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Hans Modrow im DDR-Museum

Der ehemalige SED-Bezirkschef von Dresden trifft in Radebeul auf Zuhörer aus Ost und West.

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Von Peter Redlich

Der kleine schlanke Mann mit dem etwas widerborstigen weißen Haar würde als ganz normaler Rentner in Ost und West durchgehen. Sportliche Schuhe, schwarze Jeans, dunkelblaue Lederjacke, blaues Hemd. Wer genauer hinschaut, sieht am Handgelenk die goldene Glashütter Uhr vom 25. Jahrestag der DDR.

Der Mann heißt Hans Modrow und hat – ohne eigenes Zutun – am Freitagvormittag für reichlich Aufsehen im Radebeuler DDR-Museum gesorgt. Hans Modrow, heute 87 Jahre, war Vorsitzender des Ministerrates der DDR bis März 1990. Als Politiker der Linken saß er im Bundestag und im Europaparlament. In Dresden ist Modrow vor allem noch bekannt als SED-Bezirkschef. Einer, der bei den SED-Spitzen in Berlin aneckte, weil er beispielsweise Künstlern in Dresden mehr Freiheiten gewährte als anderswo und sogar als Verräter tituliert wurde, aber in Sachsen auch die Aktionen der Staatssicherheit duldete.

Ins DDR-Museum haben den jetzt in Berlin lebenden Politrentner Museumschef Hans-Joachim Stephan und Dieter Lämpe eingeladen. Anlass ist die Sonderausstellung in dem Plattenbau an der Meißner Straße zum ehemaligen Palast der Republik in Berlin, die Lämpe organisierte.

Die Radebeuler Günther Despang und sein Sohn Martin waren zwei von mehreren Dutzend Besuchern, die Modrow sehen und seine Meinung hören wollten. Architekt Despang: „Ich bin bei Bautzen geboren, aber im Westen Deutschlands aufgewachsen und nach der Wende nach Sachsen zurückgekommen. Modrow ist für mich ein Mann der Zeitgeschichte. Ich wollte ihn persönlich kennenlernen.“

Mit leicht brüchiger Stimme, aber sehr klarem Verstand beantwortete Hans Modrow Fragen und erinnerte sich an seine 15-jährige Amtszeit im damaligen Bezirk Dresden. In der Abteilung zur Rechentechnik und den Dresdner Robotron-Betrieben erzählte Modrow, wie er die Berlin-Befehle interpretierte, wonach in jedem Betrieb mindestens  zehn  Prozent  sogenannte Konsumgüterproduktion durchzusetzen sei. Mit der Androhung, sonst werde in Dresden die Mikroelektronik nicht mehr gefördert. „Ich habe dann wertintensive TV- und Radioherstellung dagegengehalten, das hat letztlich funktioniert. Die Fachleute aus der Dresdner Mikroelektronik bei Robotron wurden nicht abgezogen“, so Modrow. Die Fachleute arbeiten heute bei Infineon und Globalfoundries im Dresdner Norden.

Auch die Nachfrage, warum es im Dresdner Stadtteil Johannstadt eine sogenannte Modrow-Kaufhalle gab, beantwortet der Gast aus seiner Sicht: „Meine Frau und ich wohnten gegenüber im Plattenbau. Am Sonnabend gingen wir abwechselnd oder zusammen dort einkaufen, wie jeder andere auch. Die Kaufhalle war eine vom Konsum, der in der Stadt eigentlich nicht gewollt war, dort sollte die HO vorherrschen. Um sich zu behaupten, haben die Mitarbeiter sich mehr Mühe gegeben, nicht wegen mir.“

Beim Blick in eines der nachgebildeten typischen DDR-Wohnzimmer mit Möbeln aus Hellerau entfuhr es einem Besucher aus dem Ruhrgebiet, dass das ja aussehe wie bei ihm früher Zuhause. Er erfuhr, dass aus ostdeutschen Betrieben nicht nur Damenstrümpfe an den Otto-Versand geliefert wurden, sondern auch Möbel von Hellerau in den Westen gingen, um dafür die harte D-Mark zu bekommen. Modrow zollte dem Museum Respekt, eben weil dem Besucher nichts aufgedrängt werde.

Von Gästen nach seiner Meinung zur heutigen Deutschlandpolitik befragt, sagte der Linken-Politiker, dass ihm vor allem das Verhältnis zu Russland beschäftige und ihm mittlerweile deshalb sogar Bismarck nahe sei, der einmal gesagt hat, dass die Balance in Europa nur zu halten sei, wenn man keinen Streit mit Russland habe.