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Kaffee aus dem Schuhregal

Der Schuhdealer in der Niederlagstraße reagiert auf den Wandel im Handel. Ein Konzept für alle Riesaer Läden?

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Von Britta Veltzke

Unter den Geruch von neuen Schuhen mischt sich der Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen. Steve Manig füllt das Pulver in eine wuchtige Maschine – wie es sie auch in Restaurants oder Cafés gibt – und wenig später fließt das schwarze Gebräu in die Tassen. „So einen guten Kaffee finden Sie in Riesa nicht noch einmal“, sagt er. Zumindest nicht in einem Schuhladen.

Der Schuhdealer auf der Niederlagstraße bietet den Kaffee zum dort trinken oder zum mitnehmen seit über einem Jahr an. Vorher betrieb der Inhaber Frank Müller an derselben Stelle den Laden Tanc, wo vor allem Snow- und Skateboard-Sachen für die jugendliche Zielgruppe zu haben waren. Nun versucht sich Müller mit neuem Konzept. „Unser Sortiment richtet sich an alle Altersgruppen“, sagt Verkäufer Steve Manig, der jeden Tag aus Dresden zum arbeiten nach Riesa pendelt. Er mag seinen Job in der Kleinstadt: „Hier ist es nicht so hektisch, ich kann mir Zeit für die Kunden nehmen. Zusätzlich haben wir so um die zehn Stammkunden, die täglich zum Kaffee trinken kommen.“

Im Hintergrund des Riesaer Ladens steht ein etablierter Online-Shop, der seit 2005 im beschaulichen Strehla sitzt: www.schuhdealer.de verkauft vornehmlich in Deutschland und Westeuropa, es gehen aber auch schon mal Bestellungen aus den USA ein. Die Internetseite ist inzwischen auf drei Sprachen verfügbar. Gegen Riesen wie Zalando oder Amazon ist der Schuhdealer aber ein Zwerg. „Wir haben uns Nischen gesucht, in denen wir bestehen können. Die Großen arbeiten ganz anders als wir. Die müssen immerzu wachsen, um die Kapitalanleger zu befriedigen. Das ist gar nicht unser Anspruch. Ich bin froh, dass wir seit Anfang an profitabel arbeiten“, erklärt der Chef Frank Müller.

Shoepresso als Spezialität des Hauses

Nach eigenen Angaben beschäftigt er 15 Mitarbeiter. Die meisten davon arbeiten am Standort in Strehla. Eine Mitarbeiterin sei hauptsächlich mit den Übersetzungen für die Texte der Internetseite ins Französische beschäftigt, so Müller weiter. In seinem Laden stehen etwa drei bis fünf Prozent des Angebots, das im Internet verfügbar ist. Alles andere können sich die Kunden zum Anprobieren in den Laden bestellen lassen. „Das wird auch regelmäßig genutzt“, sagt Verkäufer Steve Manig. „Die Leute umgehen so das lästige Zurückschicken der Paare, die nicht passen.“

Chef Frank Müller ist überzeugt davon, dass der Einzelhandel in seiner klassischen Form nicht mehr lange überleben kann: „Morgens die Ladentür aufschließen, Geld kassieren und abends wieder abschließen – das funktioniert nicht mehr. Da muss man sich schon was einfallen lassen.“ Neben den verschiedenen Kaffeespezialitäten von Espresso über die Eigenkreation „Shoepresso“ bis hin zum normalen Kaffee für 1,50 bis 2,50 Euro bietet er in seinem Riesaer Laden auch noch die Werke eines Oschatzer Graffiti-Künstlers an. Und aus dem Radio dudelt kein Standard-Sender wie PSR oder MDR-Jump, sondern FM4 – ein Jugendkultursender aus Österreich, auf dem die Moderatoren neben Deutsch auch Englisch und Französisch sprechen. „Man muss das Einkaufen zu einem Erlebnis machen“, sagt Müller überzeugt.

Aber reicht das langfristig zum Überleben in einer Kleinstadt? „Ich gebe zu, dass sich der Laden in einer Stadt wie Riesa ohne den Online-Handel nicht halten würde.“ Er habe auch schon mal darüber nachgedacht, den Laden zu schließen. Für den 39-Jährigen gibt es aber einen gewichtigen Grund das nicht zu tun: „Einige Schuhhersteller arbeiten nur mit Händlern zusammen, die auch einen Laden haben.“ Also macht Müller das Beste draus.

Eine Mischung aus Online-Handel und „echtem“ Geschäft – ein Konzept, das sich auch für andere Riesaer Läden anbietet? Annett Margenberg, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Innenstadt Riesa, ist da skeptisch. „Besonders für die kleinen Geschäfte ist es schwer, einen Online-Shop aufzubauen. Die Großen beobachten den Markt, und sobald sie sehen, dass irgendjemand ein Produkt anbietet, das sie noch nicht haben, ziehen sie nach und verkaufen es günstiger. Ich wäre schon froh, wenn wenigstens alle Riesaer Geschäfte eine ordentliche Internetseite hätten.“

Mit einem eigenen Online-Handel hat auch Rico Eberhardt so seine Erfahrung gemacht. Der Inhaber des gleichnamigen Schuhgeschäfts verkaufte ab 2007 etwa drei Jahre lang seine Schuhe auch im Internet. Leider vergeblich. „Das war einfach zu aufwendig, weil die Reklamationsquote bei Schuhen so hoch ist. Anfangs waren auch die Anzeigen auf Google noch bezahlbar. Inzwischen werden die bei Auktionen versteigert. Kleine Händler können sich das nicht mehr leisten“, erklärt Rico Eberhardt. Die Seite www.schuhport.de nutzt er inzwischen nur noch als Warenkatalog.

Seitdem Verkäufer Steve Manig im Schuhdealer-Laden in Riesa arbeitet, ist für ihn noch eine neue Aufgabe dazu gekommen: Die Kaffeemaschine säubern. „Das dauert jeden Tag eine Dreiviertelstunde“, sagt er lachend. Aber das ist er wert, der Kaffee aus dem Schuhladen.