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Herrnhuts Hausaufgaben

Um das Stadtentwicklungskonzept ist es ruhiger geworden. Dabei ist es wichtiger denn je – und noch immer Thema.

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Von Anja Beutler

Herrnhut. Wenn Andreas Bednarek auf die Entwicklung Herrnhuts schaut, setzt er sich gewissermaßen eine Brille auf. Eine Brille, die in die Zukunft blicken kann. Der Hochbauingenieur und Kunstwissenschaftler ist nämlich seit einigen Jahren von der Stadt beauftragt, ein Stadtentwicklungskonzept zu erstellen. „Diese Innenstadt wird zunehmend zu einem schwierigen Patienten“, analysiert der 60-Jährige und schaut auf den Stadtplan. Die beiden großen Märkte in Richtung Strahwalde, den neu gestalteten Einkaufsbahnhof, den Laden der Dienels mit Obst, Gemüse und Bioprodukten oder auch Fahrrad-Haza sieht er generell als eine gute Entwicklung. Gut für den Bahnhof, der wiederbelebt und keine Brache mehr ist. „Die Konsequenz ist aber, dass der Innenstadtbereich weiter in die Knie geht“, konstatiert er.

... den Hochbauingenieur und Kunstwissenschaftler Andreas Bednarek, der von der Stadt beauftragt wurde, ein Konzept für die Entwicklung zu entwerfen.
... den Hochbauingenieur und Kunstwissenschaftler Andreas Bednarek, der von der Stadt beauftragt wurde, ein Konzept für die Entwicklung zu entwerfen. © Bernd Gärtner

Genau dieses Thema ist seit vergangenem Jahr ein heikler Diskussionsstoff. Spätestens seit der Entscheidung von Dürninger, den Lebensmittelladen nicht selbst weiterzuführen, steht die Frage, ob den Herrnhut nun mit dem Bahnhof und den Märkten ein zweites Zentrum habe. Dass sich Schwerpunkte verändert haben, steht für Bednarek außer Zweifel. Wie man die damit verbundenen Probleme vielleicht auffangen kann, dazu hat er erste Ideen: „Ich könnte mir vorstellen, dass künftig in der Innenstadt das geistige Zentrum der Stadt sein wird, mit Musikschule, Tourist-info, Museen, Zinzendorfschulen, Gaststätten, kirchlichen und Pflegeeinrichtungen“, skizziert er. Die Dinge, die man im Alltag verrichten muss, würden dann nach draußen wandern, in Richtung Norden, wo schon die großen Märkte sind.

Das wäre von Vorteil für die Herrnhuter, die aus den Ortsteilen zum Einkaufen kommen. Sie müssten nicht unbedingt in die Stadt hinein, zumal Parkplätze direkt im Zentrum rar sind. „Es ist eben so, die Menschen wollen bis vor die Tür fahren“, sagt Bednarek. Deshalb steht Herrnhuts Zentrum trotz des Parkplatzes am Uttendörferweg nach wie vor unter einer gewissen Verkehrsspannung. Der Planer geht davon aus, dass man noch weitere Stellplätze für den Innenstadtbereich ausweisen sollte – beispielsweise an der Berthelsdorfer Lindenallee beim Gottesacker.

Diese Idee eines kleinen, exzellenten Zentrums bedeute allerdings nicht, dass es dort keine Geschäfte mehr geben soll, betont Bednarek. „Wer etabliert ist, wer Leben anzieht, soll natürlich bleiben und dazukommen“, sagt er. Bednarek weiß aber auch, dass es immer schwerer wird, Nachfolger für die Ladenlokale zu finden, die ja oft auch einen besonderen Zuschnitt haben. Deshalb sind neue Ideen gefragt.

Worüber man für Herrnhuts Zentrum nachdenken sollte, wäre in den Augen des Gutachters und Planers ein Hotel. Früher stand eines an der Ecke zum Zinzendorfplatz. Heute ist dort eine Brachfläche. Andreas Bednarek könnte sich gut vorstellen, dass in Zukunft an gleicher Stelle wieder Gäste begrüßt werden könnten. Denn das wäre ein wichtiger Schritt für die touristische Vermarktung der Stadt. Schließlich spiele auch dieser Aspekt für die Stadtentwicklung eine große Rolle. Dass Herrnhut enormes Potenzial habe, werde wohl niemand bestreiten. Allerdings erlebe die Stadt derzeit eher einen Durchreisetourismus, konstatiert er: Busunternehmen besuchen die Sterne-Manufaktur und fahren dann weiter. Ziel muss es sein, die Gäste länger zu halten, ihnen Gelegenheit zu geben, Geld in Herrnhut auszugeben, sagt Andreas Bednarek.

An dieser Stelle kommen auch die Herrnhuter Ortsteile mit ins Visier. Denn hier gibt es weitaus größere Sorgen als im Innenstadtkern, findet der Bernstädter. Mit besonderen Schätzen warten alle auf: Größere oder kleinere Schlösser oder Herrenhäuser gibt es in jedem Ortsteil, in Großhennersdorf wird das Thema Pferd ganz groß geschrieben, was sich ebenfalls vermarkten ließe. Bislang fehle es jedoch an den Verbindungen innerhalb der Stadt und zum Teil an einer guten Ausschilderung.

Sein Konzept, an dem er und sein Team seit rund vier Jahren arbeiten, wird nicht alle Fragen beantworten. Vieles ist aber schon zusammengetragen – ein Gebäudekataster, die Zahl ihrer Bewohner, die Verteilung von Handwerksbetrieben oder Dienstleistern sind erfasst. Auch Pendlerbewegungen in und aus der Stadt und Verkehrsströme sind Bestandteil der Analyse. „Wenn man mit dem Flugzeug über die Stadt fliegt, sieht man, wie zersiedelt alles ist“, beschreibt Bednarek die Lage. Wo Probleme liegen und entstehen, das wird das Stadtentwicklungskonzept enthalten. Und natürlich Lösungsvorschläge.