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Holz ist ein lebender Werkstoff

Wie geht es den Unternehmen in Görlitz und Umgebung? Wo wird investiert, wo werden Leute eingestellt, wer bildet aus? Wir wollen Firmen vorstellen und mit Handwerkern und Geschäftsführern über ihre Erfahrungen 2002 und Ziele 2003 sprechen. Heute: Holzbildhauermeister Burkert.

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Von Peter Chemnitz

Als für den Eigenheimboom das Aus kam, haben die Burkerts erst einmal aufgeatmet. Endlich Schluss mit den elenden Betontreppen. Acht Jahre lang hat Heribert Burkert den kalten Werkstoff mit Holz belegt. Ist dafür bis Radebeul gefahren. Dann gingen die ersten Bauunternehmen in Konkurs. Burkert büßte letztlich das Geld für die Arbeit an vier Treppen ein und entsann sich seines eigentlichen Berufes: „Wir sind Holzbildhauer.“

Das sind die Burkerts seit 1926. Damals machte sich der Großvater selbstständig. Das Handwerk blühte mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten auf. Ein Gesetz schrieb vor, dass bei öffentlichen Gebäuden fünf Prozent der Bausumme für die Ausstattung auszugeben sind. Eine kurze goldene Zeit für das Handwerk begann. Mit Kriegsbeginn war diese wieder vorbei. In den 50er Jahren verdrängte dann Metall zunehmend das Holz. Bei Burkerts wich man auf Raum- und Gebrauchsgut aus. Schmuckdosen wurden gedrechselt, Schlüsselkästchen gebaut. Großvater Herbert erfand einen Leuchter für Taufkerzen, der noch heute insbesondere in Bayern ein Renner ist. „Eines unserer Hauptstandbeine und das einzige, was wir aus DDR-Zeiten gerettet haben“, sagt Jens Burkert, der am 1. März den Handwerksbetrieb von seinem Vater Heribert übernehmen wird.

Aus dem Westen nach Görlitz zurückgekehrt

Der 39-Jährige ist frischgebackener Holzbildhauermeister und vor drei Jahren aus Nordrhein-Westfalen zurück nach Görlitz gekommen, um die Familientradition fortzusetzen. Ausschlaggebend war eine Karte des Vaters. „Ich werde demnächst Rentner, willst du nicht den Betrieb übernehmen“, schrieb Heribert Burkert und holte so den Sohn zurück. Der brachte Ideen und neuen Schwung mit. Als erstes kurbelte Jens Burkert die Werbung an: Das Auto wurde beschriftet, die Kundenkartei entstaubt, Karten verschickt, neue Geschäftsfelder erschlossen. Eines davon sind die Friedhöfe.

„Ich wollte den Holzkreuzen ihr Schmuddelimage nehmen“, sagt Burkert. Diese würden genauso lange halten, wie Grabsteine, aber viel individueller, schöner und wärmer aussehen. Deswegen ist der Holzbildhauer auf den Friedhof gegangen und hat einige Kreuze aufgearbeitet. „Und schon haben die Leute über die herrlich leuchtenden Grabmale gestaunt“, erzählt er. Inzwischen bietet Burkert sogar einen Pflegeservice an, der zunehmend nachgefragt wird. „Holz ist ein lebender Werkstoff, der etwas Pflege erfordert“, sagt Burkert.

Seit 1926 haben die Burkerts in Görlitz und Umgebung viele Spuren hinterlassen. Vom handwerklichen Können der Familie zeugen beispielsweise die Beleuchtungskörper in der Stadtbücherei, Füllungen von Jugendstiltüren, die Einrichtung des Diehsaer Gotteshauses. Jens Burkert zeigt ein Album historischer Aufnahmen. Marienfiguren sind hier zu sehen, ein Taufbecken, ein Opferstock, Sportpokale. Auch mehrere hundert Nußknacker aus Lindenholz stammen aus der Werkstatt.

„Leider gehören wir zu den fast vergessenen Handwerken“, bedauert Jens Burkert. Vor allem die Stadtverwaltung habe offenbar vollkommen verdrängt, dass es in Görlitz noch einen Holzbildhauer gibt. „Würden die sonst Aufträge an die Denkmalpflege nach Dresden vergeben“, fragt der Handwerksmeister. Ein Reizthema ist für ihn auch das neue Tourismusleitsystem. „Alles ohne Ausschreibung nach auswärts vergeben“, schimpft er.

Die Stadt lässt das Handwerk im Stich

Dabei hätten sich Holzschilder von den üblichen Straßenbeschriftungen richtig abgehoben und Schmiedemeister Lehmann hätte gewiss die Gestänge gefertigt. Wie schön das aussehen könnte, sollten sich die Stadträte im Stadtpark oder im Birkenwäldchen in Rauschwalde einmal ansehen. „Die Stadt lässt das Handwerk im Stich“, sagen Vater und Sohn übereinstimmend. Und wie ist das mit dem künftigen Naherholungsgebiet Berzdorfer See? „Uns hat noch keiner gefragt“, sagt Jens Burkert.

Wenigstens die Görlitzer Privatleute finden wieder verstärkt den Weg in die Werkstatt auf der Girbigsdorfer Straße 17. „Wir machen alles, was die Kunden wünschen“, sagt Jens Burkert. Neulich habe man sogar einen Fleischklopfer gefertigt. Nur mit der Holzform für eine Kanone gibt es noch Probleme. Der erste Guss ist schief gegangen „Eine völlig neue Herausforderung für uns“, gesteht Jens Burkert. So werden die Hobbysoldaten in Ottendorf den Bauernkrieg noch etwas verschieben müssen.