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Hitzefrei am Gymnasium Bürgerwiese

Im neuen Schulhaus gingen gestern rund 750 Schüler auf Entdecker-Tour. Das Lernen hat noch etwas Zeit.

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© Norbert Millauer

Von Nadja Laske

Kurze Hosen hier und da. Tops und Shirts auf ferienbrauner Haut. Die meisten Schüler jedoch haben sich für Wetterjacken und Kapuzenpullis entschieden. Mit frischen 15 Grad und grauem Himmel begrüßt der erste Schultag die Mädchen und Jungen am Gymnasium Bürgerwiese. Sie sammeln sich im Hof und bringen es in ihrer Wiedersehensfreude auf beachtliche Dezibel.

Dagegen hilft nur ein Rap. Schulleiter Jens Reichel stimmt ihn an. Die Lehrer rappen mit: Guten Morgen! Den Gruß ruft man sich hier rhythmisch zu. Zu ihrem eigenen neuen Rhythmus werden die Gymnasiasten erst in ein paar Wochen finden. Noch haben sie Schonzeit, dürfen in Ruhe ihr nigelnagelneues Schulhaus kennenlernen. Und sie werden eine große Party zum Schulstart vorbereiten. Fast zwei Wochen bleiben bis zur offiziellen Eröffnung. Vierzehn Tage, die die Handwerker nutzen, um Kabelbündel zu verstauen. Deckenhoch stapeln sich in etlichen Räumen noch Umzugskartons. Ein feiner Staubschleier überzieht die Fußböden.

Freiraum für den Feinschliff schafft eine Regelung, die eher zu Shorts als zu Wetterjacken passt: der Hitzefrei-Lehrplan. Er verschafft Schülern normalerweise im Sommer freie Nachmittage zum Badengehen. Damit der straffe Zeitplan nicht selbiges tut, haben sich Schulleitung und Lehrer für den Probebetrieb entschieden. Ein Modus, der Handwerkern und anpackenden Pädagogen ab mittags im leeren Schulhaus Handlungsfreiheit sichert.

Doch jetzt ist es erst kurz nach neun am Morgen. Während sich draußen im Hof Geschwätz und Morgen-Rap vermischen, herrscht drinnen Stille auf allen Gängen. Farben und Bodenbeläge bestimmen den Duft der Luft. Alles riecht neu. Bald werden Butterbrote, Sneaker, Haargel und verschwitze Sportklamotten für die besondere Schul-Note sorgen. In einigen Schulzimmern haben Lehrerinnen schwungvoll an die Tafel geschrieben: Herzlich Willkommen liebe Klasse 5. In ihren Grundschulen sind die Neuankömmlinge vor den großen Ferien als die Großen verabschiedet worden. Hier sind sie die Kleinen und finden Lollis auf ihren Plätzen.

An die Zeit, als seine Schüler noch Fünfer waren, denkt Lehrer Stephan Trabandt an diesem Tag besonders. Zusammen mit seiner zehnten Klasse ist er nach der Begrüßung im Schulhof das erste Mal durch eine der Eingangstüren gegangen und die Treppen zur dritten Etage nach oben gestiegen. Ein eigenes Zimmer haben die höheren Klassen nicht mehr. Alina, Denise, Max und ihre Mitschüler sammeln sich in Raum 330. Die drei 15-Jährigen gehören zum zweiten Jahrgang des Gymnasiums Bürgerwiese. „Als wir hier anfingen, gab es über uns nur noch die sechsten Klassen und unter uns nichts“, erinnert sich Max Herrmann. Dreizügig hatte Ende Sommer 2008 alles angefangen, mit 60 Schülern und sieben Lehrern. Gestern wurden sechs fünfte Klassen eingeschult. Rund 50 Lehrerinnen und Lehrer arbeiten inzwischen hier. Klassenleiter Trabandt und seine Zöglinge erlebten das jährliche Wachstum mit.

Die abgewirtschaftete Bausubstanz im nun leer stehenden Gebäude nebenan haben die Mädchen und Jungen lange nicht als so belastend empfunden. Viel schlimmer war die Enge. Mit jedem neuen Schuljahr rückten die Klassen dichter zusammen, um Platz für die Neuen zu schaffen. Schließlich nutzten sie Außenstellen und fuhren zum Teil sogar in den Pausen zu den Interimsstandorten. „Wir waren es nicht anders gewohnt“, sagt Alina Schindler. Aber das neue Schulhaus sei nun doch etwas ganz anderes. „Klar kommt es vor allem darauf an, was in einer Schule passiert. Wie sie aussieht, ist zweitrangig“, sagt Max Herrmann. „Wenn es aber so viel Platz und so viele Möglichkeiten gibt, wie wir sie jetzt hier haben, können wir nur froh sein.“

Wie groß das neue Gebäude tatsächlich ist, das erfahren er und seine Mitschüler auf einem Rundgang. Allen voran Stephan Trabandt, der seiner Klasse kurz zuvor gestanden hat, doch recht aufgeregt zu sein. Ob es einen Fahrstuhl und ein Pausenklingeln gibt, wollen die Schüler von ihm wissen. Sie begutachten die Toiletten, belagern die Sitzgruppen in den einzelnen Etagen und stecken die Nasen in einige Fachkabinette. In der Mensa lassen sie sich erklären, wie sie per Chipkarte an ihr Mittagessen kommen und freuen sich über die altbekannte Küchenfee als Konstante im großen Wandel ihrer Schulwelt.

Zurück im Unterrichtsraum geht es, begleitet von Gemaule und Gejohle, um Ordnung und Sauberkeit, den neuen Stundenplan, die Handynutzung auf dem Schulgelände. Am Ende noch einmal Sammeln im Schulhof. Dort formieren sich die Mädchen und Jungen zum Schullogo. Wenn Eröffnung gefeiert wird, muss jeder seine Position kennen – für das Große und Ganze.