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Italien im Elbtal

1 800 Weine, 160 000 Flaschen: Zu Besuch im Lager des Onlinehändlers Superiore in Neusörnewitz.

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Von Anna Hoben

Einmal La Monella 2012, einmal Bricco della Bigotta 2008, einmal Vigneto Starderi 2010.“ Ein Mitarbeiter liest die Liste vor, der zweite geht von Palette zu Palette und greift zielsicher nach den Flaschen. Um 21 Uhr am Vorabend ist die E-Mail eingegangen: sechs Flaschen, Gesamtbestellwert 133,80 Euro. Sechs Weine von 1 800, die bei Superiore in Neusörnewitz lagern.

© Andreas Weihs

Jetzt, um 10 Uhr vormittags, ist Hochbetrieb, auch wenn der an diesem Tag recht entspannt aussieht. Nach und nach arbeiten sich die Picker in der Kommissionierung durch ungefähr 100 Versandkartons. Das dauert eine Stunde; vor Weihnachten auch mal drei. Während sich die Kartons füllen, wächst nebenan ein Berg mit leeren Verpackungen in die Höhe. Um 16 Uhr holt DHL alles ab. Wer bis 9 Uhr morgens bestellt, bekommt die Lieferung am nächsten Tag.

Bevor das Packen losging, haben die Logistiker die Weine aus dem Lager geholt. Es ist kühl, 15 Grad. „Die Temperatur bleibt das ganze Jahr über gleich“, sagt Superiore-Geschäftsführer Lutz Heimrich. Auch die Luftfeuchte, 60 Prozent. Das ist wichtig, wenn manche Weine zehn Jahre lagern. „Hier herrscht das Prinzip Chaos“, sagt Heimrich. „Wo Platz frei wird, kommt was Neues hin.“ Zwei Regeln, die ein gewisses System hineinbringen, gibt es dann aber doch: Was schnell weggeht, steht vorne, Raritäten sind eher hinten zu finden. Norditalien und Südtirol lagern oben, der Süden, Toscana und Sizilien unten. Von manchen Weinen sind 1 200 Flaschen vorrätig. Es gibt aber auch Raritäten mit gerade mal fünf Exemplaren. Solche Weine werden den Händlern von den Winzern höchstpersönlich zugeteilt. „Da muss man nehmen, was man kriegt“, sagt Heimrich, „da sind die durchaus überheblich.“

Dafür fände man solche Schätze dann in Deutschland fast nirgendwo anders. Zum Beispiel die Weine von Angelo Gaja aus dem Piemont, „dem großen Impresario des italienischen Weines“, 200 bis 400 Euro die Flasche, oder La Spinetta, „ganz großes Kino“, oder dort drüben, die Fünf-Liter-Flasche von dem 2007er Barolo, „von dem gibt es auf dem ganzen Weltmarkt nur 100 Exemplare“. Wer den jetzt kauft, lässt ihn am besten noch ein paar Jahre liegen.

Superiore hat sich auf italienische Premiumweine spezialisiert – ausschließlich. Das scheint der Hauptbestandteil des Erfolgsrezeptes der Firma zu sein. „Vor zehn Jahren haben die Italiener das Internet als Teufelszeug verurteilt“, sagt Heimrich. Aber auch heute seien sie im E-Commerce noch weit hinten. Viele Winzer seien deshalb froh, dass es Superiore gibt.

2003 ging’s los, damals noch in Dresden. Heimrich und seine Lebens- und Geschäftspartnerin Mirjam Schwarzkopf schauten sich die existierenden Online-Weinseiten an und dachten sich: So schwer kann es nicht sein, das besser zu machen. Sie gaben eine Marktforschung in Auftrag und legten los, „ziemlich unprofessionell“, wie sie im Nachhinein sagen. Doch offenbar machten sie ziemlich viel richtig, die Firma wuchs und wuchs, das erste Lager wurde zu klein, man zog in ein neues, „die erste Nacht konnten wir nicht schlafen, so groß war es“. Irgendwann wurde auch das zu klein. Nach vierjähriger Umbauphase zog Superiore 2011 in das alte Elektrowärme-Werk in Neusörnewitz.

Heute hat die Firma acht Mitarbeiter: vier im Büro, vier in der Logistik. 50 000 Kunden bestellen bei Superiore, „und das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange“, sagt Heimrich. Das Potenzial sei drei- bis viermal so groß. Jeder fünfte Kunde stammt aus einem der zehn kaufkraftstärksten Landkreise. Starnberg, Hochtaunus, München. Zweieinhalb Prozent leben in Sachsen. Viele werden zu Stammkunden, bestellen erst Wein für fünf Euro, dann für zehn, 15, irgendwann für 30 oder 50. „Sie trinken sich hoch“, sagt Heimrich. Für 2013 strebt er einen Umsatz von vier Millionen Euro an.

Nimmt man vom Lager aus die Treppe nach oben, landet man in den Büros. Am Eingang ein Schuhabstreifer mit Schrift: „Prosecco steht im Kühlschrank“. Das Gespräch kommt auf Peer Steinbrück. Eine Flasche Wein für fünf Euro würde er nicht kaufen, hatte der gesagt. „Wenn er gesagt hätte, keine unter fünf Euro, würde ich ihm zustimmen. Wenn er meint, es gibt keine guten Weine unter zehn Euro, hat er eine Meise“, sagt Lutz Heimrich. Premium heißt nicht immer gleich teuer.

www.superiore.de