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Hochkaräter rocken Moritzburg

Söhne Mannheims und Letzte Instanz begeistern beim Konzert „Aus gutem Grund“. Doch der gute Grund bleibt vage.

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Vier Stunden Livemusik von vier Bands: Trotz Publikumsmagnet Söhne Mannheims besuchen nur knapp 1.000 Gäste das Benefizkonzert in Moritzburg.
Vier Stunden Livemusik von vier Bands: Trotz Publikumsmagnet Söhne Mannheims besuchen nur knapp 1.000 Gäste das Benefizkonzert in Moritzburg. © Arvid Müller

Von Ulrike Keller

Moritzburg. Ihre Laune ist bestens, ihr Konzertlook ein kulturelles Bekenntnis: Anja Wolowski und Silvia Mehlich tragen dunkle T-Shirts mit der Aufschrift „Liebe statt Krieg“. „Wir sind große Fans von der Letzten Instanz“, erzählt Anja Wolowski aus Radebeul. Mit Silvia Mehlich aus Moritzburg ist sie seit Jahren befreundet. Die beiden sind überzeugt davon, dass dieser Freitagabend für Moritzburg etwas ganz Besonderes ist.

Hochkarätige Künstler haben sich auf der Festwiese von Adams Gasthof angesagt. Neben der Dresdner Band Letzte Instanz sind Namen angekündigt wie Laith Al-Deen, Dirk Zöllner und André Gensicke, DJ Pearl und Gastone sowie die Söhne Mannheims: „Es ist spektakulär, dass die ins kleine Moritzburg kommen“, sagt Anja Wolowski. Worauf die freie Dozentin an einem Wirtschaftsinstitut besonders neugierig ist: Die Bands sollen nicht nur nacheinander, sondern auch miteinander spielen.

Das Konzert startet pünktlich um 20 Uhr. Die Letzte Instanz macht den rockigen Anfang. Das Faninnen-Duo hat einige Meter vor der Bühne ein Stehplätzchen eingenommen und lauscht seiner Lieblingsband. Ein Bekannter begrüßt Anja Wolowski. „Ganz schön leer hier“, sagt er. Sie nickt: „Ich hätte mit mehr Leuten gerechnet.“

Veranstalter Sebastian Kruhl schätzt die Besucherzahl auf „knapp 1.000“. 500 mehr hatte er sich erhofft. Immerhin kämen sonst bei den Söhnen Mannheims 20.000 Leute, sagt er. „Aber die Wiese ist gut gefüllt.“ Und die 100-Euro-Karten für einen Sitzplatz mit Abendessen auf der Terrasse von Adams Gasthof seien fast ausverkauft.

Sylvia Mehlich und Anja Wolowski sind Fans der Dresdner Band Letzte Instanz. 
Sylvia Mehlich und Anja Wolowski sind Fans der Dresdner Band Letzte Instanz.  © Arvid Müller

Anja Wolowski wippt mit dem Bein im Takt. Silvia Mehlich singt mit. Der Sänger der Letzten Instanz, Holly Loose, fragt ins Publikum „Wo sind die Hände, Freunde?“ Die Reaktion ist von kurzer Dauer. Er versucht es erneut: „Lasst uns das ein bisschen zelebrieren! Kommt!“ Mehr Arme gehen nach oben. Es wird geklatscht, gehüpft.

Gegen 20.45 Uhr spielen sie ihr letztes gemeinsames Lied für diesen Abend. Dazu holen sie schon einmal einige der anderen Künstler auf die Bühne. Anja Wolowski und Silvia Mehlich zücken die Handykameras. Sänger Holly Loose fordert auf „Singt Na-na-na-na, kommt!“ Die Festwiese erwacht und antwortet als Chor.

In die erste Pause wird das Publikum von Moderatorin Kristin Hardt mit einigen Infos geschickt: Dieses Konzert sei Bestandteil der Reihe „Konzert aus gutem Grund“ und das erste im Osten, erzählt sie. Es solle der Auftakt einer jährlichen Veranstaltungsreihe für einen guten Zweck sein.

