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Hinter der Grenze fehlen Kinderärzte

Während sich die Versorgung mit Medizinern in Zittau und Umgebung entspannt hat, ist sie nun auf tschechischer Seite prekär geworden. Rentner und Ausländer müssen aushelfen.

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Symbolbild.
Symbolbild. © Britta Pedersen/dpa

Von Petra Laurin

Im Friedländer Zipfel fehlen Kinderärzte. Praktizierten vor 30 Jahren noch sechs in der tschechischen Region, stehen den 25.000 Bewohnern inzwischen nur noch 2,5 Kinderärzte zur Verfügung. Zwei davon sind im Rentenalter. "Die Lage wird bald noch schlimmer", sagt Alena Riegerová, auf dem Kreisamt Liberec verantwortlich für das Gesundheitswesen. Das Durchschnittsalter der Kinderärzte im Kreis Liberec liegt bei 57,3 Jahren. Friedland sucht schon das dritte Jahr einen Kinderarzt. Laut Bürgermeister Dan Ramzer müssen die Einwohner bis nach Liberec (Reichenberg) fahren, sind dafür oft drei bis vier Stunden unterwegs. "Wenn es geht, verzichten sie lieber auf den Arztbesuch."

Der 65-jährige Kinderarzt Miroslav Ferles wohnt in Friedland. In seiner Praxis in Nové Město pod Smrkem (Neustadt an der Tafelfichte) betreut er über 1.800 Patienten. Mehr schafft er nicht. Ferles will solange praktizieren, wie es die Gesundheit zulässt. "Manche Familien aus den Grenzorten müssen sich mit ihren kranken Kindern schon um 5 Uhr früh auf den Weg machen, um rechtzeitig in die Ambulanz zu kommen", sagt er. Bei der Grippe-Epidemie in den vergangenen Wochen warteten Betroffene bis zu drei Stunden im Wartezimmer. 

Neue Studienplätze, neue Riegel

Neben gut ausgebildeten Ärzten fehlen dem tschechischen Gesundheitswesen auch Krankenschwestern und -pfleger. Ministerium, Ärzte- und der Krankenpflegeverband suchen nach Lösungen. Der Abwanderung von jungen Ärzten ins Ausland will Gesundheitsminister Adam Vojtěch nun einen Riegel vorschieben. Er schlägt vor, dass Mediziner nach dem Studium zunächst drei bis vier Jahre in Tschechien arbeiten müssen. Der Staat möchte auch die Studienkapazitäten um 15 Prozent aufstocken. Derzeit absolvieren jährlich rund 1.300 Studenten ein Medizinstudium in Tschechien. Dafür sollen über das nächste Jahrzehnt umgerechnet rund 264 Millionen Euro bereitgestellt werden. Bis diese oder andere Maßnahmen greifen, dürfte aber noch einige Zeit vergehen. "Die Wirkung werden wir erst in zehn Jahren spüren können“, meint der Chef der Tschechischen Ärztekammer in Liberec, Jan Mečl. Ein Großteil der Ärzte steht kurz vor dem Ruhestand und nur wenige junge Kollegen rücken zugleich nach. Wenn nichts geschieht, dann wird die medizinische Grundversorgung in einigen Regionen binnen zehn Jahren zusammenbrechen, warnen die Ärzte.

Hilfe aus dem Osten

Junge Ärzte schrecken Bürokratie und der ständige Druck ab. Und je weniger sie sind, desto mehr Arbeit bleibt beim Rest hängen. Jedes Jahr ziehen Hunderte nach Deutschland oder in andere westliche EU-Staaten. Laut Statistik verließ jeder fünfte Absolvent einer medizinischen Fakultät seine Heimat. "In Westeuropa bekommen sie mehr Lohn für eine ruhigere Arbeit“, erklärt Jan Mečl von der Ärztekammer. Die Lücke wird oft mit ausländischen Medizinern gefüllt, viele davon aus der Ukraine und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Anteil von Ärzten aus der Ukraine in Tschechien um das 13-fache erhöht. 

Die Stadt Friedland will neuen Ärzten, die sich niederlassen, auf verschiedenen Wegen helfen. "Mit Räumlichkeiten, Ausstattung, Unterkunft oder bei der Suche nach einer Wohnung", zählt Bürgermeister Dan Ramzer auf. 

2018 wurden in Tschechien 88 Kinderarztpraxen aufgelöst - die höchste Zahl in den vergangenen vier Jahren. Manche Kreise haben Stipendien eingeführt. "Wir finden das aber eine unsystematische und kurzfristige Lösung, denn die Kinderärzte werden wieder irgendwo anders fehlen", argumentiert Alena Riegerová vom Kreisamt Liberec.

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