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Kein Raum zum Wohnen in Freital

In Freital sind Wohnungen für Familien knapp. Das Problem könnte sich aus einem bestimmten Grund noch verschärfen.

Von Annett Heyse
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In Freital sind vor allem größere Wohnungen rar.
In Freital sind vor allem größere Wohnungen rar. © dpa

Wer in Freital ein neues Domizil für sich und seine Familie sucht, muss entweder gute Beziehungen zu Vermietern haben, sich gedulden oder in Bescheidenheit üben. Am besten alles zusammen, denn große Wohnungen sind rar. Das zeigt ein Blick auf die Internetplattform Immobilienscout24. In der Größenordnung, wo es für Familien mit Kindern interessant wird - mindestens drei Zimmer auf 70 Quadratmeter - werden derzeit gerade einmal um die 60 Wohnungen angeboten. Vierraumwohnungen ab 80 Quadratmeter gibt es kaum, hier kommen noch 15 Treffer. Die Mietpreise liegen im Schnitt bei 1 000 Euro aufwärts. Das Wohnungsproblem, was viele jetzt schon spüren, könnte sich in Zukunft noch verstärken.

Die Situation: Selbst Großvermieter haben Engpässe Die Wohnungsgesellschaft Freital (WGF) ist der größte Vermieter der Stadt. Sie hat einem gemischten Bestand von rund 3 500 Wohnungen in Plattenbauten, Altbauten, kleineren Mehrfamilienhäusern in Siedlungen und einigen Nachwendebauten. Wenn Geschäftsführer Henryk Eismann den aktuellen Leerstand von rund sechs Prozent überfliegt, wird eines deutlich: "Die meisten Angebote haben wir bei den kleineren Wohnungen. Die Drei- und Vierraumwohnungen sind nach einem Auszug meistens schnell wieder belegt." Deshalb baut die WGF, wo es geht, auch zwei nebeneinanderliegende, kleinere Wohnungen in eine größere um.

Bei der Wohnungsgenossenschaft Freital (Gewo), mit 2 400 Wohnungen die Nummer zwei in der Stadt, stehen gerade einmal 27 Stück leer, dies entspricht einem Leerstand von einem Prozent. Es werde für Wohnungssuchende zunehmend schwieriger, in Freital preisgünstigen Wohnraum zu finden, schätzt Friederike Ebert vom Gewo-Vorstand. Vor allem Menschen, die auf Unterstützung der Sozialkassen eingewiesen seien, hätten Probleme. Das merkt man bei der Gewo anhand der Nachfrage: Insbesondere kleine, weil preisgünstige Zwei-, Drei- oder Vierraumwohnungen sind begehrt. Dabei hat die Gewo durchaus auch große, teils höherwertige Objekte in guten Wohnlagen im Angebot. Die Auslastung ist auch hier gut. Aber: "Die meisten Familien können sich nach wie vor keine größere Wohnung im Neubausektor ab 100 Quadratmeter, die ab 8,90 Euro Kaltmiete am Markt angeboten werden, leisten - auch wenn beide Elternteile arbeiten gehen", sagt Ebert. Kürzlich ließ die Stadt Freital eine Umfrage zur Stadtentwicklung durchführen. Auf die Frage, ob es genügend Mietwohnungen gebe, antwortete mit 44 Prozent weniger als die Hälfte der Befragten zustimmend.

Die Prognosen: Die Bevölkerung wächst weiter Im Freitaler Rathaus rechnet man weiter mit einer positiven Bevölkerungsentwicklung. Darauf deuten die Prognosen des Statistischen Landesamtes hin, ebenso die Berechnungen privater Institute. Die Berthelsmann-Stiftung, die unter anderem Studien zur Bevölkerungsentwicklung durchführt, sieht für Freital mit seinen aktuell rund 39 400 Einwohnern ein Bevölkerungswachstum. Im Jahr 2025 könnten in der Stadt bereits 40 800 Männer, Frauen und Kinder leben, heißt es seitens der Stiftung. Zwar wird die Geburtenrate leicht sinken und die Zahl der Sterbefälle die Zahl der Geburten nach wie vor übersteigen. Aber der Zuzug macht die Differenz wett. Die Prognose liegt bei knapp 44 Zugezogenen pro 1 000 Einwohner, die Zahl der Wegzüge dagegen nur bei 36.

