Mehr als 2 500 Asylbewerber leben derzeit im Kreis Bautzen. Ein großer Teil von ihnen hat auch die Chance auf Anerkennung des Flüchtlingsstatus und damit auf ein Bleiberecht. Hunderte Flüchtlinge haben ihre Anerkennung bereits erhalten, allein 600 in diesem Jahr. Diejenigen, die bleiben können – und auch im Landkreis bleiben, werden ein Fall für Sandro Fiebig, den stellvertretenden Leiter des Jobcenters, und seine Mitarbeiter. Im SZ-Gespräch sagt der 46-Jährige, vor welchen Herausforderungen seine Behörde steht, und warum Integration viel leichter gesagt als getan ist.

Herr Fiebig, Hunderte Asylbewerber im Kreis sind es bereits oder werden es demnächst: anerkannte Flüchtlinge mit Bleiberecht und Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. Um mal bei unserer Lieblingsfrage zu bleiben: Schaffen Sie das?
Gegenwärtig schaffen wir das mit dem Engagement unserer Mitarbeiter und den finanziellen Ressourcen. Es geht auch noch nicht um eine Größenordnung. Wir betreuen hier bei uns im Landkreis mehr als 22 000 Leistungsempfänger. Darunter sind es jetzt aktuell 399 anerkannte Flüchtlinge. Gegenwärtig haben wir knapp 50 Zugänge im Monat. Es könnten aber mehr werden. Die große Bewilligungswelle der Asylanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steht ja noch aus.
Während des großen Flüchtlingsansturms im vorigen Jahr haben Sie im Jobcenter intern mit insgesamt 1000 bis 1500 Neukunden aus diesem Klientel gerechnet. Ist das noch so?
Das lässt sich im Moment nur sehr schwer abschätzen. Wir müssen jetzt erst einmal sehen, wie sich die Wohnsitzauflage im neuen Integrationsgesetz auswirkt, das ja seit wenigen Tagen in Kraft ist. Bisher haben wir damit gerechnet, dass allerhöchstens 40 Prozent der Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung tatsächlich hierbleiben. Die meisten verlassen bisher den Kreis, sobald sie ihre Papiere in den Händen halten. Viele ziehen zu Verwandten, Bekannten und Landsleuten. Wir sind dann nicht mehr zuständig. Mit einer Wohnsitzauflage könnte sich das ändern. Aber auch, wenn jeder Flüchtling, der hier anerkannt wird, auch hierbleibt, wird uns das zahlenmäßig nicht vor Probleme stellen. Die Probleme liegen ganz woanders.
Was sind denn die Probleme?
Da ist vor allem und ganz massiv die Sprachbarriere. Eine Kommunikation ist mit den meisten Flüchtlingen nur sehr schwer möglich. Es ist für die Mitarbeiter auch sehr schwierig herauszubekommen, welchen Wissens- und Kenntnisstand die Flüchtlinge haben, an dem man anknüpfen könnte, und was sie überhaupt können. Es reicht ja nicht, jemand kommt und sagt: Ich habe studiert. Ich bin Spezialist.
Wie viele haben denn tatsächlich studiert oder eine Berufsausbildung?
Aus unserer bisherigen Erfahrung ist die Zahl der Spezialisten wirklich sehr überschaubar. Zumindest unter denjenigen, die bei uns Leistungen beantragen, sind es die allerwenigsten, die irgendeinen Abschluss oder eine Ausbildung nachweisen können. In den Tests stellen wir dann auch meistens fest, dass die Begriffe Studium und Ausbildung in den Herkunftsländern eine ganz andere Bedeutung haben als hier bei uns. Wir stellen auch fest, dass mehr als jeder fünfte bei uns registrierte Flüchtling Analphabet ist.
Was machen Sie mit diesen Flüchtlingen? Registrieren, verwalten, Leistungen zahlen, fertig?
Nein. So wollen wir das nicht. Es ist unser erklärtes Ziel, sie in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und damit in die Gesellschaft zu integrieren – auch wenn das viel leichter gesagt als getan ist. Das Wichtigste für uns ist es zuerst, dass wir sie in Alphabetisierungs- und in Sprach- und Integrationskurse bringen. Per Gesetz ist die Teilnahme der Flüchtlinge an den Kursen auch Pflicht.
Es gibt ja auch diejenigen, die sich überhaupt nicht integrieren wollen. Kann man sie denn in solche Kurse zwingen?
Theoretisch schon. Wir hätten sogar die Möglichkeit, die Leistungen zu kürzen, wenn sie sich solchen Maßnahmen verweigern. Aber praktisch lässt sich das gegenwärtig kaum realisieren. Das scheitert schon an der Sprachbarriere. Wir können den Flüchtlingen das Anliegen kaum verständlich machen. Es ist für uns allein schon ein logistischer Kraftakt, orts- und zeitnahe Kurse zu organisieren.
Wie hoch schätzen Sie die realistische Möglichkeit ein, einen anerkannten Flüchtling in eine Arbeit zu vermitteln?
Ehrlich gesagt ist das vorerst kaum möglich. Die Fälle, in denen das gelungen ist, können wir bis jetzt noch an einer Hand abzählen. Wir konnten zwei junge Leute in eine geringfügige Beschäftigung vermitteln: einen bei einer Umzugsfirma, einen in einem Lebensmittelgeschäft. Wenn wir realistisch sind, werden sich die allermeisten Flüchtlinge nicht kurz- und mittelfristig in eine reguläre Arbeit vermitteln lassen. Auch bei denjenigen, die das wirklich wollen und die auch motiviert sind, wird das dauern. Wir schätzen, dass wir da mindestens fünf Jahre brauchen. Wie gesagt: Es ist schwierig, aber auch nicht unmöglich. Unser größtes Augenmerk liegt auf den Kursen.
Sobald die anerkannten Flüchtlinge ihre Papiere in den Händen halten, bekommen sie keine Asylbewerber-Leistungen mehr und müssen ihre bisherigen Asyl-Unterkünfte verlassen. Es heißt, es sei sehr schwierig für sie, eine Wohnung zu finden.
Ja, das stimmt. Gerade für die alleinreisenden jungen Männer ist die Wohnungssuche schwierig, weil die Wohnungen ja auch den Größen- und Kostenvorgaben für Leistungsempfänger nach SGB II entsprechen müssen. So viele preiswerte Einraumwohnungen gibt es offenbar nicht. Eine Familie mit Kindern hat es da sicherlich etwas einfacher. Wir haben jetzt aber eine Kompromiss-Lösung gefunden, dass die Flüchtlinge auch nach einer Anerkennung übergangsweise in den Asylunterkünften bleiben können und das Jobcenter die Kosten für das Zimmer übernimmt.
Noch einmal zurück zu denen, die sich gar nicht integrieren wollen. Lässt man sie einfach?
Wir können nur immer wieder versuchen, ihnen klarzumachen, dass sie mit Sanktionen rechnen müssen, wenn sie sich hier allem verweigern. Wir werden hier im Jobcenter für eine bessere Verständigung schnellstmöglich einen Sprachmittler für Arabisch und eine weitere Fremdsprache einstellen. Die Stelle wird in den nächsten Tagen ausgeschrieben. Denjenigen, die motiviert sind und die sich hier integrieren und arbeiten wollen, wollen wir Arbeitsmarkt-Mentoren zur Seite stellen. Wir haben ein entsprechendes Projekt beantragt und warten noch auf die Bewilligung. Das Geld dafür käme vom Bund.
Das Gespräch führte Jana Ulbrich.