SZ +
Merken

„Ich gehe lieber meinen eigenen Weg“

Eiskunstläufer Robin Szolkowy spricht über das unerwartete Ende mit Aljona Savchenko, über die Wende im Fall Ingo Steuer und seine Hochzeit.

Teilen
Folgen
NEU!
© Matthias Rietschel

Von Daniel Klein

Die Chemnitzer, die mit dem Boot über den Schlossteich rudern wollen, bleiben stehen, tuscheln, schauen zu Robin Szolkowy. Der 35-Jährige ist hier so bekannt wie Michael Ballack, ein anderer großer Sportler der Stadt. Fünfmal wurde Szolkowy mit seiner Eiskunstlauf-Partnerin Aljona Savchenko Weltmeister und viermal Europameister. Eine Rekord-Karriere, die mit einem Streit endete. Bei einer Gala Ende April in Chemnitz trat das Paar ein letztes Mal gemeinsam auf, es war ein eiskalter Abschied. Szolkowy wollte mit Savchenko ins Profilager wechseln, bei Shows Geld verdienen, doch seine Partnerin hatte andere Pläne. Wie er mit dem unerwarteten Ende umgeht, erklärt er im SZ-Gespräch.

Herr Szolkowy, stehen Ihre Schlittschuhe jetzt in der Ecke und verstauben?

Sie stehen wirklich in der Ecke, aber verstauben nicht. Sie sind einsatzbereit. Es gibt verschiedene Projekte, also brauche ich sie noch.

Planen Sie ein Comeback?

Nicht als Amateur. Das Ende mit Aljona kam anders, als ich dachte, und sehr abrupt. Freunde haben mich dann in einer Art Bierlaune darauf gebracht, Shows mit einer anderen Partnerin zu laufen. Ich habe drüber geschlafen, und dann bin ich die Liste der Kandidatinnen durchgegangen. Meine erste Wahl hat gleich zugesagt. Es ist die 27-jährige Schweizerin Myriam Leuenberger, die bisher Einzel gelaufen ist und die ich von früheren Showauftritten kenne. Wir haben geprobt, und es klappte von Beginn an richtig gut. Ich glaube, an ihr ist eine Paarläuferin verloren gegangen.

Gibt es schon Termine?

Ende September laufen wir in Verona unter freiem Himmel und mit Orchester. Neben uns treten Weltmeister und olympische Medaillengewinner auf – das ist als Einstieg schon ganz ordentlich. Ein paar Jahre wollen wir das machen. Letztlich entscheiden darüber aber Angebot und Nachfrage.

Mit Aljona als Partnerin wäre bei den Shows sicher mehr gezahlt worden.

Das steht außer Frage. Durch unsere Erfolge hatten wir uns einen ordentlichen Marktwert erarbeitet. Aber Aljona hat sich anders entschieden. Wenn man so einen Plan umsetzen will, gehören eben immer zwei dazu.

Könnten Sie sich auch eine Trainerkarriere vorstellen?

Durchaus, ich habe schon zwei Wochen bei einem Camp in Oberstdorf reingeschnuppert, wo Kinder und Jugendliche aus aller Welt zwischen 8 und 18 Jahren auf dem Eis waren. Ich würde gerne das, was in meinen Kopf ist, weitergeben. Bei der nächsten Trainerausbildung werde ich höchstwahrscheinlich auf der Bank sitzen.

Ist Ihnen das Karriereende als Sportler schwergefallen?

Ich habe mich schon seit einigen Jahren damit beschäftigt, dass nach Sotschi definitiv Schluss sein wird. Deshalb konnte ich die letzten Wettkämpfe ein Stück weit genießen. Ich wusste: Es könnte das letzte Mal sein, dass ich in der Umkleidekabine sitze und meine Schnürsenkel nicht zubekomme, weil ich vor Aufregung zittere. Ich war also vorbereitet, deshalb bin ich nicht in ein Loch gefallen, und habe mich gefragt: Was mache ich jetzt bloß? Der ursprüngliche Plan war allerdings, als eine Art Übergang mit Aljona zwei, drei Jahre Shows zu laufen. Der Übergang hat sich halt auf zwei, drei Monate verkürzt.

Weil Aljona mit ihrem neuen Partner Bruno Massot bis 2018 weitermacht.

