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In der Kunst-Fabrik soll es wieder rattern

Die Krautwald-Fabrik ist seit Juni ein Kunstraum. Jetzt arbeiten engagierte Pieschener die wechselhafte Geschichte des Hauses auf.

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Ralf Nowak und seine Mitstreiter von der Interessengemeinschaft „Metropole Pieschen“ retten gerade einen ganz besonderen Schatz. Er liegt versteckt in einem unauffäligen Hinterhaus in der Torgauer Straße 38.

Ralf Nowak hat dort unzählige Aktenordner, Bauzeichnungen, Pressformen und Fotos gefunden. Für den 43-Jährigen sind die Dokumente so wertvoll wie ein Topf mit Gold. Der engagierte Pieschener will mit ihnen die Geschichte eines fast vergessenen Ortes aufarbeiten. Das 1883 errichtete Haus wurde zunächst 15 Jahre als Tanzsaal und Treffpunkt von den Pieschenern genutzt.

Womöglich war die Eröffnung des Ballhauses Watzke in der Kötzschenbroder Straße Schuld an der Pleite. Um 1900 zog die Maschinenfabrik von Richard Krautwald in das Hinterhaus ein. Zu DDR-Zeiten hieß die Fabrik VEB Kartoplast und war verstaatlicht.

Nach der Wende stellte die Firma Krautwald hier unter anderem bunte Pappteller für Currywurst und Pommes oder Zigarettenschachteln her. 2006 ging das Unternehmen insolvent. Der Ballsaal stand leer. Im Juni dieses Jahres hauchte Ralf Nowak dem Haus neues Leben ein. In einer Gemeinschaftsaktion mit dem Verein „Pro Pieschen“ wurde der Saal als ein provisorischer Kunstraum eröffnet.

Unterstützt hat sie dabei der neue Eigentümer der Immobilie, Tobias Hölzer. Der Unternehmer will das Gebäude ab 2013 zu einem modernen Wohnhaus umbauen. Bis Ende Oktober überließ er den Ballsaal den Künstlern. Ab 5.August zeigen die Pieschener Künstler Stephan Popella und Christoph Beyer ihre Malereien und Grafiken. Zu den vier Ausstellungen kamen bislang rund tausend Besucher. Unter den Gästen sind auch immer wieder ehemalige Mitarbeiter der Maschinenfabrik. Sie interessieren sich weniger für die Kunst, dafür mehr für ihren alten Arbeitsplatz.

„Sie erzählen uns zum Beispiel, wo genau welche Maschine gestanden hat und wer welche Schlüssel benutzt hat“, sagt Ralf Nowak. Einmal sei ein Mann aufgetaucht, der von seiner Erfindung berichtete: Einer Papp-Lasche, die eine Zigarettenschachtel verschlossen hält. „Solche Geschichten wollen wir wissen“, sagt Ralf Nowak.

Mittlerweile hat er Kontakt zu zehn ehemaligen Angestellten der Krautwald-Fabrik. Im September will er ein Ehemaligentreffen mitten im Ballsaal organisieren.

Alte Akten auf dem Dachboden

Er erhofft sich dadurch auch Erkenntnisse für seine eigene Forschung. In Schränken und auf dem Dachboden lagern noch unzählige ungesichtete Akten, Bauzeichnungen, Maschinenteile und Fotos. Ralf Nowak braucht die Mitarbeiter, um die Puzzleteile zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammenzufügen. Im Winter, so sein Plan, soll ein Buch entstehen, in dem die Geschichte der Krautwald-Fabrik aufgearbeitet und für die Nachwelt festgehalten wird.

Zunächst sollen sich jedoch Künstler mit der wechselhaften Historie des Hauses auseinandersetzen. Am 3. September startet das Projekt „Nacharbeit“ in der Kunst- und Kulturfabrik. Bis dahin wollen Ralf Nowak und seine Mitstreiter alle Akten, Bauzeichnungen und Fotos durchgeschaut haben.

Diese Dokumente und die alten Maschinenteile sollen in die Ausstellung integriert werden. Zur Geschichte des Hauses werden außerdem Bilder und Installationen entstehen. „Wir wollen die Dokumente in neue Zusammenhänge bringen“, sagt Ralf Nowak.

Mit einem dreitägigen Kostümball wollen sich die Krautwald-Künstler Ende Oktober aus dem Ballsaal verabschieden. Anfang des kommenden Jahres starten die Bauarbeiten im Saal. Ralf Nowak hofft, den Krautwald-Schatz bis dahin freigelegt zu haben. Tobias Winzer

www.metropole-pieschen.org