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Königliche Holzklasse

In Radebeul und Dresden wird einer der wertvollsten Eisenbahnwaggons Sachsens wieder aufgebaut.

Von Peter Redlich
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Tischlermeister Jan Gubisch fertigt die hölzernen Aufbauten für den Neuaufbau des Waggons K 1163 der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn in der Werkstatt im Lößnitzgrund.
Tischlermeister Jan Gubisch fertigt die hölzernen Aufbauten für den Neuaufbau des Waggons K 1163 der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn in der Werkstatt im Lößnitzgrund. © Peter Redlich

Radebeul/Dresden. Tischlermeister Jan Gubisch streicht liebevoll über die Streben aus Eichenholz. Stück für Stück setzt er sie auf einen Rahmen auf, bis es erkennbar wird – das Gerippe eines Eisenbahnwaggons. Auf den alten Fotos ist die Bezeichnung zu erkennen: K 1163. Das K steht für Kleinspur. So wurden bis 1940 Fahrzeuge bezeichnet, die für die Schmalspurbahn angefertigt worden waren. Dieser Waggon ist 1914 gebaut worden und für die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen gerollt.

Fahrzeuge dieser Art sind besonders wertvoll, weil es sie so gut wie nicht mehr gibt, sagt Rainer Fischer, Geschäftsführender Vorsitzender des Radebeuler Traditionsbahnvereins. Die Radebeuler haben noch einen solchen Waggon. Allerdings war der in einem jämmerlichen Zustand. Die Holzaufbauten verfault. Das Fahrgestell rostete. An vielen Stellen war die Verkleidung mit Blech zu DDR-Zeiten geflickt worden. Statt der traditionellen Ofenheizung im Innern war dem Wagen notdürftig eine Dampfleitung eingebaut worden.

Die Traditionsbahner haben sich entschieden, den Waggon wieder so herzurichten, wie er zu Zeiten von Sachsens letztem König Friedrich August III. durch die Lande fuhr. Der Monarch selbst ist wohl eher gepolstert auf Schienen unterwegs gewesen. Der K 1163 gehört nämlich zur damaligen 4. Klasse, im Volksmund als Holzklasse bezeichnet.

Der Waggon K 1163 der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn im alten Zustand.
Der Waggon K 1163 der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn im alten Zustand. © Traditionsbahnverein Radebeul
Die Messingbeschläge und ...
Die Messingbeschläge und ... © Peter Redlich
... die Notbremse bereits aufgearbeitet und für den Einbau bereit.
... die Notbremse bereits aufgearbeitet und für den Einbau bereit. © Peter Redlich

Und genau der richtige Mann für das Rekonstruieren solcher hölzernen Gestelle ist Meister Gubisch. Der Dresdner hat erst auf der Schiffswerft in Laubegast Steuerhäuser und Aufbauten für die berühmten Dresdner Dampfer gefertigt. Auch ein Straßenbahnwaggon aus Trachenberge ist unter seinen geschickten Händen wieder entstanden.

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich der Tischlermeister gerade mit solchen historischen, zumeist komplizierten Wiederaufbauten. „Genau das macht mir Freude“, sagt er. Alte Zeichnungen, mitunter auch nur Fotos dienen als Vorlage, um eben die Streben mit ihren Zapfen und Langlöchern so aufeinander anzupassen, dass sie am Ende den Rohbau, das Gerippe für einen Waggon ergeben.

In höchst aufwendiger Arbeit hat Traditionsbahnchef Rainer Fischer Zeichnungen für den Waggon zumeist im Maßstab 1:10 angefertigt. Nach ihnen sägt, fräst und bohrt Jan Gubisch die Einzelteile. Der zehn Meter lange Holzrahmen ist fertig, auch Stirn und Seitenrahmenhölzer. Die Dachspriegel – gebogen – muss er noch aussägen und schleifen. Allein die Seitenrahmen bestehen aus mindestens 120 Teilen.

Die Aufbauten aus Holz samt der folgenden Verkleidung, den Bänken und Fensterrahmen sind ein Teil des Königlich Sächsischen Eisenbahnwaggons. Damit das Ganze später rollen kann, musste auch das Fahrgestell aufgearbeitet werden. Das ist bereits im Frühjahr in einer Marienberger Werkstatt geschehen. Jetzt steht der rollbare Unterbau im ehemaligen E-Werk im Radebeuler Lößnitzgrund. Schwarz lackiert und frisch glänzend in der Halle im neuen Quartier der Traditionsbahner. An den Waggonenden sind bereits die Perrons angebracht, die Austritte zum Ein- und Aussteigen und für die Rauchpausen. Alles im Original.

In der Werkstatt der Traditionsbahner stehen die aufgearbeiteten Fensterrahmen parat. Messingbeschläge und Schlösser liegen poliert und ordentlich sortiert im Regal. Auch die Verkleidung für die Notbremse hat wieder ihre ursprüngliche Farbe. Uwe Schreiber, Angestellter beim Traditionsbahnverein, kümmert sich hier mit Hingabe um die Einzelteile. In einer Ecke der Halle stehen noch Reste vom ehemaligen Holzaufbau – im miserablen Zustand und so nicht mehr verwendbar. Jetzt warten alle auf den eigentlichen Aufbau aus der Tischlerwerkstatt.

Abschnitt für Abschnitt will Meister Gubisch die weiteren Aufbauten nach Radebeul liefern. Rainer Fischer hatte im Februar davon gesprochen, dass der Waggon zu Jahresende, spätestens im Frühjahr 2020 wieder rollen soll. Es wird wohl noch etwas mehr Zeit ins Land gehen, vermuten Gubisch und Fischer. Der Tischler baut an dem Waggon neben seiner eigentlichen Arbeit und die Denkmalschützer fordern, dass vom alten Waggon so viel wie möglich erhalten bleibt. Was viel Geduld und Zeit erfordert.

Rund 70.000 Euro sind für das Aufbauen der königlichen Holzklasse K 1163 geplant. Etwa die Hälfte des Geldes kommen aus dem Fördertopf des Kulturraumes. Die andere Hälfte muss der Verein aus eigenen Mitteln und mit Eigenleistung aufbringen. Fischer: „Unser Ziel ist es, dass der Waggon mit seinen 50 Plätzen Ende 2020 wieder auf der Schiene ist und rollt.“

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