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„Gutes Aussehen tut nicht weh“

Christian Steiffen will mehr „Sexualverkehr“, sieht seine Schlager als Stütze und tritt aus gutem Grund in Dresden auf.

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Christian Steiffen lebt den Traum eines „Schlagergottes“.
Christian Steiffen lebt den Traum eines „Schlagergottes“. © Manfred Pollert

Hardy Schwetter alias Christian Steiffen bezeichnet sich selbst als „Gott of Schlager“, nimmt sich aber nicht so ernst wie die meisten seiner Kollegen. Der Osnabrücker entlarvt die skurrilen Heile-Welt-Posen der Genre-Stars nicht nur in seinen aus tiefer Brust gesungenen Liedern, sondern auch in seinen schmierig-satirischen Shows, die an Karneval erinnern. BHs, die zu ihm auf die Bühne fliegen, benutzt er subversiv als Schnäuztuch, und er sehnt sich „so sehr nach Sexualverkehr“. Bevor der Sänger zum Konzert nach Dresden aufbricht, spricht er im Interview über Helene Fischer, besonderere Ziele und darüber, wie es ist, vor fünf Leuten aufzutreten.

Herr Steiffen, Kollegin Andrea Berg betreibt das „Hotel Sonnenhof“ in Kleinaspach. Dort bietet sie Urlaub im schwäbischen „Dörfle“ an, hält ihre Fanclubtreffen ab und gibt alljährlich ein „Heimspiel“-Open-Air. Wo leben Sie Ihren Schlagertraum?

Den Schlager-Albtraum? Ich werde vielleicht auch mal das Café Finsternis eröffnen, aber ich habe keinen Schlagertraum. Mit Andrea Berg möchte ich mich nicht auf eine Stufe stellen.

Mit Ihren Shows begeistern Sie landauf, landab Ihre Fans, doch über den Menschen hinter Christian Steiffen ist fast nichts bekannt. Wer sind Sie wirklich?

Darauf muss ich mit Klaus Kinski antworten: Ich verstehe die Frage nicht! Man kann sich ja nicht mit einem Satz beschreiben. Ich höre privat keinen modernen Schlager. Mir gefallen Chansons und alte deutsche Schlager. Mallorca und Karneval sind nicht meine Welt.

Lieben Sie in Wahrheit die Anarchie?

Es liegt mir fern, auf irgendetwas zu scheißen, aber das Schlagersystem interessiert mich nicht. Ich finde es generell aber gut, wenn jemand Musik macht. Ich bin in den 70ern im Partykeller meiner Eltern sozialisiert worden. Da ist ein großes Schlagertrauma entstanden, was ich durch meine Musik versuche zu verarbeiten und in eine positive Bahn zu lenken.

In Ihren Liedern raten Sie dazu, wieder mit dem Rauchen anzufangen. Ist das etwas Positives?

Ich finde, dass man sich Ziele setzen sollte, die man auch erreichen kann und die einen nicht überfordern sollen in der Leistungsgesellschaft. Von daher ist das etwas Positives. Die Welt wird nur dann besser, wenn man auch etwas macht.

Leben Sie nach dem Motto „Jung kaputt spart Altersheim“?

Im Grunde sind meine Songs alle sehr ernst, aber an dieser Stelle habe ich einmal das Werkzeug der Ironie benutzt.

Was ist das Wichtigste in Zeiten wie diesen?

Zuhören. Aufmerksamkeit. Mit sich selbst achtsam umgehen. Christian Steiffen kann in schweren Zeiten ein Wegweiser sein.

In „Wie der Wind“ singen Sie über den Zusammenhang zwischen Freiheit, Verdauung und Vergänglichkeit. Wie haben Sie für diesen Text recherchiert?

Die Zeilen „Lass ruhig mal einen fahr’n/auch wenn Menschen um dich sind/denn das Leben ist wie der Wind“ hatte ich schon ganz lange. Der Text rundherum entstand nach und nach. Der Musikstil wechselt von Country ins Epische. Mit dem Lied will ich sagen, dass die kleinen Dinge im Leben wichtig sind. Aber wie man darauf kommt, weiß ich auch nicht. Stücke entstehen bei mir in einem Trance-artigen Zustand. Lieder erklären ist wie Witze erklären.

Wie ernst nehmen Sie die Kunstfigur Christian Steiffen?

