Görlitzer Kindermode ist gefragt

Alice Peterich hofft, in Görlitz fündig zu werden. Sie recherchiert zur Kindermode in der DDR. Die 68-jährige Historikerin braucht dabei Unterstützung. „Ich suche Erinnerungen von Mitarbeitern des ehemaligen VEB Bekleidungswerks Steppke in Görlitz“ erläutert sie. Der Betrieb auf der Salomonstraße gehörte von 1951 bis 1991 zu den wichtigsten Produzenten von Knabenoberbekleidung in der DDR. Nach der Wende wurde der Betrieb abgewickelt. Jetzt ist er eine Industriebrache, die erst kürzlich Görlitzer Hoteliers erwarben.
Die Ergebnisse ihrer Recherchen zum Bekleidungswerk Steppke und zu anderen Produzenten von Kinderbekleidung sollen in ein Buch münden, das Alice Peterich mit ihrem Mann Dieter Peterich in einem kleinen Verlag herausgibt. Sie interessiert sich vor allen Dingen für Ausbildungsmappen von Industrienäherinnen und für Modellzeichnungen von Kinderkollektionen, die unter anderem für die Leipziger Frühjahrs- und Herbstmessen angefertigt worden sind. „Perfekt wäre es, wenn jemand noch originale DDR-Kinderbekleidung aus der Zeit von 1949 bis 1989 hätte“, sagt die Historikerin. Gerne nutzt sie auch Kataloge und Modezeitungen aus den Centrum- und Konsument-Versandhäusern Leipzig und Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz. „Das sind wichtige Quellen für die kulturgeschichtliche Dokumentation“, erläutert sie. Wer über das Steppke-Werk oder andere Betriebe in Görlitz und Ostsachsen berichten kann, in denen Kindermode hergestellt wurde, sollte sich bald mit Frau Peterich in Verbindung setzen.
Alice Peterich ist gebürtige Mecklenburgerin und lebt seit 2001 in Schleswig-Holstein. Von 1975 bis 2001 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Museologin am Stadtmuseum Leipzig. Jetzt, im Ruhestand, hat sie die Zeit für Nachforschungen, die ihr während der täglichen Arbeit im Museum nicht blieb. Sie hat das Buch „Zeigt her eure Kleider – Kindermode im Wandel der Zeit“ herausgegeben. Das brachte sie auf die Idee, sich speziell mit der Kindermode in der ehemaligen DDR zu beschäftigen.

2015 gab es in Schwerin eine Ausstellung unter dem Motto „Zeigt her eure Kleider“, bei der die Exponate zum großen Teil aus der Sammlung von Alice Peterich stammten. Die Historikerin hatte da schon den Norden der Republik in Sachen Kindermode durchforstet. Jetzt will sie die weiteren Regionen der ehemaligen DDR erforschen. Eine ganze Menge an Informationen hat sie schon zusammengetragen. Die Historikerin freut sich sehr, dass sie überall viel Unterstützung erfährt. So hat sie zum Beispiel in Oschatz ehemalige Mitarbeiter eines Werkes gefunden, in dem Babybekleidung hergestellt wurde. In Havelberg (Sachsen-Anhalt) haben ihr viele Mitarbeiter eines Werkes für Oberbekleidung geholfen. „Unterstützung kommt von überall“, sagt sie und findet es erstaunlich, dass die Hilfe fast gratis gewährt wird. „Viele freuen sich sehr, ihre Erinnerungen weiterzugeben, damit sie vor dem Vergessen bewahrt werden. Als Dank für die Unterstützung wünschen sich die meisten Informanten das Buch, wenn es erschienen ist“, erläutert Frau Peterich.
Auf die Idee zur Erforschung von Mode kam sie als Museumsmitarbeiterin. „Immer wieder habe ich dabei auch Bekleidung in die jeweilige Ausstellung eingeordnet. Über deren Entstehung und kulturgeschichtliche Bedeutung im Ganzen zu recherchieren, dafür blieb einfach keine Zeit“, bedauert die Historikerin. Diese Zeit nimmt sie sich jetzt. Mit der Historie der DDR-Kindermode im Norden hat sie einen Grundstock gelegt. Auf dem baut sie nun auf. Alice Peterich will mit ihren Dokumentationen zur Kindermode ein Stück DDR-Geschichte in Erinnerung halten, ohne zu politisieren. „Es gibt so viele positive Dinge, die wir einfach nicht vergessen sollten“, betont die 68-Jährige. In ihrem neuen Buch wird sie verschiedene Kategorien beleuchten, unter anderem die Festbekleidung zur Jugendweihe und die Entwicklungen in der Pionier- und FDJ-Bekleidung. „Die Mode in der DDR war zweckmäßig und hatte sich damals schon an der Einfachheit und Zweckmäßigkeit des Bauhauses orientiert“, sagt Frau Peterich. Ende der 1950er und in den 1960er Jahren habe sich in der DDR eine eigene Mode entwickelt, die sich zwar an der internationalen Modewelt orientiert habe, aber dennoch viele eigene Akzente setzen konnte, so die Historikerin.
Alice Peterich ist wie folgt zu erreichen: Tel. 04323 1449; Mail: [email protected]
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