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Kampfzone Masseneiwald

Rund 70 Paintball-Anhänger trafen sich am Wochenende im Masseneiwald. Bürger äußern massive Sicherheitsbedenken.

Von Ingolf Reinsch
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Beim Paintball wird mit Farbkugeln auf Menschen geschossen. Verboten ist dieser Sport in Deutschland nicht, moralisch umstritten aber schon.
Beim Paintball wird mit Farbkugeln auf Menschen geschossen. Verboten ist dieser Sport in Deutschland nicht, moralisch umstritten aber schon. © SZ/Thomas Lehmann

Seeligstadt / Großröhrsdorf. Wo zwischen Seeligstadt und Großröhrsdorf bis zum Ende der DDR Fliegerabwehrraketen stationiert waren, wird jetzt am Boden gekämpft. Paintball-Anhänger haben das frühere Armeegelände für sich entdeckt. 71 „Kämpfer“, größtenteils vermummt und ausgerüstet mit Druckluftwaffen, deren Munition Farbkugeln sind, trafen sich nach Aussage des Organisators am Sonntag zu ihrer „Jahresabschlussveranstaltung“. Nach dessen Angaben war es ein einmaliges Ereignis dieser Größe. Ansonsten komme man „ein, zwei Mal im Vierteljahr“ im wesentlich kleineren Rahmen im Masseneiwald zusammen, um den Sport auszuüben, sagte er am Montag gegenüber der SZ. Zeugen hatten es am Sonntagnachmittag von ihm anders gehört. Demnach soll es an jedem Wochenende kleinere Teamrunden und aller vier Wochen einen größeren Wettkampf geben, berichtet Ilko Kessler, Seeligstädter Bürger und Gemeinderat in Großharthau. Nach Hinweisen von mehreren Bürgern sah er sich, begleitet von der von ihm informierten Polizei, am Sonntagnachmittag auf dem einstigen Militärgelände um.

„Kämpfer“ aus ganz Sachsen

50 bis 60 Fahrzeuge mit Kennzeichen aus ganz Sachsen parkten auf dem Waldweg. Zwischen den Gebäuden, in denen bis 2012 Asylbewerber untergebracht waren, und den ehemaligen Garagen gab es eine „Kampfzone“, in der mit für Unbeteiligte sehr gefährlichen Geschossen hantiert wurde, schildert Ilko Kessler seine Beobachtungen. „Erschreckend war, dass diese Kampfzone, außer vom Hauptzugang, in keiner Form abgesichert war. Alle Zugänge von außen waren offen und problemlos zu betreten. Tore standen offen und waren nicht gesichert.“ Außerhalb der Kernanlage, am sogenannten Ringweg, befanden sich weitere „Teampoints“ im Wald. Augenzeugen berichteten während der Begehung, dass bereits zuvor im freien Gelände außerhalb des äußeren Ringweges mit den Gewehren geschossen wurde, so Ilko Keßler. Diese Flächen befinden sich zwar noch auf dem Gelände der früheren Kaserne, aber nur etwa 30 Meter von einem viel begangenen Wanderweg entfernt, der vom Kleinen Stern nach Kleinröhrsdorf führt.

Nach Jahren des Leerstandes ist das einstige Armeegelände kaum noch gesichert. Zäune sind desolat, zum Teil fehlen sie ganz. Flatterband markiert abschnittsweise die Grundstücksgrenze. Unbeteiligte können so ungehindert bis in die inneren „Kampfzonen“ vordringen. Vor allem Kinder sieht Ilko Kessler gefährdet. Er betont, er wolle keine moralische Wertung über die umstrittene Sportart geben aber auf die Risiken vor Ort hinweisen. „Bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung und dem Gefährdungspotenzial kann von Sicherheit keine Rede mehr sein“, sagt er.

Verwaltet wird das Gelände von der Max Aicher Bischofswerda GmbH. Mit den Jugendlichen besteht eine Nutzungsvereinbarung, sagt Geschäftsführer Ulf Mildner. Das Unternehmen überlässt ihnen das Grundstück unentgeltlich unter der Voraussetzung, dass sie es nur privat und nicht kommerziell nutzen. Im Gegenzug sollen die Jugendlichen darauf achten, dass auf dem Gelände kein Müll mehr abgelagert wird. „Seitdem die Jugendlichen regelmäßig auf dem Grundstück sind, haben wir in dieser Frage Ruhe“, sagt Ulf Mildner.

Im Internet ausgewiesen

Die Polizei sieht keinen Grund, aktiv zu werden. „Es handelte sich bei dem Paintball-Event um eine Privatveranstaltung. Ein Verantwortlicher konnte einen Nutzungsvertrag für das Areal vorlegen. Damit sind die polizeilichen Maßnahmen abgeschlossen“, erklärte Pressesprecher Thomas Knaup am Montag.

Ilko Kessler äußerte am Montag Verständnis für die Entscheidung der Firma Aicher. Doch der Seeligstädter hat ernste Zweifel, dass die Paintball-Events wirklich rein privater Natur sind. In einem Online-Portal kann man der Gruppe über die Anmeldung beitreten. Der Standort ist dort öffentlich als Übungsplatz für diese Waffen dargestellt. Großharthaus Gemeinderat hatte vor etwa zwei Jahren schon einmal zum Thema beraten und sich mehrheitlich dagegen entschieden, das Areal als Softair-Park zu nutzen. Stattdessen wolle man das Gebiet gewerblich entwickeln.

Es gibt Pläne, in einem Bunker Sprengungen zu friedlichen Zwecken durchzuführen. Ein Unternehmer plant dafür, das etwa zehn Hektar große Gelände von der Firma Aicher zu kaufen. Er selbst beansprucht nur zwei Hektar rund um den Bunker. Den Rest will er aufforsten. Die Genehmigung der Sprengungen vorausgesetzt, könnte damit das Paintball-Hobby in der Massenei bald der Vergangenheit angehören.