Die Dresdner Band Letzte Instanz eröffnet den Abend. Dann spielen einzelne Musiker auch in anderen Formationen mit. 
Die Dresdner Band Letzte Instanz eröffnet den Abend. Dann spielen einzelne Musiker auch in anderen Formationen mit.  © Arvid Müller

Über den guten Zweck hätten Silvia Mehlich und Anja Wolowski gern mehr erfahren. Ein Roll-up-Banner am Bühnenrand verkündet „Water is right“. So heißt eine Stiftung, die sich dafür einsetzt, den Zugang zu Trinkwasser weltweit zum Menschenrecht zu erklären. Gründer ist Rolf Stahlhofen von den Söhnen Mannheims.

Ihn und seine musikalischen Mitstreiter empfängt gegen 21.15 Uhr eine jubelnde Menschenmenge. Letzte-Instanz-Cellist Benni Gerlach und Geiger Rico Schwibs stehen mit auf der Bühne. Rolf Stahlhofen hat auf Anhieb einen Draht zum Publikum, bewegt es mühelos zum Mitmachen. „Wir sind ein Sammelsurium von wunderbaren Kollegen, quasi der Guerillaarm der Söhne Mannheims“, klärt er auf, weil im Vorfeld das Gerücht von einer Coverband herumgegangen war. Anja Wolowski wundert sich über die präsentere Akustik: „Die Texte versteht man viel besser als bei der Letzten Instanz.“ Auch die moderne Lichttechnik und Animationen auf der Bühnenleinwand fallen ihr auf.

Ursprünglich hatte es die Radebeulerin ein wenig bedauert, dass Xavier Naidoo nicht mit dabei ist. Nun stellt sie fest, dass die Formation auch ohne ihn unverkennbar original klingt. Rolf Stahlhofen baut immer wieder das Wort „Moritzburg“ in Liedtexte ein. Die Besucher freut es.

In den kommenden Stunden erlebt das Publikum eine Bandbreite aus verschiedensten Musikstilen wie Deutschrock, Soul, Reggae, Rap und Ska. „Ich bin fasziniert, wie gut aufeinander abgestimmt die Musiker hier bandübergreifend zusammenspielen“, begeistert sich Anja Wolowski. „Die hatten bestimmt nur wenig Zeit zu üben.“ Eine Freundin von der Gasthof-Terrasse gesellt sich zu ihr. Auf der Festwiese sei mehr Stimmung, meint sie lachend.

Schließlich spricht Rolf Stahlhofen kurz über seine Stiftung. Kurz. „Wir haben schon für 4,5 Millionen Menschen einen Trinkwasserzugang geschaffen“, berichtet er. Dabei arbeite er auch mit der karitativen Stiftung Udo Lindenbergs zusammen.

Veranstalter Sebastian Kruhl verrät der SZ, dass die Festwiese bereits für 2020 und 2021 für ein Konzert zugunsten der Wasser-Stiftung reserviert ist – jeweils am letzten Augustwochenende. Er geht davon aus, dass jedes Mal andere Künstlergrößen auftreten werden. Denn Rolf Stahlhofen spiele in verschiedenen Formationen und sei mit vielen Künstlern befreundet. Schon diesmal verzichten die Künstler auf ihre Gagen, um „Water is right“ zu unterstützen.

Für einen Überraschungsauftritt sorgt TV-Kommissarin Maria Simon mit ihrem Töchterchen. Sie schmettern Pinks „What about us“ in die Nacht. Voller Hingabe. Dafür ernten sie Begeisterungsstürme.

Es ist gegen 23.15 Uhr, als sich Anja Wolowski verabschiedet. „Nicht wegen der Musik“, sagt sie. „Mir ist kalt.“ Silvia Mehlich bleibt bis zum Ende. Einschließlich der zwei Zugaben, die das Publikum einfordert. Punkt 24 Uhr ist Schluss. „Es war super“, schwärmt sie. „Alle im Ort, die Wert auf Kultur legen, sind dagewesen.“