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Immer ein bisschen schräg

Ramona Kunze-Libnow ist eine gefragte Filmschauspielerin. Ihre skurrile Seite zeigt sie am Bautzener Theater.

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© Miroslaw Nowotny

Von Miriam Schönbach

Es ist Hoppelhäschenfest in der Krabbelgruppe. Die frischgebackenen Eltern kennen sich alle schon aus dem Geburtsvorbereitungskurs und haben zusammen tief ins Becken geatmet. Nun optimieren die Mamas und Papas ihre Kleinen schon zu Höchstleistungen, geben ihnen Chinesisch oder zeigen ihnen, wie sie rempelnd durchs Leben kommen. Einzig die Oma von Lilli stört die singende Runde in der Franz-Wittenbrink-Revue „Eltern“. Die schrullige Dame wird Ramona Kunze-Libnow gespielt. In der neuen Produktion steht die Schauspielerin als Gast zum ersten Mal auf der Bautzener Bühne.

Die „Omi“ sitzt gleich neben ihrem Sohn (Istvan Kobjela) beim Hoppelhäschenfest. In ihren Augen hat er sich die falsche Frau und Mutter für die Enkelin ausgesucht. Zu gern würde sie ihr mal ein Würstchen braten. Leider kommt in der jungen Familie nichts Tierisches mehr auf den Tisch. Neben dieser kleinen Rolle haucht Ramona Kunze-Libnow auch einer tantrischen Hebamme, einer überforderten Lehrerin und einer nervösen Sexualtherapeutin Leben ein. „Ich habe mich total auf dieses Wittenbrink-Stück hier in Bautzen gemeinsam mit der Regisseurin Ute Raab gefreut“, sagt die 57-Jährige zu ihrem Abstecher auf die Bühnenbretter.

Film ist ihre Leidenschaft

Schließlich ist das Theaterspiel längst ihr Spielbein, während sie Film und Fernsehen als ihre Leidenschaft bezeichnet. Dabei kommt die gebürtige Anhaltinerin aus dem klassischen Schauspiel. Nach ihrer Ausbildung zum Baufacharbeiter mit Abitur landet sie 1980 wegen einer großen Liebe in Leipzig. Eigentlich träumt das junge Mädchen davon, Architektin zu werden. Aber angesichts des DDR-Wohnungsbauprogramms verliert sie schnell wieder die Lust an diesem Gedanken. Stattdessen geht sie mit ein paar Erfahrungen im „Modern Dance“ zur Schauspielschule zum Vorsprechen und wird ohne Zaudern genommen. „Die Schule nahm damals gern junge Leute, die noch unfertig waren. Ich war seinerzeit total unbedarft, quirlig und hatte einfach Glück“, sagt sie rückblickend.

Aus der ruhelosen Naivität entwickelt sich schnell entschlossene Professionalität mit einem Augenzwinkern. Schon im zweiten Studienjahr erhält sie das Angebot, am Leipziger Schauspielhaus zu spielen. Dort lässt sich die junge Schauspielerin 1980 engagieren. Sie spielt viel, oft und mit Leidenschaft. Statt Fausts Gretchen wird sie mehr und mehr mit skurrilen Rollen besetzt. „Die Schönen haben mich noch nie gereizt. Ich mag lieber das Schräge“, sagt Rand-Meißnerin. Nach 16 Jahren im Ensemble verabschiedet sie sich 1996 von ihren Kollegen und zieht nach Dresden. Fortan geht sie freiberuflich ihren Weg.

Eine Mörderin gespielt

Erst einmal nimmt sich Ramona Kunze-Libnow ein wenig zurück, kümmert sich um die Tochter und genießt das Gefühl vom Neuanfang. Sie spielt in Leipzig, in Dresden und auch anderenorts Theater. Ganz langsam flattern auch die ersten Drehbücher ins Haus. Den ersten großen Film macht sie 2003 mit Franziska Meletzki. Seinerzeit ist die Regisseurin noch unbekannt, inzwischen holen Produzenten sie unter anderem für das Comedy-Format „Stromberg“ oder den Tatort. So durfte sie im vergangenen Jahr unter anderem mit dem neuen Weimarer Ermittlerduo Christian Ulmen und Nora Tschirner auf Verbrecherjagd gehen. Die Mörderin spielte im Krimi Ramona Kunze-Libnow.

Nach den ersten Kontakten mit der Kamera verschwindet auf einmal die Sehnsucht nach der Bühne. „Im Theater arbeitest Du lange an einem Stück. Film ist für mich die Suche nach dem Geheimnis einer Figur in Verbindung mit Technik und Schnitt. Wenn Du da nicht ordentlich vorbereitet bist, gehst du einfach baden“, sagt die leidenschaftliche Hobby-Gärtnerin. Ihre Ernsthaftigkeit bei der Arbeit spricht sich herum, ihr Typ ist gefragt. Inzwischen stehen bei ihren abgedrehten Produktionen Serien wie „Soko Leipzig“, „Danni Lowinski“ genauso wie die Literaturverfilmung „Der Turm“. Die Zeitreise in die 80er-Jahre der DDR nach dem Bestseller Uwe Tellkamps erhielt 2013 gleich mehrere Grimme-Preise.

Kinder kennen „Schloss Einstein“

Jüngere Zuschauer dagegen lernen Ramona Kunze-Libnow als Schulleiterin Dr. Franka Steiner in der beliebten Kika-Produktion „Schloss Einstein“ kennen. Zwischen 2007 und 2010 gehört sie zum Erfolgsteam, dann verlässt sie das fiktive Internat Richtung Afrika, Rückkehr nicht ausgeschlossen. „Doch, doch“, sagt die Schauspielerin, „ich schaue im Leben nie gern zurück, sondern immer nach vorn.“ Und da liegt jetzt noch ein Tag bis zur Premiere des amüsanten und tiefgründigen Liederabends „Eltern“ am Freitag.

Ramona Kunze-Libnow betritt jetzt als Lehrerin die Bühne. Die Eltern sind unzufrieden mit der Förderung ihrer Sprösslinge. Im Orchestergraben schlägt die Live-Band um Tasso Schille schon die ersten Akkorde der Rockhymne „We don’t need no education“ von Pink Floyd an. Neben den härteren Tönen versammelt die Inszenierung Musik zwischen Volkslied, jüngstem Pop, Chanson und Oper. „Das Bautzener Ensemble ist wunderbar. Die Kollegen brennen für ihre Arbeit. Das habe ich nur selten an Theatern erlebt“, sagt der Gast. Das hört sich ja nach Lust auf mehr an?

Nächster Dreh in Berlin

Die Schauspielerin schüttelt den Kopf. Nach der Premiere packt sie nämlich schon für den nächsten Dreh in Berlin die Koffer. Über das Projekt möchte sie noch nichts verraten, weitere Anfragen für das Jahr 2015 hat ihre Agentur schon angekündigt. Als Omi, Hebamme, Sexualtherapeutin und Lehrerin wird das Bautzener Publikum sie aber noch mehrfach und natürlich immer ein bisschen schräg in der jetzigen Spielzeit auf der Bautzener Bühne erleben.

Premiere „Eltern“, morgen, 19.30 Uhr, großes Haus. Weitere Termine: 4., 6., 13., 19., 25., 30. Dezember, jeweils 19.30 Uhr.

Karten: www.theater-bautzen.de