Von Holger Gutte
Als Bürgermeister drückt Jürgen Walther (parteilos) oft die Türklinke zum Hainewalder Gemeindeamt runter. Sie hat Symbolcharakter – damals wie heute – und ist so alt wie das Gebäude. Vor 90 Jahren haben die Hainewalder ihr Gemeindeamt gebaut und dabei Wert auf viele schöne Details gelegt. Schon die Türklinke ist ein Kunstwerk. Sie zeigt ein Männlein, dass krampfhaft die letzte Mark festhält, ehe es diese zur Steuerkasse der Gemeinde bringt. Dabei rollen ihm dicke Tränen über die Wangen.







An den Symbolcharakter der Türklinke wird Jürgen Walther noch bis heute fast wöchentlich erinnert. Wenn der Eurohof in Hainewalde mit seinen Kindern eine Runde durchs Dorf macht, gehört die Türklinke mit zur Ortskunde dazu. „Dann höre ich die Erzählungen darüber meist bis zu mir ins Bürgermeisterzimmer“, sagt er.
Und auch darin gibt es noch ein historisches Utensil aus dem Gründungsjahr 1926. Die Olsenbande hätte sicherlich ihre Freude am eingebauten Tresor der Marke „Franz Jäger“.
„So wie der eingebaut ist, stammt er sicherlich von 1926“, meint der Bürgermeister. Den Zusammenhang mit dem Männlein, dass krampfhaft eine Reichsmark festhält und dem Tresor in seinem Zimmer sieht Jürgen Walther jetzt etwas anders. Heute ist es nicht nur der Einwohner, sondern auch der Bürgermeister, der das Geld festhalten möchte, weil ihm Umlagen – wie etwa für die Verwaltungsarbeit – zu hoch erscheinen.
Heute wie damals ist das Hainewalder Gemeindeamt ausgelastet. Das Gebäude diente von Anfang an nicht nur als Sitz der Gemeindeverwaltung und als Tagungsort für die Abgeordneten. Nach nur einjähriger Bauzeit konnte der damalige Bürgermeister Rudolf Möller das Gemeindeamt im Beisein vieler Hainewalder einweihen. 103 000 Reichsmark hatte der Bau gekostet. Die Arbeitsgemeinschaft der Girokasse der Gewerbebank ist darin genauso untergebracht gewesen, wie die Ortskrankenkasse. Mit dem Bau hat die Gemeinde zugleich vier Wohnungen erhalten, die heute noch vermietet sind. Eine Bank oder Sparkasse gibt es im 2004 sanierten Haus nicht mehr. Dafür befinden sich hier aber nun eine Physiotherapie, Versicherung und ein Lohnsteuerbüro. Und natürlich wird auch die bis 1945 genutzte Gefängniszelle im Keller nicht mehr als solche verwendet. Sie dient lediglich als Abstellraum.
Im Laufe der Zeit ist der Bürgersaal des Gemeindeamtes um ein Schmuckelement reicher geworden. Seit 1926 zieren die großen Bleiglasfenster fünf Bildnisse. Sie zeigen einen Fabrikanten, Landmann, Schwerarbeiter, Arzt und Weber. 2012 kam eine Metallplastik des Bertsdorfer Künstlers Siegfried Schreiber hinzu.
Er hatte darin Brechts Spruch aus dem Lukullus – „So, wie die Erde ist, muss sie nicht bleiben. Sie anzutreiben, forscht, bis ihr wisst“ – anlässlich des Schulneubaus im Jahre 1971 umgesetzt. Die Metallplastik war nach dem Ende der Schule aufbewahrt und später auf Anraten von Ortschronist Rainer Buttig im Bürgersaal angebracht worden.