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Das neue Leben des Ex-Betreibers vom Spreehotel

Mit Wut im Bauch verließ Peter-Kilian Rausch vor einem Jahr Bautzen. Heute genießt er seine neue Freiheit. Doch der Weg dahin war schwer.

Von Marleen Hollenbach
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Fast 18 Jahre hat Peter-Kilian Rausch im Bautzener Spreehotel gewohnt, erst mit Touristen, dann mit bis zu 300 Flüchtlingen.
Fast 18 Jahre hat Peter-Kilian Rausch im Bautzener Spreehotel gewohnt, erst mit Touristen, dann mit bis zu 300 Flüchtlingen. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Bautzen. "Wollen Sie wissen, wo ich gerade sitze?" Peter-Kilian Rausch lacht kurz, dann fährt er fort: „Ich sitze auf einer Terrasse, in Botswana, bei 34 Grad, schaue aufs Land und freue mich.“ Sein Satz endet mit einem Knirschen. Doch schon Sekunden später funktioniert die Telefonverbindung wieder tadellos. Langsam spricht Rausch weiter: „Sie haben Glück, dass Sie mich noch erreicht haben. Nächste Woche bin ich gar nicht zu sprechen“, erklärt der 60-Jährige. Eine Safari ist geplant. Fast 1 000 Kilometer will er durch Afrika reisen.

Peter-Kilian Rausch ist glücklich mit seinem neuen Leben, das so reich an Abenteuern ist. Ein Jahr nachdem er Bautzen den Rücken kehrte, kann er sagen: „Ich bin angekommen.“ Doch der Weg dorthin war nicht leicht. Nach dem Abschied vom Spreehotel fiel Rausch in ein tiefes Loch. „Erst habe ich Urlaub gemacht. Doch dann kam die große Leere“ erklärt er.

Anfangs fiel es ihm schwer, nicht mehr an das Bautzener Spreehotel zu denken. Immerhin hatte er dem Gebäude am Stausee fast 18 Jahre seines Lebens gewidmet. Als Hotelier übernahm er das Vier-Sterne-Haus gleich nach der Jahrtausendwende. Anfangs lief es sehr gut, doch mit der Zeit verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation. Kurz vor der Pleite fand Peter-Kilian Rausch 2014 einen Ausweg aus der finanziellen Misere. Gegen den Widerstand vieler Bautzener baute er das Hotel zu einem Heim für Flüchtlinge um. Zusammen mit seinen Mitarbeitern betreute er dort Asylbewerber, zu Höchstzeiten fast 300.

Anpacken im Pferdestall

Zurück zur Terrasse in Botswana. Seit November lebt Peter-Kilian Rausch in Afrika. Auf einer Farm, die Freunde von ihm betreiben. „Aus ihrer Privatwirtschaft möchten sie etwas Professionelles machen. Dabei soll ich ihnen helfen“, erklärt Rausch. Der Hotelchef von einst gibt Tipps, wenn es um die Gastronomie geht oder um die Unterbringung der Gäste. Er packt aber auch kräftig mit an. 18 Pferde gehören zum Hof. Für sie greift Peter-Kilian Rausch auch mal zur Mistgabel. „Ich bin jetzt ein Stallbursche. Was für eine steile Karriere.“

Hinter dieser sarkastischen Bemerkung versteckt Peter-Kilian Rausch seinen Ärger. Obwohl er jetzt Abstand hat, ist die Wut im Bauch nicht ganz verschwunden. Als 2017 immer weniger Geflüchtete nach Bautzen kamen, begann der Landkreis Heime so schnell zu schließen, wie sie einst eröffnet worden waren. Auch der gerade auslaufende Vertrag mit dem Spreehotel wurde nicht verlängert. Stattdessen einigten sich Stadt und Kreis darauf, am Bautzener Stausee ein Integrationszentrum einzurichten. Ein Ort, an dem Flüchtlinge unterkommen, die zwar bleiben dürfen, aber noch keine eigene Wohnung gefunden haben.

Doch das Projekt scheiterte – am Zuschuss der Stadt Bautzen. Die Kommune sollte sich finanziell an dem Integrationszentrum beteiligen. Doch der Finanzausschuss der Stadträte lehnte die Zahlung ab. Obwohl er seine Arbeit gern fortgesetzt hätte, sah sich Peter-Kilian Rausch im Dezember 2017 gezwungen, das endgültige Aus des Spreehotels zu verkünden, sein Lebenswerk aufzugeben. „Ich habe das Hotel übergeben und bin sofort aus Bautzen weggezogen“, erklärt Rausch. Erste Anlaufstelle: seine Heimatstadt im Schwarzwald. In Donaueschingen bezog er eine Wohnung, die einst seiner Mutter gehört hatte.

Neue Aufgabe durch Zufall

Um sich weiterhin für Asylbewerber engagieren zu können, suchte er gleich nach der Ankunft in seiner Heimatstadt das Gespräch mit Flüchtlingshelfern. „Das war eine Nullnummer“, sagt er. Zwar habe man sich über seine Hilfsbereitschaft gefreut, doch sein Engagement wurde nicht benötigt. Die meisten Flüchtlinge sind dezentral untergebracht, berichtet Rausch. Nur wenige wohnen im Heim. „Außerdem gibt es in jeder Gemeinde einen Vollzeit- Integrationsbeauftragen“, erklärt er.

Dass er in der alten neuen Heimat dennoch eine Aufgabe fand, verdankt Rausch dem Zufall. Eines Tages traf er einen alten Schulkameraden. Der erzählte ihm von einem Souvenirladen an der Donauquelle. Ohne großes Zögern pachtete Rausch das kleine Geschäft. „Ich verkaufe dort Sachen, die kein Mensch braucht. Es macht großen Spaß“, sagt er. Im April, wenn die Touristen zurückkehren, wird auch er wieder in seinem Souvenirladen sitzen. Ist das der richtige Job für jemanden, der einst ein Hotel leitete? Rausch antwortet prompt: „Das ist der Vorteil am Alter, ich muss niemanden mehr etwas beweisen.“

Seit seinem Auszug war er nur einmal wieder in Bautzen. Er habe das Spreehotel gar nicht besuchen wollen, berichtet Rausch. „Ich bin aus Gewohnheit in Bautzen-Ost runtergefahren.“ Einmal in der Nähe siegte dann die Neugier. Der Anblick des leer stehenden Hauses habe ihn traurig gemacht. Doch Rausch hat wenig Hoffnung. „Das Gebäude wird eine Ruine. Die Stadt möchte dort ein Hotel haben, aber ein neuer Betreiber wird sich nicht finden“, ist er überzeugt.

Er könnte noch ewig darüber sprechen, doch er hat keine Zeit. Die Safari wartet. Es ist der Abschluss seiner Reise. Ende Januar kehrt er nach Deutschland zurück. Nach der langen Hitze möchte Rausch den Winter genießen. „Am meisten freue ich mich aber auf das, was ich in Afrika sehr vermisse – Wasser mit Kohlensäure.“

Seit November lebt er auf einer Farm in Botswana, hilft dort Freunden. Sein neues Leben ist reich an Abenteuern.
Seit November lebt er auf einer Farm in Botswana, hilft dort Freunden. Sein neues Leben ist reich an Abenteuern. © privat