SZ + Leben und Stil
Merken

Wenn Schule krank macht

Die Tochter klagt morgens über Bauch- und Kopfschmerzen. Doch der Arzt findet keine körperliche Ursache. Unser Experte weiß Rat.

 3 Min.
Teilen
Folgen
Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Dresdner Uniklinikum beantwortet regelmäßig Leserfragen.
Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Dresdner Uniklinikum beantwortet regelmäßig Leserfragen. © Matthias Rietschel

Leser: Meine Tochter (3. Klasse) klagt morgens immer wieder über Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen. Der Arzt kann aber keine körperliche Ursache finden. Da sich die Beschwerden und die Fehlzeiten in der Schule in den letzten Wochen gehäuft haben, mache ich mir Sorgen.

Prof. Dr. med. Veit Rößner: Kinder werden im Schulalltag immer wieder einmal krank. Oft wird zu Recht gar nicht nach konkreten, körperlichen Ursachen für Bauchschmerzen, Übelkeit oder Kopfschmerzen gesucht. Denn die „Kinderkrankheit“ vergeht rasch wieder, und zwar von ganz allein.

Treten solche Beschwerden, besonders in Verbindung mit vermehrten Fehlzeiten gehäuft auf, sollten Eltern und andere wichtige Bezugspersonen alarmiert sein. Denn für diese eher unspezifischen Beschwerden können neben körperlichen Ursachen, die dann einer Behandlung bedürfen, auch psychische Probleme ursächlich sein. 

Bei längerem, (un-)entschuldigtem Fernbleiben vom Unterricht, teils mit Wissen und Entschuldigung der Eltern, spricht man von Schulabsentismus. Unterschieden wird bei fehlenden körperlichen Ursachen dabei zwischen der sogenannten Schulphobie und der Schulangst.

Bei der Schulphobie haben die Kinder übermäßige Angst vor der Trennung von wichtigen Bezugspersonen. Sie befürchten, dieser Person, oft der Mutter, könnte während einer Trennung etwas Schlimmes zustoßen. Vor allem jüngere Kinder können diese Angst nicht genau erklären, spüren sie aber als allgemeines Unwohlsein zum Beispiel in Form von Bauchschmerzen.

Eltern, Kinderarzt und Schule müssen sich abstimmen

Im Unterschied dazu fürchtet das Kind mit einer Schulangst bestimmte schulische (Leistungs-)Situationen, etwa das nächste Diktat. Hintergrund können soziale Unsicherheit und Ängstlichkeit sein. Die Beschwerden äußern sich hier ganz ähnlich, also durch körperliches Unwohlsein, Übelkeit oder Kopfschmerzen.

In beiden Fällen wird durch ein Fernbleiben vom Unterricht die angstauslösende Situation vermieden – dem Kind geht es dadurch also zunächst besser. Am nächsten Morgen hat sich aber nichts grundlegend verändert – und die Beschwerden werden wieder auftreten. Typischerweise „pausieren“ sie an Wochenenden oder in den Ferien.

Eltern sollten mögliche Zusammenhänge beobachten und diese mit dem Kinderarzt besprechen. Wenn körperliche Ursachen ausgeschlossen sind, wird er die Familie zur weiteren Abklärung zum Kinderpsychiater oder -psychotherapeuten überweisen. Schulphobie und Schulangst sind in der Regel psychotherapeutisch gut zu behandeln, indem die zugrunde liegenden Sorgen und Befürchtungen therapiert werden. 

Ziel ist es, dass das betroffene Kind möglichst bald wieder regelmäßig die Schule besucht. Dazu ist es erforderlich, dass Eltern, Kinderarzt und Schule sich abstimmen, um weiteres Fehlen aufgrund unspezifisch (angstbedingter) Symptomatik unbedingt zu verhindern.

Auch bei älteren Kindern und Jugendlichen kann es zu gehäuftem, oft unentschuldigten Fehlen in der Schule kommen. Dabei ist die Motivation eher eine Schulunlust. Die Jugendlichen schwänzen bewusst und suchen sich während der eigentlichen Unterrichtszeit Aktivitäten, die ihnen mehr Spaß machen. 

Dieses Schulschwänzen ist ebenfalls eine Form des Schulabsentismus, aber nicht angstbedingt. Es tritt im Rahmen von problematischem Sozialverhalten auf. Körperliche Beschwerden werden von diesen Jugendlichen selten geschildert und falls doch, dann als Ausrede.

Haben auch Sie eine Frage an den Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Dresdner Uniklinikum? Schreiben Sie an die Sächsische Zeitung, Nutzwerk, 01055 Dresden oder eine Mail.