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Grabpflege mit blutigem Fleischerbeil?

Im Terror-Prozess berichtet ein Angeklagter in Dresden, was die rechtsextreme „Oldschool Society“ für ihn bedeutet hat.

Von Alexander Schneider
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Marcel L., hier mit seinen beiden Verteidigern, räumt ein, Mitglied der rechtsextremen Terrorgruppe Oldschool Society gewesen zu sein. Er habe „Gräber pflegen“ wollen, sagte er. Seine Aussage wird das Gericht noch eine Weile beschäftigen.
Marcel L., hier mit seinen beiden Verteidigern, räumt ein, Mitglied der rechtsextremen Terrorgruppe Oldschool Society gewesen zu sein. Er habe „Gräber pflegen“ wollen, sagte er. Seine Aussage wird das Gericht noch eine Weile beschäftigen. © Ronald Bonß

Die rechtsextreme Terrorzelle „Oldschool Society“ (OSS) ist organisiert wie ein Rocker-Club. Es gibt dort einen Präsidenten, Bewerber müssen sich monatelang als „Supporter“ bewähren, ehe sie als „Member“, als vollwertiges Mitglied, aufgenommen werden, Gebietsstrukturen werden in „Chapter“ untergliedert. Ganz konkret habe es Planungen für ein „Chapter Österreich“ gegeben. Marcel L., ein 30-Jähriger aus Mecklenburg-Vorpommern, bestätigte am Dienstag diese bemerkenswerte Struktur der OSS.

Er steht seit Anfang Februar mit Daniel A. (43) aus Chemnitz wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden. Nun war L. an der Reihe. Er wollte sich zu den Vorwürfen äußern, selbst nachdem eine Verfahrensabsprache geplatzt war. L.s Verteidiger hatten auf einen Deal gehofft, der ihrem aussagewilligen Mandanten das Gefängnis erspart. Richter Thomas Fresemann, der Vorsitzende des OLG-Strafsenats, teilte eingangs mit, dass auch der Vertreter des Generalbundesanwalts eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren „nicht völlig illusorisch“ nannte. Der Senat halte eine Strafe, die sich am unteren Bereich der bereits verurteilten OSS-Anführer orientiert, für angemessen: „Zudem dürfte der lange Zeitraum zwischen Tat und Verurteilung zu berücksichtigen sein.“

Bereits im März 2017 wurden der OSS-Präsident, der Vize, die Schriftführerin und der Pressesprecher am OLG München zu Haftstrafen von drei bis fünf Jahren verurteilt. Sie hatten etwa einen Sprengstoffanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Borna geplant. L. kann nicht wirklich darauf vertrauen, Bewährung zu bekommen.

Doch was der 30-Jährige am Dienstag ablieferte, ist allenfalls ein Teilgeständnis. Er sei im September 2014 privat von einem der OSS-Chefs angesprochen worden, ob er er Interesse habe, sich anzuschließen. Er sei in den Chat der OSS aufgenommen worden. Er habe Friedhöfe pflegen wollen, sagte er. Habe sich um die Gräber deutscher Soldaten kümmern wollen. Wie sich das schon mit dem wenig pietätvollen Logo der OSS, das es zu jenem Zeitpunkt schon gegeben habe, verträgt, diese Frage musste L. nicht beantworten. Das Logo zeigt einen weißen Totenkopf auf schwarzem Grund mit blutrotverschmierten Fleischerbeilen. „Bei der OSS stand Zusammenhalt an erster Stelle“, sagte L., „die Gemeinschaft“. Das habe er an der NPD vermisst, bei der er im Raum Meerane seit 2017 Mitglied gewesen war und zuletzt für den Kreistag kandidiert habe. „Bis es Differenzen gab“, so L., „Die haben mich dann rausgeschmissen.“

Das einzige Treffen der OSS fand im November 2014 in der Kleingartensparte Sommerfreude statt. Danach sei L. als „Vertrauensperson“ in die Führungsebene aufgestiegen, den „Geheimrat“. Daniel A. sei für „die Sicherheit“ zuständig gewesen. Das habe sich vor allem darauf beschränkt darauf zu achten, dass nicht zu viel getrunken werde. Es sei diskutiert worden, beim geplanten zweiten Treffen Anfang Mai 2015 gar keinen Alkohol zu erlauben. Die OSS hatte 12 bis 15 Mitglieder, darunter mehrere Frauen. Der Präsident hat etwa bestimmt, die OSS als „Organisation“ zu bezeichnen, bestätigte Marcel L. einen entsprechenden Satzungseintrag. Wer Arbeit hatte, musste 15 Euro monatlich Beitrag zahlen, Arbeitslose die Hälfte.

Ende 2014 waren einige OSS-ler in Dresden. Weil sie, beseelt vom Glühwein, am Weihnachtsmarkt „Deutschland den Deutschen“ skandierten, erhielten sie einen Platzverweis, so L. Die Chats seien 2015 radikaler geworden. Auch er habe sich an dieser Eskalation beteiligt. L. gab zu, er habe eine „Nachtwanderung“ vorgeschlagen. Erst behauptete er, man habe Anfang Mai Flyer verteilen wollen. Dann räumte er ein, dass die OSS mit dem Marsch in dunkler Kleidung einschüchtern wollte. „Wen wollen Sie denn nachts in Borna einschüchtern?“, fragte eine Vertreterin des Bundesanwalts. L. schwieg.

Solche Fragen, es gab einige, beantwortete Marcel L. nicht. Etwa, warum er Ende 2017 in der Kluft als „Prospect“ eines Stralsunder Motorradclubs in eine Polizeikontrolle geraten war – obwohl er seit dem Auffliegen der OSS bei keiner rechten Versammlung mehr gewesen sein will. Eine Bewährung scheint noch in weiter Ferne zu sein. Der Prozess wird fortgesetzt.