Ich nehme das, was ich mache, sehr ernst. Ich stelle manchmal fest, dass mir Ironie vorgeworfen wird. Das lehne ich persönlich aber ab, denn hinter Christian Steiffen steckt kein Konzept. Wenn man mit Musik Geld verdienen will, schreibt man keine Lieder wie „Sexualverkehr“ oder „Ich hab‘ die ganze Nacht von mir geträumt“. „Gott of Schlager“ stand schon auf meiner ersten Autogrammkarte. Wobei ich nicht weiß, ob ich der bin oder ob er nur durch mich spricht. Die guten Götter wissen selber nicht, dass sie Götter sind. Das Ganze lebt durch die Ehrlichkeit. Ich hoffe, dass die Menschen zu mir kommen, um einen schönen Abend zu haben und hinterher revitalisiert sind.

Hat die Kunstfigur Christian Steiffen ein Eigenleben entwickelt?

Man stellt als Künstler etwas in die Welt. Was dann daraus wird, kann man nicht beeinflussen. Wenn ich ihn kontrollieren könnte, wäre er längst weg. Ich wohne mit ihm zusammen, und das ist nicht immer einfach. Aber wir arrangieren uns.

Über welche Tat oder Aussage von Christian Steiffen wird man noch lange nach seinem Ableben reden?

Sätze wie „Ich fühl mich Disco“ gehen schon in den allgemeinen Sprachgebrauch über. Schwer zu sagen, was die Menschen in 2000 Jahren über Christian Steiffen denken. Die Idee ist, dass es sich mit ihm so verhalten wird wie mit der christlichen Religion. Aber um über Wunder sprechen zu können, ist es noch zu früh.

Haben Sie anfangs wirklich nur vor fünf Leuten gespielt?

Ja. Zum Teil bin ich einfach nur mit einer Playback-CD aufgetreten. Die ersten vier, fünf Jahre kannte mich keiner. Ich habe auch kein Booking gemacht, sondern einfach nur meine Musik gespielt und dann hat mich jemand eingeladen. „Sexualverkehr“ habe ich bereits 1996 geschrieben und erst 2007 aufgenommen. So viel zum Thema Sendungsbewusstsein. Christian Steiffen ist ganz natürlich entstanden. Mir kommen einfach nur dumme Ideen in den Kopf und die werden dann umgesetzt. Ich tue das nicht, um Geld zu verdienen, sondern um meine eigene Party zu haben. Der Steiffen wird immer größer, aber ich habe keine Angst davor.

Würden Sie gern mal in der Helene Fischer Show auftreten?

Es kann jeder gerne anrufen und dann überlege ich es mir. Ich sehe mich aber nicht als Fernsehkünstler. Ich wäre gern bei „Wetten, dass ..?“, „Zum Blauen Bock“ und „Am Laufenden Band“ aufgetreten, aber die Zeit ist vorbei.

Hat Sie das Showgeschäft, das oft als Haifischbecken beschrieben wird, misstrauischer werden lassen?

Ich denke, dass Christian Steiffen absolut konkurrenzlos ist. Haifischbecken sind mir fremd. Ich erlebe eigentlich nur Kollegialität. Aber ich bin auch nicht wirklich geil auf irgendwas. Die Reality-TV-Shows sind nicht meine Welt. Ich schreibe meine Songs, wir hauen sie raus, und wer Bock hat, der kommt zu den Konzerten. So sehe ich das. Ich kann Christian vertrauen, er geht seinen Weg.

Warum ist der moderne Schlager, der immer von der schönen heilen Welt erzählt, so erfolgreich?

Ist dem so? Ich höre diese Musik kaum. Bisher gab es nichts anderes, aber jetzt bin ich ja da. Musik werte ich nicht in Verkaufszahlen, deshalb ist es auch gut, dass der Echo weg ist.

Können nur schöne Menschen glücklich sein?

Das Lied „Schöne Menschen“ ist ironisch gemeint. Es geht eher um innere Schönheit. Aber gutes Aussehen tut nicht weh.

Haben Sie sich schon einer Schönheitsoperation unterziehen lassen?

Ich habe meinen Blinddarm machen lassen. Er gefiel mir nicht mehr.

Wer ist Ihre größte Stütze?

Der Steiffen braucht keine Stütze, um aufrecht zu stehen. Seine größte Stütze ist die Musik. Ohne sie würde das Leben ganz schwer gehen, weil ich durch sie viele neue Freunde kennengelernt habe. Fans bezeichne ich gern als Freunde. Es ist statistisch erwiesen, dass in jeder Ansammlung von Menschen auch ein paar Arschlöcher sind, aber damit muss man leben. Christian Steiffen ist für viele die einzige Chance auf Resozialisierung.

Das Interview führte Olaf Neumann.

Das Album: Christian Steiffen: Gott of Schlager. It Sounds/Rough Trade/Good to Go

Das Dresden-Konzert: 27.4., Alter Schlachthof

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