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Hallenhaus-Ausstellung in der Brüderstraße öffnet

Die Schau gibt faszinierende Einblicke in diese besonderen Gebäude, mit denen Görlitz auf die Welterbe-Liste kommen möchte.

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© Nikolai Schmidt

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Ein winziges, dunkles Küchlein mit Ofen und Herd – viele Jahrzehnte alt. Reste eines Jean-Claude van Damme-Posters, Aufkleber auf Küchenfliesen, ein Mini-Bad, in dem noch Badewanne und Fragmente eines Badeofens stehen. Überall alte Blümchentapete. Es gibt jede Menge Spuren menschlichen Alltags hier im Haus an der Brüderstraße 9. Wobei Haus untertrieben ist. Weil es so verwinkelt ist, hat es den Anschein, als wären hier mehrere Häuser unter einem Dach vereint. Das trifft eigentlich auch zu. Wer sich den Legofilm ansieht, der die Entstehung des Gebäudes spielerisch verdeutlicht, wird das verstehen.

Der 10-Minuten-Film gehört zur Ausstellung „Kaufmannspaläste an der Via Regia“. Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer eröffnet sie heute. Dass er das übernimmt, spricht für die Bedeutung dieser Ausstellung, für die die Stadt 400 000 Euro Fördermittel bekam. Denn sie zeigt, welchen großen baulichen Schatz Görlitz mit seinen 60 Hallenhäusern hat. Und bringt das erstmals einem breiten Publikum nahe. „Unsere Hallenhäuser sind von außen oft nicht mehr als eine unscheinbare Fassade“, sagt Architekt und Ausstellungskurator Frank-Ernest Nitzsche. „Schmale Handtücher, die sich aber weit in die Tiefe bis hin zur nächsten Straße ziehen. Man sieht auf den ersten Blick nicht, welche Paläste das sind.“ Nitzsche ist einer, der es genau weiß. Auf vielen seiner Erkenntnisse beruht die Schau. Die hat er zusammen mit Fotograf Ulrich Schwarz 2012 und 2013 gesammelt, als beide zuerst die Görlitzer und dann Hallenhäuser entlang der alten Via Regia in Polen fotografiert haben. Ein Teil der Bilder ist in der Brüderstraße 9 nun erstmals zu sehen. Alle sind bei Tageslicht aufgenommen, teils mit minutenlangen Belichtungszeiten – damit sie authentisch wirken. Sie kleben jetzt in früheren Schlaf- oder Kinderzimmern, in Fluren, oder dem Herzstück der Brüderstraße 9: dem Saal. Hauptexponat der Schau ist das Gebäude selbst. Im 13. Jahrhundert begann die Entwicklung dieses Hauses, über die Jahrhunderte wurde es immer größer, wuchs zu einem mulitfunktionalen Handelshaus, bis es schließlich zu DDR-Zeiten als Wohnhaus mit 60 Zimmern zum Stillstand kam. 1994 zog der letzte Mieter aus, seitdem steht das Haus, das der städtischen Kommwohnen gehört, leer – mit Ausnahme der Büros des städtischen Kulturservices.

Und so können sich Besucher in den kommenden Wochen auf Zeitreise in dem unsanierten Gebäude begeben. Das soll es vorerst auch bleiben, denn es eignet sich perfekt für weitere Forschungen zu Hallenhäusern, wie auch dafür, das Thema anschaulich zu machen. Diese beiden Dinge hat die Welterbe-Kommission der Stadt schließlich mit auf den Weg gegeben, wenn es mit der Welterbe-Bewerbung klappen soll. Für die Anschaulichkeit gibt es unter anderem ein Modell des Hauses, das nach aufwendiger Messung ein 3-D-Drucker produziert hat. Auch das Legohaus aus dem Film ist oben wieder zu finden.

Die Ausstellung ist bis Oktober zu sehen, täglich 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei. Über den Winter kann sie auf Anfrage über Führungen besichtigt werden.