Das war ein Schock. Ich hatte vorher alles schon einmal im Kopf durchgespielt, nur das nicht. Wir hatten uns nach Olympia zusammengesetzt, um über die Zukunft zu reden. An den Rest des Gespräches kann ich mich nicht mehr erinnern. Das war so ähnlich wie bei einem Beinahe-Unfall im Auto. Da ist erst einmal alles hinter einem grauen Schleier. Ich habe dann überlegt, ob es sinnvoll ist, weiter an dieser Front zu kämpfen, und beschlossen: Ich gehe lieber meinen eigenen Weg.

Sie haben sich beinahe täglich gesehen und wirklich nie über die Zukunft gesprochen?

Ich kann nachvollziehen, dass dies für Außenstehende sehr schwer zu verstehen ist. Aber wenn man derart große Ziele verfolgt wie wir, ist man sehr fokussiert, es ist fast eine Art Betriebsblindheit. Der eine kann sich halt auf eine Sache konzentrieren und trotzdem nebenbei über andere Sachen nachdenken. Ein anderer kann das nicht.

Werden Sie sich die Auftritte von Aljona mit Bruno Massot künftig im Fernsehen anschauen?

Mit Sicherheit. Ich habe dieses Kapitel für mich abgeschlossen. Zumindest sehe ich das jetzt so. Wenn der Tag kommt, kann es natürlich auch sein, dass ich merke: Es berührt mich zu sehr. Dann schalte ich um.

Sie haben zusammen mit Aljona die vergangenen acht Jahre Ihren Trainer Ingo Steuer finanzieren müssen, weil der aufgrund seiner Stasi-Vergangenheit nicht vom Verband bezahlt werden durfte. Jetzt, drei Monate nach Ihrem Karriereende, hat der Deutsche Olympische Sportbund eine Rolle rückwärts gemacht. Wie fühlen Sie sich?

(Überlegt sehr lange) Es fällt mir sehr schwer, da eine Meinung zu äußern.

Die natürlichste Reaktion wäre: Warum erst jetzt? Sie haben viel Geld eingebüßt, durften nicht mehr in der Sportfördergruppe der Bundeswehr bleiben, haben dagegen erfolglos geklagt.

Natürlich ist es schade, dass es erst jetzt passiert ist. Ich weiß nicht, ob ich das Wort unfair benutzen sollte, aber es hätte uns ganz viel Ärger erspart. Wir hatten uns im Laufe der Zeit mit der Situation arrangiert, aber nie abgefunden.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, stehen da fünf Weltmeistertitel, aber kein Olympiagold. Ist es deshalb eine unvollendete?

Nein, definitiv nicht. Ich habe kürzlich mal bei Wikipedia meinen Namen eingegeben, und da wurden dann die ganzen Erfolge aufgelistet. In dem Moment ist mir bewusst geworden: Das hat nicht eine ganze Mannschaft erreicht, sondern ein Paar ganz alleine. Ich wache jetzt nicht nachts auf, weil da eine Lücke in meiner Biografie ist, die ich unbedingt noch schließen will. Ich bin mit mir im Reinen und auch dankbar für all das, was ich erleben durfte. Aber natürlich gibt es für einen Sportler nichts Größeres als Olympiagold. Das ist unbestritten.

Eiskunstlauf ist eine sehr telegene Sportart, Sie und Aljona waren ein erfolgreiches und attraktives Paar. Warum hat man Sie beide so selten in Talkshows gesehen und nie in einem Fernseh-Werbespot?

Man kann keine Millionendeals erwarten, wenn man sich in der Eishalle einschließt. Man muss sich auch zeigen, Kontakte knüpfen. Das haben wir zu wenig gemacht, ganz klar.

Wem machen Sie da einen Vorwurf?

Natürlich auch mir, ich gehörte ja zum Trio. Ich hätte da durchaus auch mal energischer reagieren können. Das habe ich nicht gemacht, weil der Fokus eben sehr auf dem Sport lag.

Wie sehen Ihre privaten Zukunftspläne aus?

Ich werde im August heiraten, weil ich eine Frau gefunden habe, die es fünf Jahre an meiner Seite ausgehalten hat (lacht). Sie kommt auch aus der Schweiz, hat für eine Agentur gearbeitet, die Eiskunstläufer für Shows bucht. So haben wir uns kennengelernt. Wir werden die nächsten Jahre in Chemnitz leben, hier habe ich meine Basis, meine Freunde. Wenn ich jetzt noch umziehen würde, wäre es nach all den Veränderungen ein bisschen viel.