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„Lehrer dürfen keine Angst vor Politik haben“

Der Chef der Landeszentrale für politische Bildung, Roland Löffler, sagt, warum Demokratiebildung in der Schule nichts mit DDR-Staatsbürgerkunde zu tun hat.

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Dr. Roland Löffler ist Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Er will in kleineren Städten und dem ländlichen Raum stärker präsent sein.
Dr. Roland Löffler ist Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Er will in kleineren Städten und dem ländlichen Raum stärker präsent sein. © Karl-Ludwig Oberthür

Herr Löffler, sind Sie als Chef der Landeszentrale für politische Bildung öfter an Schulen unterwegs?

Ja, bin ich. Bin ich auch gerne. Ich mache auch Lehrerfortbildungen. Mir ist das wichtig, dass ich als Leiter der Landeszentrale immer den konkreten Bezug zur Basis habe.

Warum sind Sie gerade jetzt nach Freital gekommen?

Das hat sich aus verschiedenen Dingen in der Vernetzungsarbeit ergeben. Vor allem aber ist uns daran gelegen, nicht immer nur in Dresden oder Leipzig zu sein. Es ist ja auch Ziel unserer Arbeit, dass wir noch mehr aus den Großstädten ausstrahlen, noch mehr in die Breite Sachsens gehen, auch wenn Freital jetzt noch sehr nah an Dresden liegt. Wir wollen uns mehr und mehr dezentral aufstellen und dorthin gehen, wo die Fragen noch brennender sind als in den Großstädten.

Was bringt so ein Tag, wie er am Gymnasium Freital veranstaltet wurde, an dem sich nicht nur die Schüler mit Demokratiebildung beschäftigt haben?

Dabei ist ja der Sinn der Sache, dass wir ganz unterschiedliche Anbieter von politischen Bildungsprojekten vernetzen, dass wir die hier zusammenbringen, das gibt es immer noch zu wenig in Sachsen. Stiftungen machen etwas, zivilgesellschaftliche Organisationen, Landesschulamt, wir – das ist wichtig, dass man pädagogische Erfahrungen austauscht, dass man die Akteure zusammenbringt. Insofern, glaube ich, bringt das schon eine ganze Menge.

Was bekommen Sie denn für Reaktionen von Lehrern und Schülern, wenn die Landeszentrale für politische Bildung an die Schule kommt?

Lehrer sind eine unserer wichtigsten Zielgruppen. Wir haben sehr guten Kontakt zu ihnen. Viele Lehrer kommen zu uns bei den unterschiedlichsten Angeboten – Seminare, Konferenzen, Studienfahrten. Es gibt im Moment eine gewisse Verunsicherung bei Lehrern. Wie gehen wir mit der veränderten politischen Großwetterlage um? Positiv gesehen gibt es aber auch eine große Neugier. Die politische Bildung wird jetzt gestärkt im schulischen Unterricht, aber auch in der Erwachsenenbildung. Das Interesse an unserer Arbeit ist gerade bei Lehrerinnen und Lehrern sehr hoch, und das wollen wir dann auch gerne bedienen.

Stoßen Sie da nicht auf Vorbehalte? Mit den Erfahrungen aus der ehemaligen DDR denken viele schnell an das Fach Staatsbürgerkunde.

Die Vorwürfe, die politische Bildung heute wäre im Grunde nichts anderes als der Staatsbürgerkundeunterricht in der DDR, hören wir regelmäßig. Und ich lehne diese genauso regelmäßig ab. Es gibt ganz grundlegende Unterschiede. In der ganzen Ausrichtung der Schulkonzeption der DDR hieß es, die Bildung hat das Ziel, den sozialistischen Menschen hervorzubringen. Die Bundesrepublik hat so ein Ziel nicht. Ziel ist der freie Mensch, und der kann entscheiden, welcher ideologischen, philosophischen oder religiösen Richtung er zuneigt oder auch nicht.

Wie wird dieses Ziel verfolgt?

Wir haben drei Grundprinzipien in der politischen Bildung. Das ist der sogenannte Beutelsbacher Konsens. Wir indoktrinieren nicht, wir sind überparteilich und wir motivieren die Menschen selbst zu handeln, für das Gemeinwesen aktiv zu werden. Wir sind auch Plattform des Dialogs, stellen Informationen zur Verfügung, bringen aber auch unterschiedliche Meinungen zusammen, und so leisten wir unseren Beitrag zur Meinungsbildung, den dann auch jedes Individuum selbst leisten muss.

