Von Mario Heinke
Mit gelben Warnwesten und roten Verdi-Regenschirmen sitzen Gabi Ploß-Fenzl und sieben ihrer Kollegen unter den Sonnenschirmen von Schwerdtners Café „Am Marsbrunnen“ und schlürfen Latte macchiato. Die Mitarbeiter aus dem Kaufland in der Christian-Keimann-Straße diskutieren und telefonieren mit Kollegen. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Betriebsausflug, ist ein Warnstreik, an dem sich die Kaufland-Warenhäuser in Zittau, Görlitz, Kamenz, Löbau, Ebersbach-Neugersdorf und Großröhrsdorf beteiligen.
Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten von Kaufland zu einem Warnstreik von Donnerstag vier Uhr morgens bis Freitag 24 Uhr aufgerufen. In mehreren Bundesländern streiken Kaufland-Angestellte, um ihre Forderungen durchzusetzen. Sie fordern die Erhöhung der Löhne um 1 Euro pro Stunde und die Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 80 Euro. Die Tarifverhandlungen mit dem Handelsverband Mitteldeutschland werden am 15. Juli fortgesetzt. Das erste Angebot sah eine Lohnerhöhung um 1,5 Prozent vor. „Viel zu wenig“, sagt Jörg Lauenroth-Mago von Verdi.
Die Kunden von Kaufland in der Keimann-Straße bemerkten den Warnstreik gar nicht, denn der Verkauf ging uneingeschränkt weiter. „Wir ersetzen die Streikenden durch andere Kollegen, sodass der Warnstreik für unsere Kunden keine Auswirkungen hat“, erklärt die Kaufland-Pressestelle in Neckarsulm gegenüber der SZ. In Zittau blieben die Ausfälle daher punktuell, die Drogerie- und Getränkeabteilung unbesetzt. Im Kaufland an der Äußeren Weberstraße wurde gestern gar nicht gestreikt. „Der dortige Betriebsrat ist noch sehr jung“, erklärt Frau Ploß-Fenzl. Es gehe nicht darum, alles lahmzulegen, sondern den Druck gegenüber dem Arbeitgeber zu erhöhen, so die Betriebsratsvorsitzende von 17 Kaufland-Märkten in der Region. Sie war am Donnerstag zur Protestkundgebung vor der Konzern-Zentrale in Neckarsulm gereist. „Über 1 000 Kollegen waren dort“, so Gabi Ploß-Fenzl.
Auch im Löbauer Kaufland ist gestern nicht gestreikt worden. Der Betrieb ist wie auch sonst ganz normal gelaufen. Genauso wie in den beiden Löbauer Netto-Märkten und im Lidl an der Poststraße.
Der Warnstreik sei unumgänglich, erzählen die Zittauer Kaufland-Mitarbeiter. Sie fordern nicht nur mehr Geld, sondern es geht auch um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Im Unternehmen gehe die Angst um, weil seitens der Geschäftsleitung versucht werde, die Personalkosten massiv zu senken, erzählen sie. So ändere die Geschäftsleitung Tätigkeitsbeschreibungen und Gehaltsklassen und bezahle neu eingestellte Mitarbeiter schlechter als früher. Außerdem werde verstärkt versucht, sogenannte geringfügig Beschäftigte einzusetzen, die nur elf Wochenstunden arbeiten. Bisher verdienen die Mitarbeiter nach eigenen Angaben im Durchschnitt 14,12 Euro. Im regionalen Vergleich ist das ein guter Verdienst. Da die meisten aber nur in Teilzeit zwischen 19 und 24 Wochenstunden arbeiten können, müssen sie sich noch Geld beim Amt holen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Kaufland sieht das etwas anders. „Wir bezahlen generell nach Tarif. Zudem gilt unser interner Mindestlohn von derzeit 9 Euro pro Stunde Brutto, zuzüglich aller Zuschläge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld“, sagt Andrea Kübler von der Pressestelle. Um auf die unterschiedliche Kundenfrequenz reagieren zu können, sei es überall im Handel üblich, verstärkt mit Teilzeitkräften zu arbeiten.
„Wenn sich Kaufland nicht bewegt, werden wir die Arbeitsniederlegungen ausweiten“, droht Verdi-Streikleiter Lauenroth-Mago.