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Glanz und Elend eines Ausflugsziels

Ende des 19. Jahrhunderts war in der „Heidemühle“ auf der Radeberger Landstraße kaum ein Platz frei. Heute wird woanders bewirtet.

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Von Andreas Them

Sie waren beliebt, die großen Ausflugsgaststätten in der Dresdner Heide. In der „Heidemühle“ auf der Radeberger Landstraße sollen die Ausflügler Ende des 19.Jahrhunderts im Sommer kaum einen Platz gefunden haben. Und dies bei bis zu 1000 Stühlen im Gästegarten. Heute kann in der „Heidemühle“ niemand mehr einkehren. Im ehemaligen Wirtshaus entstehen Ferienwohnungen. Rasten kann der müde Wanderer jetzt in der Gaststätte gegenüber, die mit ihrem Namen – „Einkehr zur Heidemühle“ – ganz bewusst an die Glanzzeiten des einstigen Ausflugslokals erinnern will.

Die Geschichte der „Heidemühle“, die sich lange „Haidemühle“ schrieb, begann in den 1840er-Jahren, als der aus Weißig stammende Müllermeister Hempel am Heiderand die ersten Gebäude errichtete. Wenige Jahre später erhielt er das Schenkrecht und versorgte nun Ausflügler mit Speisen und Getränken. Ein lukratives Geschäft, welches sich die Erben des Müllermeisters auch nicht entgehen ließen.

Wanderziel für Schüler

Sobald die wärmere Jahreszeit anbrach, zog es die Dresdner in die Ausflugslokale vor der Stadt. Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Gäste auch in die „Heidemühle“ nicht nur zu Fuß, sondern auch mit dem „Pferdespannwagen“. Da sah die Gaststätte schon anders aus als in ihren Anfangsjahren. Nach einem Brand hatten die Besitzer das Gasthaus im Schweizer Stil neu errichten lassen.

Von 1909 bis 1930 hieß der „Heidemühle“-Pächter Franz Riemer. Neben dem Gastwirtschaftsbetrieb vermietete er Sommerwohnungen. Die natürlich einfacher ausgestattet waren als die, die der heutige Besitzer, Joachim Bürger, jetzt einrichtet. Nach Riemer kam Wünsdeck. Er hatte neue Ideen. Bei den Kindern fand bald der kleine Tiergarten Anklang. Ihre Väter schätzten sicher mehr die Anlage eines großen Parkplatzes für „50 Kraftdroschken und Automobile“.

Der Zweite Weltkrieg beendete auch den Betrieb der „Heidemühle“. In den Sommermonaten 1945 suchte der Eigentümer des „Heidemühlen“-Komplexes – ein Herr mit dem passenden Namen Bier – dann wieder nach einem Gastwirt. Er fand ihn in Rudolf Hoppe, Wirt der Bahnhofswirtschaft im Bahnhof Dresden-Neustadt. Rudolf Hoppe suchte eine neue Herausforderung. Da kam das Angebot, die „Heidemühle“ zu übernehmen, gerade recht. Eine Herausforderung war dies wirklich, denn der einst so anziehende Ort sah im Sommer 1945 wenig einladend aussah. In Hoppes Notizen ist der Zustand nachzulesen. Das Gebäude war ausgeplündert und verwahrlost, die Leitungen kaputt, die Öfen unbrauchbar. Doch auch der Wiederaufbau gestaltete sich schwierig. Alles Material musste im Handgepäck ab „Weißer Adler“ angeschleppt werden. Was tagsüber herangeschafft wurde, war oft am anderen Tage schon wieder geklaut.

Doch die von den Hoppes gegründete „Dienst am Gast GmbH“ gab nicht auf. Am 1. März 1946 eröffneten die Hoppes das „Reichsbahn-Gästehaus“ an der „Heidemühle“. Rudolf Hoppe versprach sich durch die Unterbringung von Eisenbahnern eine ganzjährige Auslastung seiner Gästezimmer. Einen Monat später konnte ein Teil der umfangreichen Außenplätze wieder bewirtschaftet werden. Bilddokumente zeigen fröhliche Ausgelassenheit bei einer Maifeier, zu der auch russische Offiziere anwesend waren. Danach baute der unermüdliche Wirt den großen Kinderspielplatz auf. In einem Brief an die Dresdner Schuldirektoren empfahl er die „Heidemühle“ dann als lohnenswertes Wanderziel.

Im Jahre 1947 kam der Wiederaufbau ins Stocken. Den ehemaligen Bahnhofswirt Hoppe hatte die Vergangenheit eingeholt. Trotz erfolgreicher „Entnazifizierung“, hielt die Obrigkeit seine Rolle als „förderndes Mitglied der SS“ für ungeklärt. So erhielt der Wirt aus Leidenschaft Berufsverbot. Vom 6. Juni 1947 bis zum 10. Juni 1948 musste er als „Grabmacher“ auf dem Inneren Neustädter Friedhof arbeiten. Seine Frau leitet in dieser Zeit das Ausflugslokal in der Heide weiter. Allerdings war auch sie in jener Zeit wegen angeblicher „Wirtschaftsvergehen“ kurzzeitig in Haft. Glücklicherweise konnten sich die Wirtsleute aber auf ihre Mitarbeiter verlassen. So lief der Betrieb immer weiter.

Gaststätte der HO

Am 19. Januar 1948 bat Rudolf Hoppe in einem Brief an den damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Fischer, wieder Wirt sein zu dürfen. Einige Monate dauerte es noch, dann hatte die „Heidemühle“ ihren Wirt wieder. Ab August 1948 fand sich in den Dresdner Tageszeitungen Werbung für das Lokal.

Nur zwei Jahre später geriet Wirt Hoppe wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Am 12. August 1950 berichteten die Tageszeitungen von der erneuten Verhaftung Rudolf Hoppes. Eine wochenlange Untersuchungshaft folgte. In erster Instanz wurde er wegen „Wirtschaftsvergehen“ zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die sofortige Berufung endete aber mit einem „glatten Freispruch“. Doch der einst so engagierte Wirt konnte und wollte nicht mehr. Gesundheitlich angeschlagen, beendete er wenige Monate nach dem Freispruch seine Selbstständigkeit. Die HO übernahm den Betrieb.

Nach der Wende endete der Versuch eines Neustarts in der „Heidemühle“ mit einem Streit um Auflagen der Hygiene. Seit einigen Jahren aber gibt es wieder Leben in der „Heidemühle“. Vielleicht können schon bald Feriengäste einziehen.