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Grünmarkt statt Samtpantoffeln

Als billig und geschmacklos kritisieren Besucher die Stände zwischen Rathaus und Kirche. Doch wie lässt sich das ändern?

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© AP

Von Peter Anderson

Silvia Vogel vom Modehaus Fischer bringt es auf den Punkt: Furchtbar sei der sogenannte Bauernmarkt am vergangenen Wochenende gewesen. Mit diesem Angebot werde Meißen keine Besucher anlocken, schreibt die Geschäftsfrau auf der Meißner SZ-Seite bei Facebook.

Mit ihrer Ansicht steht Silvia Vogel nicht allein. Cindy Janotta formuliert an gleicher Stelle ironisch: „Vorwerk-Staubsauger, Samtpantoffeln und Handtaschen aus Shanghai haben einen förmlich in den Osterwahn getrieben.“ Regionale Stände mit frühlingshaften Waren hätte sie sich stattdessen gewünscht.

Wirt und Stadtrat Ulrich Baudis (Die Linke) hat das Markttreiben aus nächster Nähe beobachtet. Er fordert ein ausgewogenes Urteil ein. Am Sonntag sei der Markt gut besucht gewesen. Ihn habe gefreut, dass diesmal nicht nur Bratwurststände zwischen Rathaus und Frauenkirche standen. Schimpfen gehe immer. Die Ursachen für das Ausbleiben heimischer Händler mit regionalen Waren bezeichnet er als komplex. „Für zwei Tage kriegt man kaum jemanden nach Meißen“, sagt Baudis. Viele Händler scheuten mittlerweile den großen Aufwand für die kurze Zeit. Sie bereiten sich statt dessen bereits auf die in den nächsten Wochen anstehenden Frühjahrsmärkte in Dresden und Leipzig vor. Die laufen über mindestens vier Tage beziehungsweise bis zu drei Wochen. Dort gibt es deutlich mehr Geld zu verdienen.

Unweit des Marktplatzes – auf der Fleischergasse – betreibt auch Ute Czeschka ihr Geschäft, vorwiegend mit Erzeugnissen sächsischer Manufakturen. Zum fünften Mal organisiert die Marketing-Spezialistin dieses Jahr die Sächsische Weihnacht auf Schloss Wackerbarth in Radebeul.

Vom Blaudrucker bis zum Destilliermeister stellen sich dort hiesige Handwerker mit ihren Gewerken und Produkten vor. Der kleine, aber feine Markt hat sich eine eigene Fangemeinde erarbeitet. Stammkunden kommen regelmäßig, um hochwertige Geschenke zu kaufen oder einfach nur das originelle Flair zu erleben. Jährlich erweitert sich der Besucherkreis durch Mund-Propaganda. Werbung ist kaum mehr nötig.

Gleiches gilt für den Kreis der Handwerker. Sie haben das Datum mittlerweile fest im Kalender vermerkt. Regelmäßig erhält Ute Czeschka Anfragen von neuen Interessenten. Bis dieser Stand erreicht, musste die Geschäftsfrau allerdings einen langen Weg zurücklegen.

Grundlage sei ein klares Profil gewesen. Anschließend habe sie die Handwerker selbst ausgesucht und ihnen in direkten Gesprächen ihre Idee vermittelt. Vertrauen wurde aufgebaut. „Ein Handschuhmacher steht nun mal gern unter seinesgleichen. Wenn nebenan Billigware von der Stange angeboten wird, fühlt er sich nicht wohl“, sagt Ute Czeschka. Auch die Kunden spürten solche Brüche sofort. In Meißen könnte sie sich vorstellen, dass beispielsweise ein Grünmarkt funktionieren würde.

Rund um die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren eine vielfältige Szene von Produzenten entwickelt. Angefangen vom Bauernhof Friede in Gröbern, über den Milchschafhof Saultitz bis hin zur Imkerei Werner in Heynitz. Mit einem überzeugenden Konzept ließen sich diese Betriebe sicher als Partner gewinnen.

Die Frage stellt sich allerdings, ob dieser Aufwand vom Gewerbeverein als Marktbetreiber in Meißen geleistet werden kann. Vereinschef Uwe Reichel verweist darauf, dass die Organisation ehrenamtlich laufe. Der Gewerbeverein verdiene kein Geld mit den Märkten. Reichel bestätigt die Aussage von Stadtrat Ulrich Baudis, wonach es schwer geworden ist, attraktive Anbieter aus der Region zu gewinnen. Die auswärtigen Händler würden sich zudem gleichzeitig bei mehreren Märkten anmelden. „Am Wochenende fahren die dann dorthin, wo das Wetter am schönsten ist“, sagt Reichel. So hätten zum Bauernmarkt fünf bis sechs Stände gefehlt, die eigentlich fest eingeplant waren.

Andere Städte und Veranstalter setzen angesichts solcher Hürden auf Spezialisten aus dem Fach. Seit 2012 wird etwa der Großenhainer Wochenmarkt durch die überall in Ostdeutschland aktive Marktgilde organisiert. „Gute Märkte sind ein Instrument des Stadtmarketings. Das heißt aber in Vorleistung gehen und vielleicht auch einmal Geld ausgeben für attraktive Angebote“, so der Gewerbevereinschef.

Einen neuen Anlauf für Meißens Märkte könnte mit dem von Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) angekündigten Aufbau einer Meißner Stadtmarketing GmbH bis spätestens 2016 geben. Diese soll sich nicht zuletzt um das Profil der Feste und Märkte in der Stadt kümmern; nicht zwingend als Veranstalter, aber als Richtungsweiser.