztehaus auf der einen, und eines auf der anderen Seite, in dem sich jetzt eine internistische Praxis befindet und das Freitaler DRK seinen Sitz hat. Dass kein Krematorium gebaut wurde, könnte aus städtebaulicher Sicht sogar als Glücksfall gelten.

Was als Neumarkt auf Neudöhlener Flur eigentlich geplant war, können die Freitaler nun auf der Tafel entdecken. Es ist ein in Bronze gegossenes Relief, das der Rabenauer Künstler Olaf Stoy nach einer undatierten Vorlage mit viel Liebe zum Detail zunächst in Ton gearbeitet hat. In der Gebr. Ihle Kunstguss GmbH in Dresden wurde daraus eine Platte aus patinierter Bronze, die einmal mehr verdeutlicht, was der aus Industriedörfern zusammengefügten Stadt bis heute fehlt: Ein Zentrum.

Das wird Freital auch zum 100. Geburtstag im Oktober nächsten Jahres nicht haben. Dafür aber hat die Stadt nun einen aufgemöbelten Parkplatz mit zwei neuen Kunstwerken. Das Relief mit dem Stadtplan ist dabei nur das Sahnehäubchen. Es befindet sich, aus Richtung Technologiezentrum gesehen, auf der Rückseite einer etwa drei Meter hohen Betonwand. Davor steht schon ein paar Tage länger eine ebenfalls in Bronze gegossene Figurengruppe von Olaf Stoy auf einem Betonsockel.

Diese knapp 100 Kilogramm schwere Skulptur trägt den offiziellen Namen „Tauziehen“, was Stoy gern mit „Gezerre“ ins Sächsische übersetzt. Der Platz am Rande der Pergola, die mit ihrer Lattung ein launiges Schattenspiel veranstaltet, ist gut gewählt. Dorthin kommen durchaus Menschen zu Fuß, von denen sich einige schon während des Aufbaus neugierig zeigten.

Eineinhalb Jahre lang, sagt Stoy, habe er sich mit dem Projekt befasst, von ersten Ideen bis zur Fertigstellung. Auftraggeber war die Stadt Freital, die Stoys Entwurf abgesegnet hat. Nun also zerren sechs Männer, je drei auf jeder Seite, an einem Seil und versuchen, die anderen über die Mittellinie zu ziehen. Es ist ein Symbol für das immerwährende Ringen um Entscheidungen, gerade in der Politik. Das beste Resultat ist, wenn beide gewinnen, so etwas nennt man Kompromiss.

Einen solchen musste übrigens auch Thomas Ihle eingehen, als er am Montag die Bronzetafel anbrachte. Irgendeiner hatte mit zweierlei Maß gemessen. Das Ergebnis aber kann sich durchaus sehen lassen.

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