Von Heike Sabel
Das grüne Tor ist wie eine Zeitschleuse. Davor steht ein schweres Motorrad, dahinter ist Vergangenheit. Das Motorrad gehört Klaus Leroff, die Vergangenheit der Industriebrache Dohna Chemie ist seine Gegenwart. Das Areal zwischen Weesensteiner Straße und Müglitz ist eine Altlast. Die Chemie steckt in den Häusern, in der Erde. Weil die Brache wiederbelebt werden soll, muss die Chemie raus. Was die nicht verseucht hat, wird trotzdem abgerissen. Von den ersten Aktionen sind nur noch große Schutt- und Steinhaufen übrig.

Das Verwaltungsgebäude vorn links vom Eingang zum Beispiel wird fallen. Und das Haus D 12. Darin befanden sich mal Büros und unten eine Werkstatt. Es war das einzige Haus, das bei der Flut 2002 im Wasser stand. Jetzt hängt im zweiten Stock ein Fenster quer in der Öffnung.
Hinten rechts war das Chloroformlager. Man sieht der Erde nicht an, was sie geschluckt hat. Im September beginnen hier die Bohrungen. Aus fünf Meter Tiefe wird die Erde hochgeholt, untersucht und entsorgt. Das Wasser wird vor Ort gereinigt. Die Leute, die hier arbeiten werden, müssen Atemmasken tragen.
Der alte Lokschuppen, die Lokwerkstatt, das Heizhaus mit dem Schornstein, alles kommt weg. Manchmal reicht eine normale Abrissfirma. Bei der alten Produktionshalle nicht. Welche Spuren hat die Holzimprägnierung hinterlassen? Man weiß es noch nicht. Deshalb ist besondere Vorsicht notwendig. Die Halle wird im nächsten Jahr als letzte verschwinden, sagt Klaus Leroff. Er läuft in seiner Lederkluft über das Gelände.
Früher saß er mal im Landtag, jetzt ist er als Geschäftsführer der Dohna Chemie der Mann der Eigentümer vor Ort. Er sagt noch immer, was er denkt, ist aber ein bisschen ruhiger geworden. Mit alten Industriebrachen hat er Erfahrung. Er hatte für die Kunstseide und das Zellstoffwerk Investoren gesucht. Dass er nicht immer Erfolg hatte, sieht er nicht als Niederlage.
Jetzt steht er wieder unter Erfolgsdruck. Er muss Flächen in dem Dohnaer Chemieareal verkaufen. Zwei Interessenten haben Absichtserklärungen unterschrieben, sagt er. Doch bevor sie kaufen, wollen sie Sicherheit. Die kann ihnen der Bebauungsplan geben. Den soll der Stadtrat noch im Juni verabschieden.
Die Gebäude werden alle abgerissen, was bleibt, sind die Halden. Nicht schön, aber auch nicht gefährlich, sagt Leroff. Auf der Halde unterhalb der Kirche soll eine Solaranlage hin. Am Fuße der Halde wird eine Straße entlangführen. Die Betonplatten im Gelände werden als Letztes entfernt. Auch die Erde darunter muss danach noch untersucht werden. Es gibt keinen Stein, kein Gramm Boden, das nicht untersucht wird.
Die Eigentümer der Dohna Chemie zahlen etwa 90 000 Euro für die Altlastensanierung selbst. Der Rest und damit der Großteil kommt vom Freistaat, der das Geld vom Bund erhalten hat. Zu den 90 000 Euro kommen die Abrisskosten von rund 280 000 Euro, 15 000 Euro für den Schutz von 16 Eidechsen, 3 000 Euro für die Fledermäuse – alles in allem rund eine halbe Million Euro, sagt Leroff. Geld, das die Eigentümer über den Verkauf natürlich wieder reinbekommen wollen.
Die Vergangenheit wird sich nicht auflösen, auch wenn ihre sichtbaren Spuren beseitigt werden. Für die unsichtbaren werden dauerhaft 16 Messstellen eingerichtet. Einige davon stehen schon. Sie sehen aus wie Hydranten. An der Müglitz entsteht ein bis zu zehn Metern breiter Waldstreifen. Damit blicken auch die Bewohner der Häuser an der Müglitztalstraße nicht mehr auf die Stein- und Haldenwüste.
Leroff verkauft seine Arbeit gut und hofft, auch das Gelände gut zu verkaufen. Seine Chefs, die Dohnaer und die Stadt schauen auf ihn. Das ist er gewohnt. Aus der Zeit im Landtag und im August 2002, als er Dohnaer Flutmanager wurde. Er hätte gern noch ein Erfolgserlebnis …