Wie macht sich denn die Veränderung des politischen Klimas an den Schulen bemerkbar?

Wir haben zum Teil Lehrer, die verunsichert sind. Wir hatten in den Neunzigerjahren eher eine Entpolitisierung der Schulen, da wurde politische Bildung sehr in die Richtung ausgelegt, dass sich Schulen komplett neutral verhalten müssten. Jetzt haben wir eine aufgeheizte Situation und natürlich auch Schüler mit extremen Einstellungen, auch Eltern mit extremen Einstellungen. Wir haben auch politische Parteien, die Druck ausüben – und das verunsichert Lehrer.

Wie können Sie den Lehrern die Verunsicherung nehmen?

Nun habe ich ja gesagt, politische Bildung ist überparteilich, aber sie ist gebunden an die Werte der sächsischen Verfassung und des Grundgesetzes. Und da motivieren wir Lehrer, keine Angst vor Politik zu haben. Das ist manchmal fast das größte Hindernis, das manche denken, sie werden bei der Arbeit zu bestimmten Themen sofort kritisiert oder bekommen politischen Druck. Wir bieten das Handwerkszeug, dass Lehrer es gut hinbekommen, auch schwierige Themen anzupacken. Nur so kann man die Vorurteile, das wäre alles Indoktrination oder Staatsbürgerkunde, abbauen.

Die AfD hatte ja genau mit dieser Zielrichtung im Internet Portale eingerichtet, wo Schüler melden sollten, wenn Lehrer sich nicht neutral verhalten. Was ist daraus geworden?

Das AfD-Lehrerportal ist eigentlich Schnee von gestern. Die AfD forderte mehr Neutralität im Unterricht. Nun ist es richtig, dass alle Parteien im Unterricht, nicht ausschließlich die AfD, fair und angemessen analysiert werden müssen. Ich habe jedoch Zweifel, dass das Mittel eines Internetprangers der richtige Weg ist, um Überparteilichkeit einzufordern. Am Ende war es eine PR-Aktion, die nach einiger Zeit verpuffte, aber einen Teil der Lehrerschaft verunsicherte. Dass die sächsischen Lehrer aber sehr gut mit dem Beutelsbacher Konsens umgehen können, Kontroversität und Überparteilichkeit im Unterricht abbilden, zeigt etwa die Tatsache, dass es keine einzige Dienstaufsichtsbeschwerde über den Weg des AfD-Portals gab. Gesellschaftspolitische Debatten sollten in der Öffentlichkeit geführt und wo es passt, auch in der Schule, politischer Streit aber nicht auf dem Rücken der Lehrer ausgetragen werden.

Wie sollten Lehrer mit extremen Äußerungen von Schülern umgehen?

Da, wo rechtsextreme Positionen vertreten werden, wo Menschen diskriminiert werden, da ist ja auch das Ende des Meinungspluralismus erreicht. Die Meinungsfreiheit ist ja durch das Bundesverfassungsgericht breit geschützt, aber Angriffe gegen die Grundrechte, den Gleichbehandlungsgrundsatz, die Religionsfreiheit und vieles mehr, die muss die Schule ahnden. Das ist sogar ihre Aufgabe. Auch die Schule ist ja auf Recht und Gesetz und die Verfassung aufgebaut. Und da gehört es, finde ich, auch zur Aufgabe des Lehrers, Schüler, die solche Aussagen machen, in die Schranken zu weisen.

Dasselbe würde natürlich auch für linksextremistische Positionen gelten, wenn ein Schüler zum Beispiel Autoritäten ablehnt?

Ja klar. Wir haben zwar in Sachsen ein größeres Problem mit Rechtsextremismus, aber wir haben auch Linksextreme oder auch radikale Muslime. Auch die Reichsbürger machen uns Sorgen. Und im Hintergrund wabern überall Verschwörungstheorien. Da sind viele Menschen leider recht anfällig.

Ist die Schule für die Landeszentrale als Ziel politischer Bildung besonders wichtig?

Zunächst muss ich sagen, die Landeszentrale ist eine Erwachsenenbildungseinrichtung. Für uns sind mit Blick auf Schule die Lehrer eigentlich wichtiger als die Schüler, weil sie die nächste Generation prägen. Darüber hinaus arbeiten wir gerne mit Multiplikatoren wie Polizisten, Journalisten, Wissenschaftlern, Sozialarbeitern, ehrenamtlich Engagierten, um Impulse zu geben, damit wir Kaskadeneffekte in der Gesellschaft erreichen.

Das Gespräch führte Tilman Günther.