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Heimisch unter Tüftlern

Vor acht Jahren kam der Schwabe Sacha Markalous nach Radeburg. Dabei fing alles mit einem Missverständnis an.

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© Norbert Millauer

Von Wolf Dieter Liebschner

Ein Blick in die Zeitung kann Wunder bewirken. Es war im Jahre 2006, der junge Mann aus Schwaben ist gerade 31 Jahre alt geworden, frisch promoviert und lebt noch gar nicht so lange in Sachsen, als ihm ein Artikel in der Sächsischen Zeitung auffiel. Da war die Rede von einem Land der Tüftler und Erfinder. „Nanu“, denkt der junge Mann, „jetzt schreibe die hier in Sachsen übers Schwabenländle?“

Der Irrtum war schnell aufgeklärt. Der Zeitungsbeitrag handelte tatsächlich von Sachsen, was sie im Laufe der Jahrhunderte so alles erfunden haben, und woran sie heute tüfteln. „Da habe ich tatsächlich etwas hinzugelernt“, sagt Sacha Markalous, der junge Mann aus Schwaben.

Mittlerweile ist er 39 Jahre alt, lebt mit Frau und vier Kindern in Radebeul, verdient sein Geld als Geschäftsführer der Radeburger Hagenuk Kabelmesstechnik GmbH, die seit zwei Jahren zur britischen Megger-Gruppe gehört.

„Damals konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass es in einem Artikel über Tüftler und Erfinder nicht um Schwaben gehen könnte“, sagt Markalous heute. „Das hatte aber wohl nur meine schwäbische Seele angesprochen. Jetzt weiß ichlängst, dass die Sachsen diese Bezeichnung genauso verdienen.“ Und er meint, dass sich Sachsen und Schwaben in dieser Hinsicht erstaunlich ähnlich sind. „Einfallsreich, hartnäckig und fleißig. Denn eine Erfindung macht man nur, wenn zu fünf Prozent Genie 95 Prozent Schweiß hinzukommen, hat mal ein kluger Mann gesagt.“

Selbstredend lässt er auf „seine“ erfinderischen Schwaben nach wie vor nichts kommen. Gottlieb Daimler nennt er, der vor fast 130 Jahren das erste Auto baute. „Was aber kaum einer weiß“, so Markalous, „Daimler hat ein Jahr zuvor das Motorboot erfunden.“ Über Albert Einstein, der in Ulm geboren wurde, müsse man sowieso nicht viel sagen. „Das ist wohl der weltweit bekannteste Schwabe.“

Markalous hat sich indes auch in die sächsische Erfinderwelt eingefuchst. Der Schritt von Gottlieb Daimler zu August Horch ist ja rein produkttechnisch auch nicht weit. Er kennt inzwischen auch Melitta Benz und ihre Kaffeefilter. Und er bewundert den Dresdner Physiker Manfred von Ardenne ob dessen zahlreiche Erfindungen auf den unterschiedlichsten Gebieten.

Wichtig ist für Markalous aber auch die Erkenntnis, dass Sachsens Tüftler von heute nahtlos an diese Vergangenheit anknüpfen. Nicht zuletzt auch bei Megger in Radeburg. „Von hier sind schon seit Jahrzehnten regelmäßig Neuentwicklungen bis zur Patentreife gebracht worden“, sagt Markalous. „Und ich bin stolz darauf, dass das immer noch zum Arbeitsalltag gehört.“ 110 Mitarbeiter hat das Unternehmen, knapp 40 davon sind Entwicklungsingenieure. Dass aus diesem Umfeld zahlreiche Ideen kommen und verwirklicht werden, ist nicht ungewöhnlich. „Hier ist sehr viel Substanz vorhanden“, sagt der Wahl-Sachse Markalous. „In den letzten Jahren sind durchschnittlich fünf Patente pro Jahr angemeldet und erteilt worden.“

Die verschiedensten Kabelmess- und Diagnosegeräte sind das Metier der Radeburger. An der jüngsten Entwicklung ist Markalous selbst beteiligt. Drei Jahre hat er gemeinsam mit einem Kollegen an einem Patent gearbeitet, das mittels einer Teilentladungsdiagnose Kabel auf eventuelle Verunreinigungen prüfen kann. Markalous ist des Lobes voll für seinen Partner, den Entwicklungsingenieur Marco Küttner. „Als Geschäftsführer konnte ich mich gar nicht so intensiv um das Projekt kümmern. Aber Marco hat das ganz hartnäckig durchgezogen.“ Es sei eben das erfinderfreundliche Klima, das so etwas möglich mache.

Und diese Entwicklung zahlt sich schon aus. Drei dieser Anlagen sind bereits nach Indien und China verkauft worden. Überdies wird der Radeburger Erfindergeist nicht nur dort geschätzt. Produkte dieses Megger-Standorts finden auch Kundschaft in Europa, im asiatisch-pazifischen und arabischen Raum. Das stärkt die wirtschaftliche Kraft der Radeburger. Nachdem der Umsatz 2013 bei 16,5 Millionen Euro lag, wurden im vergangenen Jahr 23 Millionen Euro erreicht.

Markalous hat noch etwas ganz Besonderes bei seinen Radeburger Tüftlerkollegen festgestellt: „Das sind eher stille, aber tiefe Wasser“, sagt er. „Sie sind zurückhaltend und reden nicht so gern über ihr großes Wissen.“ Das empfindet er als angenehm, sieht darin aber auch einen Nachteil: „Vielleicht verkaufen wir uns hier unter Wert.“

Markalous und seine Familie sind hier längst heimisch. „Wir sind sehr herzlich aufgenommen worden. Ich überlege manchmal, ob ich ein schwäbischer Sachse oder ein sächsischer Schwabe bin. Ist aber auch egal. Ich gehöre hier längst zur Familie. Und eigentlich fühle ich mich schon als Sachse.“