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Kampf gegen die Uhr

Bis gestern Mittag musste die neue Behelfsbahnbrücke an der Süßmilchstraße stehen. Das hieß Schicht auch am Wochenende.

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Von Ingolf Reinsch und Gabriele Naß

Ein einziger Bauarbeiter hat gestern Mittag gegen eins auf der Bahnbrücke an der Süßmilchstraße noch zu tun: Er sichert den Kabelkanal, der für den Bahnverkehr gebraucht wird. Zu dieser Zeit rollt nebenan der Zugverkehr zwischen Dresden und Bischofswerda schon eine Dreiviertelstunde wieder normal. 12.15 Uhr war die erste Regionalbahn nach Zittau über die Behelfsbrücke gefahren, die am Wochenende errichtet worden ist. Ergebnis: Bewährungsprobe bestanden!

Um Zehntelmillimeter ging es, als die Behelfsbrücke eingesetzt wurde. Die Bauleute mussten dafür 30 Meter Gleis vorübergehend ausbauen – und anschließend wieder einsetzen.
Um Zehntelmillimeter ging es, als die Behelfsbrücke eingesetzt wurde. Die Bauleute mussten dafür 30 Meter Gleis vorübergehend ausbauen – und anschließend wieder einsetzen.
Links neben der Brücke ragt ein Stahlträger knapp einen halben Meter aus dem Bahndamm. Er wurde zehn Meter tief in den Damm gerammt. Auf solchen Trägern ruht die Ersatzbrücke.
Links neben der Brücke ragt ein Stahlträger knapp einen halben Meter aus dem Bahndamm. Er wurde zehn Meter tief in den Damm gerammt. Auf solchen Trägern ruht die Ersatzbrücke.

Rund 30 Bauleute waren von Freitagabend bis zum Montag durchgehend im Einsatz, um die von der Deutschen Bahn gelieferte Brücke millimetergenau ins Gleisbett zu setzen. Das Behelfsbauwerk, reichlich 14 Meter lang und 30 Tonnen schwer, schließt an die vorhandenen Gleise an. Umso mehr war Präzision gefragt, um spätere Erschütterungen beim Fahren zu verhindern. Bauleiter Oliver Franke vom Unternehmen Hentschke-Bau: „Wir haben auf 30 Meter Länge das Gleis ausgebaut, so dass wir die Brücke ins Gleisbett hineinschieben konnten.“ Circa drei Stunden hing die Ersatzbrücke am Sonntag am Haken eines großen Kranes. Millimeter für Millimeter wurde sie eingepasst. Für die Männer rund um den Bauleiter hieß das, immer wieder zu messen. Mit hoch präzisen optischen Geräten, aber auch traditionell mit Wasserwaage und Zollstock. Anschließend mussten die Gleisanschlüsse wieder hergestellt werden, um die durch den Bau entstandenen Lücken zu schließen. Ehe das Gleis gestern Mittag wieder freigegeben werden konnte, waren noch Restarbeiten auszuführen, und Bahn-Mitarbeiter nahmen die Interimsbrücke ab.

Gearbeitet wurde am Wochenende rund um die Uhr in Schichten. Denn den Bauleuten saß die Zeit im Nacken. Sperrzeiten auf Bahnstrecken sind für Reisende unkomfortabel und für die Bahn teuer. Deshalb begrenzt sie diese auf ein Minimum. Dabei musste sie schon die Frist um einen halben Tag verlängern: von Montag 4 auf 12 Uhr. Die Vorbereitungsarbeiten für den Einbau der ersten von zwei Ersatzbrücken hatten länger gedauert als geplant. „Wir sind beim Bohren auf dem Bahndamm auf Granit gestoßen, der dort einst verbaut worden war. Deswegen mussten wir zusätzlich Boden austauschen“, sagt Oliver Franke. Bis zu zehn Meter tief mussten die Bauarbeiter in den Bahndamm, um dort gewaltige Stahlträger einzusetzen. Diese tragen zum einen die beiden Ersatzbrücken. Zum anderen werden sie für die Sicherung der Brückenbaustelle gebraucht.

Steht man auf der Brücke, schaut man in Richtung Osten geradewegs auf den Bahnhof. Als Erstes wurde am Wochenende die Behelfsbrücke für Gleis zwei, von dem gewöhnlich die Züge nach Görlitz und Zittau abfahren, errichtet. Eine weitere Brücke für Gleis eins, von wo es nach Dresden geht, wird am Wochenende nach Ostern eingebaut. Erst danach beginnen der Abriss der über 150 Jahre alten Gewölbebrücke und der Neubau einer neuen Brücke aus Stahlbeton.

Während oben die Züge fahren, wird darunter die neue Brücke entstehen. Diese wird nicht mehr rund, sondern rechteckig sein, sagt Bahnsprecherin Erika Poschke-Frost. Die lichte Höhe in der Mitte und die Breite des Bauwerkes bleiben aber unverändert. Die Bahn lässt die Brücke erneuern, weil die bisherige baufällig ist. Die Arbeiten sind bis zum Spätherbst geplant. So lange rollt’s über die Behelfsbrücken. Erst dann werden sie wieder ausgebaut. Mit schwerer Technik und Präzisionsinstrumenten, aber auch mit Sonderfahrplänen, Zugausfällen und Schienenersatzverkehr.