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Glasax heißt jetzt Walther

Schwepnitz. Die Glasproduktion in der Gemeinde ist gerettet.Das neue Stammwerk steht jetzt in Westfalen.

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Von Reiner Hanke

Lutz Quosdorf und Lutz Zeiler schrauben an der B97 in Schwepnitz die Glasax-Werbung ab. Eine Ära ist zu Ende. Trotzdem sind beide Mitarbeiter froh, denn der Standort ist gerettet. Mit diesen symbolischen Handgriffen gehen Wochen der Unsicherheit für die Belegschaft des Glasherstellers zu Ende. „Ab heute sind wir die Walther-Glas GmbH“, sagt Lutz Quosdorf.

Seit Montag 0.00Uhr ganz genau. Der neue Hausherr kommt aus dem westfälischen Bad Driburg-Siebenstern. Seit 1.30Uhr ist auch der neue Geschäftsführer Volker Walther in Schwepnitz. Er leitet nun neben dem Stammsitz die Betriebsstätte hier: „Wir müssen jetzt unverzüglich die Strukturen angleichen – organisatorisch, in der Fertigung und Datenverarbeitung.“

Belegschaft erleichtert

Bei den Mitarbeitern überwiegt Erleichterung, wie es Lutz Zeiler formuliert. Auch bei Anke Schäfer: „Ich bin nach dem ganzen Auf und Ab der Gefühle wieder optimistisch“, sagt sie. „Jeder hat doch hier um seinen Arbeitsplatz gebangt“, weiß Glasmacher Christian Ziegenbalg. Der Name Walther geht den Beschäftigten auch schon gut über die Lippen. Denn es sei ja kein unbekannter Name, so Lutz Quosdorf: Die Firma war bereits bis 1950 hier zuhause. Und so richtig wollte ohnehin keiner glauben, dass nach über 140Jahren Glasherstellung in Schwepnitz plötzlich Schluss sein sollte.

Aber es war knapp davor, räumt der Glasax-Insolvenzverwalter Dr.Christoph Munz ein. Im September ging der Firma das Geld aus, sie stellte Insolvenzantrag. „Walther-Glas war der einzige Kaufinteressent“, so Munz: „Die Alternative wäre die Schließung zum 15.Dezember gewesen. Deshalb wurde unter großem zeitlichen Druck verhandelt.“ Über die Kaufsumme wollen die Geschäftspartner Stillschweigen bewahren.

Wichtig sei es jetzt, das komplette Glas-Sortiment mit Schalen, Tellern, Platten zu durchforsten, so Volker Walther: „Was wir übernehmen und was nicht.“ Der kaum überschaubare Dschungel soll gelichtet werden. Zuviele Produkte, zu kleine Stückzahlen – das sei neben der Flut von Billigkonkurrenz aus Fernost eine Hauptursache für den Niedergang des Unternehmens gewesen. Der habe sich schon im Frühjahr abgezeichnet. In Prospekten ist noch von 120Mitarbeitern die Rede, 75 Festangestellte sind es jetzt bei der Waltherübernahme. Mit dem Verkauf hat der Standort allerdings seine unternehmerische Eigenständigkeit verloren. Dafür verspricht Volker Walther: „Wir werden die Hundert bei den Beschäftigten schnell wieder erreichen.“ Walther gilt mit 400 Leuten und 55Millionen Euro Umsatz im Jahr als Platzhirsch in der deutschen Pressglasbranche. Das Stammwerk in Westfalen sei voll ausgelastet. Die Überkapazitäten sollen nun nach Schwepnitz verlagert werden. Dort ist Ulrich Dahlenburg seit gestern Betriebsleiter. Der frühere Produktionschef schätzt ein: „Wir müssen jetzt mit Aufträgen aus dem Stammhaus die Produktionslücken füllen, um wieder eine gesunde Produktivität zu bekommen. Damit der Glasstandort wieder attraktiv wird.“

Kräftige Finanzspritze

Eine kräftige Finanzspritze soll dazu beitragen. Für eine siebenstellige Euro-Summe will Walther in den nächsten zwölf Monaten Maschinen und eine neue Schmelzwanne anschaffen. Von derzeit 8bis 10Tonnen Glas am Tag soll die Produktion möglichst zügig auf 12Tonnen steigen und nach 2007 sogar auf 20Tonnen.Der Firmenchef schätzt ein: „Wir hätten auch auf der grünen Wiese investieren können“, Glasax habe er, wegen des Potenzials übernommen, das in der Firma stecke: „Die Leute verstehen ihr Handwerk.“ Die Firmengeschichte und nostalgische Erwägungen hätten dagegen ganz im Hintergrund gestanden: „Trotzdem ist es ein schönes Gefühl, zurück an die Wurzeln zu gehen.“