Die Tendenz: Mietpreise steigen im gesamten Großraum Dresden Weil in Dresden die Nachfrage nach Wohnraum gestiegen ist, drängen mehr Wohnungssuchende in die Vororte und den Speckgürtel. Das ist auch auf dem Freitaler Wohnungsmarkt zu spüren - anhand der Mietpreise. Die durchschnittliche Miete lag vor fünf Jahren laut Preisrechner von Immobilienscout24 noch bei 5,80 Euro pro Quadratmeter. Inzwischen ist das Preisniveau bei 6,20 Euro angelangt. Das entspricht einer Steigerung von 7,5 Prozent. In den dresdennahen Gemeinden Bannewitz und Wilsdruff sieht es nicht viel anders aus.

Die Bauvorhaben: Mehr Ein- als Mehrfamilienhäuser werden errichtet Im vergangenen Jahr hat das Freitaler Bauamt 55 Genehmigungen zum Bau von Wohnhäusern erteilt. Davon betrafen 15 Genehmigungen Mehrfamilienhäuser. Allerdings hat das Bautempo nachgelassen: 2016 wurden noch 77 Genehmigungen für neue Wohnhäuser, darunter allerdings nur drei Mehrfamilienhäuser, erteilt. 2017 gingen 80 Baugenehmigungen, darunter wiederum drei Mehrfamilienhäuser, heraus. In der Stadt gibt es laut Statistischem Landesamt knapp 7 400 Wohngebäude mit mehr als 21 600 Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern. Den größten Anteil stellen die Dreiraumwohnungen, gefolgt von Vier- und Fünfraumwohnungen. Erst an vierter Stelle kommen die Zweiraumwohnungen.

Es wird weiter gebaut. An der Schachtstraße entsteht derzeit ein Wohn- und Geschäftshaus mit 12 Wohnungen, Bauherr ist ein Freitaler Planungsbüro. Die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Freital lässt derzeit an der Ecke Breite Straße/Gitterseer Straße drei Neubauten mit insgesamt 33 neuen Wohnungen errichten, die ersten sind bereits bezugsfertig. In Pesterwitz hat die Freitaler Projektentwicklungsgesellschaft FPE, ein Tochterunternehmen der Stadt, ein neues Baugebiet erschlossen. Hier können weitere 55 Eigenheime hochgezogen werden.

Das Potenzial: Stadt will verstärkt die Baulücken nutzen Das Potenzial für weitere Wohnbaugebiete auf der grünen Wiese ist in Freital nahezu ausgeschöpft. Im Rathaus setzt man daher auf die Bebauung von Lücken. "Der Zuwachs an Wohnfläche soll nach Möglichkeit dort realisiert werden, wo sich integrierte, zentrale Lagen nachverdichten lassen, um so die vorhandenen Quartiere zu stabilisieren und die vorhandene Infrastruktur optimal auszulasten", heißt es aus dem Rathaus. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht daher die Entwicklung eines neuen Wohn- und Geschäftsviertels am Sächsischen Wolf. Auch an der Hainsberger Straße zwischen der alten Walzenmühle und der Weißeritz könnte ein kleines Wohngebiet entstehen. Die Rede ist von sechs Einfamilien- und einem Mehrfamilienhaus. Dafür wird derzeit ein sogenannter Bebauungsplan aufgestellt. Ebenfalls im Gespräch: Die Fläche der alten Lederfabrik. Die wäre nach dem Abriss der Industrieruine frei. Sollte sich dort die Idee, einen Behördenstandort für den Freistaat - das Haus der Bildung - zu errichten, nicht umsetzen lassen, käme eine Neubebauung mit Mehrfamilienhäusern infrage.

Die Zukunft: Wohnraum in Freital wird knapp Bildet man aus den Zahlen zum Leerstand der beiden großen Vermieter WGF und Gewo einen Durchschnitt, müssten rund 3,5 Prozent aller Freitaler Wohnungen leer stehen. Das wären bei den insgesamt 21 600 Wohnungen rund 750 leerstehende Objekte. Wenn man von einem Bevölkerungswachstum von rund 1 400 Einwohnern bis 2025 ausgeht und im Durchschnitt zwei Personen in einer Wohnung leben, würden die 750 leerstehenden Mieteinheiten knapp nicht reichen. Und darunter sind auch unvermietbare Wohnungen in unsanierten oder abbruchreifen Gebäuden. Zudem nehmen die Einpersonenhaushalte zu, heißt es aus dem Rathaus. Fakt ist erstens: Es müssen neue Wohnungen gebaut werden, damit alle unterkommen. Fakt ist zweitens: Ein knappes Angebot wirkt sich auf das Mietpreisniveau einer Stadt oder Region aus - es dürfte also weiter nach oben gehen.