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Gläserne Familientradition

Seit 46 Jahren ist Dieter Zickler Glasmacher in Bernsdorf. Auch Vater und Opa arbeiteten in dem Beruf.

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Von Christian Völker

Die Glasherstellung hat in der Lausitz eine lange Tradition. Einst gab es in der Region viele Glashütten, da hier viel Quarzsand lagert, der Hauptbestandteil der Glasherstellung ist. Nur das Bernsdorfer Glaswerk, das bereits seit 141 Jahren besteht, hat überlebt. Dieter Zickler arbeitet dort seit 46 Jahren als Glasmacher – auch sein Großvater war schon im Werk tätig. Das Glasmachen wurde Dieter Zickler praktisch in die Wiege gelegt. Geboren ist er in Schwepnitz. „Die Glashütte war nur 200 Meter von meinem Elternhaus entfernt“, erzählt der 62-Jährige. Im Schwepnitzer Werk war sein Vater Technischer Leiter. Er wurde später versetzt, kam durch seine Funktion in sämtliche Glasbetriebe der DDR. „Mein Vater hat mich überall mit hingenommen. «Guck dich um», sagte er, und ich war überall nicht begeistert“, erinnert sich Dieter Zickler. Schließlich wird ein vom Vater organisiertes Praktikum in der Glashütte Bernsdorf zu Dieter Zicklers Schlüsselerlebnis: „Bernsdorf war eine Besonderheit, denn hier wurde kontinuierlich die Technik modernisiert.“

So macht er 1967 seinen Facharbeiter für automatische Glasverarbeitung in Weißwasser und studiert später Glashüttentechnik. „Ich bin der einzig übriggebliebene Bernsdorfer Glasmacher, der das noch von der Pike auf gelernt hat“, sagt er. So war damals das Mundblasen noch Ausbildungsbestandteil, und Zickler hat Becher und Trinkgläser hergestellt. „Diese Erfahrung hilft mir nach wie vor weiter, denn die Maschine ahmt nur den Menschen nach, und wenn mal etwas nicht funktioniert, so kann ich die Maschine besser verstehen“, meint der 62-Jährige.

Egal ob der Betreiber „Ankerglas Bernsdorf“, „VEB Behälterglas Bernsdorf“ oder wie seit 2004 „O-I Glasspack“ heißt – Dieter Zickler ist dabei gewesen und das eben bereits seit 46 Jahren.

„Glasmachen ist zum Großteil Kühlung, es dauert, bis die Flasche auf Zimmertemperatur gekühlt ist“, erzählt der Glasmacher. 1 400 Grad Celsius heiß ist das Glas in der Schmelzwanne. Bei etwa 1 000 bis 800 Grad Celsius erhält es seine Form. Dies ist Zicklers Aufgabenbereich: Formenkonstruktion und Arbeitsvorbereitung. Er konstruiert Glasformen und kontrolliert die Formwerkzeuge, die der Flasche ihre endgültige Form geben. „In den 1990er Jahren habe ich viele Flaschen entwickelt.“

Neue Sicherheitsstandards

Während früher im Bernsdorfer Werk Haushaltsglas, Konservengläser und Flaschen produziert wurden, konzentriert sich heute alles überwiegend auf grüne Spirituosenflaschen. Insgesamt gehen täglich zwischen 350 000 und 550 000 Flaschen in Bernsdorf vom Band. So ist ein guter Teil der Bernsdorfer Produktion für den Spirituosenhersteller Jägermeister gedacht. Von 40 Milliliter Inhalt bis 1,75 Liter stellt Bernsdorf das gesamte Jägermeister-Flaschensortiment her. „In vier Wochen machen wir ganz kleine 20-Milliliter-Flaschen“, lässt Dieter Zickler wissen.

Doch nicht nur die Produktion und die Maschinen haben sich im Laufe der Zeit verändert, sondern auch der Sicherheitsstandard. „Früher haben wir im Hemdchen an den Maschinen gestanden. Da ist man gesprungen, wenn Hüttenflöhe (feine, heiße Glassplitter, d. A.) kamen. Heute wird sehr viel Wert auf Arbeitsschutz gelegt.“

So gehören feste Schuhe, Schnittschutzhandschuhe, Schutzbrille, langärmlige Arbeitsschutzmäntel oder -jacken, Ohrenstöpsel und ein verstärktes Basecap zur Ausstattung jedes Mitarbeiters. Auch Besucher werden damit ausgestattet. Während früher auf den Deckeln der Rillengläser unübersehbar der Anker als Symbol für Ankerglas ragte, muss man sich heute etwas genauer den Flaschenboden anschauen. Auch Dieter Zickler dreht im Supermarkt öfter mal eine Flasche um und schaut, wo diese herkommt. „Da sind alle Glasmacher krank“, sagt er scherzhaft. Wenn er dann die Kennung O-I (für Owens - Illinois) E40 liest, weiß er, dass diese Flasche aus der Bernsdorfer Glashütte stammt.