Von Ralf Krüger
Mit Mordmethoden kennt sich Mark Benecke aus. Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe hat darüber ein Buch geschrieben. Jetzt weiß er auch mehr über Antiterror-Methoden der deutschen Polizei. Am eigenen Leib musste er bereits am Freitag auf dem Cottbuser Bahnhof erfahren, wie die Bundespolizei gegen vermeintliche Terroristen vorgehen. „Ich wurde ohne Ankündigung zu Boden gerissen und verhaftet. Auch als sich der Irrtum aufklärte, gab es keine Entschuldigung. Einige Beamte grinsten nur blöd“, empört sich der Kölner Sachverständige, der sich mit seiner Freundin auf dem Weg zu einer Lesung in Görlitz befand. Die Spezialkräfte hätten sich weder ausgewiesen, noch im Anschluss an die „völlig überzogene Aktion“ entschuldigt. Vielmehr seien etwa hundert verängstigte Zeugen des Vorfalls nicht etwa aufgeklärt, sondern mit der Bemerkung „Klappe halten!“ zurückgedrängt worden.
Beamte grinsten nur
Jens Schobranski, Pressesprecher der Bundespolizei Frankfurt (Oder), versucht die Aktion zu rechtfertigen. „Eine Mitarbeiterin des Berliner Hauptbahnhofes hatte unter dem Mantel des somit Verdächtigen ein Halfter entdeckt, das auf eine Waffe hindeutete. Um Gefahr zu vermeiden, mussten wir den Mann festnehmen. Der Einsatzleiter entschied, das ohne vorherige Warnung zu tun.“ Wie sich herausstellte, befand sich in der Tasche jedoch keine Waffe, sondern ein Handy. Benecke konnte weiterfahren.
Der Insektenexperte wehrt sich gegen die Darstellung der Polizei und bezeichnet die gesamte Aktion als „paranoid und unprofessionell“. Er sei überhaupt nicht am Hauptbahnhof gewesen, sondern am Bahnhof Zoo. „Dass ich eine Gürteltasche trage, kann doch die Härte des Einsatzes nicht rechtfertigen.“ Mit den Vorwürfen konfrontiert, räumt der Polizeisprecher ein, es habe wohl „einige Kommunikationsfehler“ gegeben. „In der Kürze der Zeit“ sei es zudem nicht möglich gewesen, Antiterror-Spezialisten heranzuziehen.
Nachdem sich der Vorgesetzte des Einsatzkommandos bei Benecke entschuldigte, will dieser von einer Dienstaufsichtsbeschwerde absehen. Sicherer fühlt er sich nach der Antiterror-Aktion allerdings nicht, im Gegenteil. Hätte tatsächlich ein Anschlag gedroht, wäre der Einsatz wohl zu spät gekommen. „Es ist schon merkwürdig, dass man dann noch von Berlin bis nach Cottbus fahren kann“, so der Träger der „Ehrenkriminalnadel“. Nach dem Zwischenfall konnte Benecke seine Fahrt fortsetzen und in Görlitz einen Vortrag über spektakuläre Kriminalfälle halten. „So aufgeregt war ich bei einer Lesung jedoch selten, ich bin sonst eher ein gelassener Typ.“
Mit Maden Mörder überführt
Bekannt wurde Benecke 1997 durch den Mordprozess gegen den Pastor Klaus Geyer. Anhand von drei Maden, die auf dem Körper von dessen Ehefrau gefunden wurden, konnte er den Todeszeitpunkt so weit eingrenzen, dass der Pastor letztlich als Täter überführt wurde. Seitdem hat der forensische Entomologe mehrfach mit Hilfe von Insekten, die Leichen bewohnen, bei der Aufklärung von Mordfällen geholfen. Das brachte ihm die Bezeichnung „Herr der Maden“ ein.