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Immer öfter bleibt die Küche kalt

Gaststätten im Landkreis Görlitz schließen oder kürzen Öffnungszeiten und Angebote. Viele Wirte sind frustriert.

Von Gabriela Lachnit
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Andriko Zimmermann mit Tochter und Mitarbeiterin Janina Schmeltekop im Berggasthof in Jauernick-Buschbach. Seit Jahren ist der Gastwirt auf Suche nach Personal.
Andriko Zimmermann mit Tochter und Mitarbeiterin Janina Schmeltekop im Berggasthof in Jauernick-Buschbach. Seit Jahren ist der Gastwirt auf Suche nach Personal. © Foto: Pawel Sosnowski

Das Café im Görlitzer Stadtpark hat ein Problem: Danuta Moses, eine der Betreiber des Cafés, muss krankheitsbedingt aufhören. Michael Moses, der zweite Betreiber, sucht daher dringend jemanden, der einspringen kann. Gelingt das nicht, will er nur bis Ende März Gäste im Café empfangen. Ein ähnliches Problem kennt Andriko Zimmermann. Der Inhaber des Berggasthofes in Jauernick-Buschbach ist seit Jahren auf der Suche nach zuverlässigem Personal. „Das ist mittlerweile ziemlich aussichtslos“, sagt er. Viele potenzielle Bewerber wollen weder abends noch am Wochenende arbeiten. „Und wenn, dann oft nur in Teilzeit“, sagt der Wirt. Den Arbeitsweg ins Görlitzer Umland scheuen ebenfalls viele, fehlt es doch am öffentlichen Nahverkehr in den Abend- und Nachtstunden. Vor Jahren habe er noch bei der Arbeitsagentur ein Stellenangebot eingestellt, berichtet der Gastwirt. Etliche Arbeitslose hätten die Stelle von ihrem Berater angeboten bekommen. Die Vermittlung scheiterte jedes Mal. „Entweder, sie haben sich gar nicht erst gemeldet, oder nur den Stempel abgeholt als Nachweis, dass sie hier waren“, berichtet Zimmermann. Seine Ehefrau Iris, die Köchin, ergänzt, dass auch finanzielle Anreize – Stundenlohn zwischen zehn und 15 Euro – nichts bewirkt hätten. „Ich kann die Wirte verstehen, die ihr Geschäft schließen, Ruhetage einführen oder Angebote kürzen, weil sie es einfach alleine nicht mehr schaffen “, ergänzt sie.

Conrad Siebert, Inhaber vom Hotel „Am Berg“ Oybin weiß, wovon Familie Zimmermann spricht. Wegen fehlendem Personals hat er 2016 auf Hotel Garni umgestellt. Das heißt, für Hotelgäste gibt es Übernachtung und Frühstück. Siebert weiß, dass nicht nur Michael Moses, Zimmermanns und er ein Personalproblem haben. Er ist Vorstandsmitglied im Regionalverband des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). „Im ganzen Landkreis Görlitz ist es schwierig, geeignetes Personal oder überhaupt jemanden zu finden“, sagt er. Immer wieder hört er von branchenfremden Gästen, dass es doch in der Region einfach wäre, Mitarbeiter zum Beispiel aus Tschechien zu gewinnen. „Dem ist nicht so“, weiß Siebert. Die Tschechen wüssten genau, dass sie in Baden-Württemberg, Bayern und in Österreich viel mehr verdienen können als im Dreiländereck. Unter 15 Euro Stundenlohn ginge das dort nicht ab, so der Hotelier. Das könnten Gastronomen hier nicht bezahlen, weil sie nicht den Umsatz dafür haben. Selbst sehr gut laufende Wirtschaften hätten Probleme, sagt Siebert. Erschwerend komme das Arbeitszeitgesetz hinzu, das kaum Flexibilität zulasse. Axel Klein, Geschäftsführer der Dehoga in Sachsen, ergänzt: „Das Arbeitszeitgesetz hat nicht den vom Gesetzgeber gewünschten Effekt gebracht“, sagt er. Das Gegenteil sei der Fall. Vieles ist trotz des Willens von Mitarbeitern gesetzlich gar nicht möglich. Beispielsweise eine 40-Stunden-Woche auf vier Tage zu verteilen, um einen ganzen Tag frei für die Familie zu haben, lässt das Gesetz nicht zu. „Der Frust in der Branche ist groß.“Der Mindestlohn an sich sei nicht das Problem, sagt der Geschäftsführer. Vielmehr Sorgen mache das Lohnabstandsgebot. Denn eine ausgebildete Fachkraft müsse mehr bekommen als jemand Angelerntes. Mit dem Mindestlohn waren die Gastronomen also verpflichtet, auch alle darüber liegenden Löhne ihrer Mitarbeiter anzuheben.

Ende Januar waren bei der Agentur für Arbeit für den Landkreis Görlitz insgesamt 58 offene Stellen im Gastgewerbe gemeldet, darunter 24 für Köche und 25 für Kellner und Restaurantfachleute. Im Jahr zuvor waren es im Januar noch 83 offene Stellen in der Gastronomie und in den drei Jahren davor 60, 42 und 72 offene Stellen.

Ob die für Januar 2019 gemeldete rückläufige Zahl der offenen Stellen mit der Schließung von Gaststätten zusammenhängt, kann die Arbeitsagentur aus Datenschutzgründen nicht sagen. Allerdings weiß die Agentur, dass eine gemeldete Arbeitsstelle für einen Koch im Landkreis Görlitz durchschnittlich 156 Tage lang unbesetzt blieb. Für Servicefachkräfte, also Kellner und Restaurantfachleute, beträgt die Vakanzzeit 172 Tage. „Im Landkreis Görlitz konnten in diesem Januar vier Stellen als Koch besetzt werden“, informiert Agentursprecherin Berit Kasten.

Arbeitgeber im Landkreis nutzen die Dienstleistungen der Stellenangebote bei der Arbeitsagentur rege, „aber wir beobachten zunehmend, dass sie mehrere Suchwege bei der Stellenbesetzung nutzen“, so die Sprecherin. Warum Jobsuchende eine angebotene Stelle nicht annehmen, kann die Sprecherin pauschal nicht sagen, jeder Einzelfall sei anders. „Arbeitszeiten, die Erreichbarkeit der Arbeitsstelle und die Entlohnung sind jedoch Schwerpunkte für Annahme oder Ablehnung eines Jobs“, so Berit Kasten.

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