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„Ich will in Dresden die Nummer eins werden“

Lisa Stock ist bei den DSC-Volleyballerinnen die Dauerreservistin und möchte das ändern.

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© Robert Michael

Von Daniel Klein

Mit ihren 1,68 Meter kann man sie leicht übersehen zwischen all den hochgeschossenen Frauen jenseits der 1,80. Lisa Stock ist die Kleinste beim Dresdner SC und doch steht sie häufig im Mittelpunkt. Ob beim Tag der Sachsen, einer Autogrammstunde, der Sportlergala – wenn es darum geht, die Volleyballerinnen und den Verein zu repräsentieren, ist die 20-Jährige fast immer dabei.

Sie deshalb als Gesicht der Mannschaft zu bezeichnen wäre übertrieben, doch mit den Abgängen von Mareen Apitz und Stefanie Karg hat der DSC auch seine Identifikationsfiguren verloren. Lisa Stock erfüllt als mögliche Nachfolgerin einige Kriterien: Sie ist seit sieben Jahren im Verein und gehört damit zu den Dienstältesten, hat sich beim Nachwuchsableger VC Olympia durchgeboxt und 2012 schließlich einen Profivertrag erhalten. Zudem ist sie sehr fotogen – bei der professionellen Vermarktung der DSC-Frauen ein nicht zu unterschätzendes Kriterium.

Es gibt nur einen Haken: Lisa Stock ist als Libero lediglich die Nummer zwei und damit eine Dauerreservistin – so auch beim morgigen ersten Play-off-Halbfinale gegen Wiesbaden (19.30 Uhr). Als sie vor drei Jahren in die Bundesliga aufstieg, sollte sie von Kerstin Tzscherlich lernen und sie irgendwann beerben. So hatte es auch Trainer Alexander Waibl öffentlich formuliert. Tzscherlich, eine der Weltbesten auf ihrer Position, musste verletzungsbedingt 2013 ihre Karriere beenden.

„Ich hätte mir gewünscht, dass sie noch ein Jahr dranhängt, was mit ihrem Knie aber nicht ging“, erzählt Stock rückblickend. „Dann hätte ich mir noch mehr abschauen können.“ So aber suchte Waibl nach einer anderen Lösung, verpflichtete zunächst die US-Amerikanerin Nicole Davis für einige Monate und schulte dann Myrthe Schoot zum Libero um.

Die Holländerin ist noch immer die Hauptverantwortliche für die Ballannahme beim deutschen Meister, ihr Vertrag läuft bis 2016. Wie auch der von Lisa Stock. „Wenn Myrthe bleiben sollte, muss ich damit leben“, sagt die Stellvertreterin. „Aber ich will in Dresden die Nummer eins werden. Einen Wechsel zu einem anderen Verein kann ich mir derzeit nicht vorstellen.“

Waibl bescheinigt der Blondine, die haartechnisch auch schon eine schwarze Phase durchlebte, dass sie „in den vergangenen zwei, drei Jahren volleyballerisch und auch persönlich gereift“ sei, sich weiterentwickelt habe. „Mit 20 muss sie aber geduldig sein, bis es zur Nummer eins reicht.“ Das klingt nicht nach einem konkreten Versprechen, eher nach einem, das sämtliche Optionen offenlässt.

Sporadisch schaffte es die 46-fache Junioren-Nationalspielerin zuletzt in die Stammsechs, als Schoot an einer Knieentzündung laborierte. Höhepunkt war die Champions-League-Partie bei Fenerbahce Istanbul. „Da hatte ich im Vorfeld schon ein bisschen Angst“, gesteht sie. Die war unbegründet, Dresden bezwang den übermächtigen Gegner sensationell 3:2 – mit der Nummer zwei.

Womöglich war das ein wichtiger Schritt in der Karriere der Lisa Stock, die in Schönebeck südlich von Magdeburg beginnt, genauer beim SV Pädagogik. Ihre ältere Schwester Anne spielt dort, die kleine Lisa schaut zu und macht irgendwann mit. Bei einer mitteldeutschen Meisterschaft wird der DSC erstmals auf das Talent aufmerksam, mit 13 zieht sie schließlich ins Internat nach Dresden um. „Mit 16 oder 17 wäre mir das wahrscheinlich schwerer gefallen, aber mit 13 habe ich da nicht so nachgedacht“, sagt sie. Mit Heimweh hat sie trotzdem zu kämpfen, vor allem dann, wenn die Mitbewohner am Wochenende nach Hause fahren, sie aber bleiben muss.

Nach Dresden kommt sie als Außenangreiferin, obwohl sie „noch nie die Größte“ war. Als sie nicht weiter wächst, muss sie umsatteln: Als Libero darf sie nun nicht mehr aufschlagen, nicht mehr schmettern und blocken, ist einzig für die Ballannahme zuständig. „Ich habe diese Rolle angenommen“, sagt sie. Auch die schmerzhaften Seiten. In der ersten Trainingswoche nach ihrem Bundesliga-Aufstieg landen drei Schmetterbälle in ihrem Gesicht. „Zum Glück ist die Nase nicht gebrochen. Aber wegducken geht nicht.“

Die Sportmittelschule hat sie bereits vor zwei Jahren abgeschlossen, die Ausbildung zur Raumausstatterin scheiterte, „weil es sich zeitlich mit dem Volleyball nicht kombinieren ließ“. Nun nimmt sie einen zweiten Anlauf als Bauzeichnerin. Bei einem Praktikum half sie kürzlich, den Neustädter Bahnhof zu vermessen, fand das „sehr spannend“. Ihr nächstes Projekt hat damit aber wenig zu tun, es heißt: Stammspielerin werden.