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Kreis plant zweites Flüchtlingsheim

Vorbereitet wird eine Unterkunft für Minderjährige ohne Eltern. Der Neukircher Gemeinderat fordert eine gerechtere Flüchtlingsverteilung.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Nass

Neukirch. Neukirchs bereits praktizierte Willkommenskultur ist gefragt: Wie am Freitag bekannt wurde, soll hier kurzfristig eine zweite Flüchtlingsunterkunft eingerichtet werden. Der Landkreis bestätigte das auf Anfrage. Die Gemeinde hatte die Nachricht aus Bautzen am Dienstag erreicht.

Geplant ist ein Heim für minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern in Deutschland sind. Das Schullandheim soll dafür genutzt werden, sagte die Büroleiterin von Landrat Michael Harig, Franziska Snelinski auf Anfrage. Der Verein Schullandheime habe dem Landkreis dieses Objekt für die Unterbringung von 50 Asylbewerbern angeboten. Laut Landkreis wäre das die maximale Belegung. Womöglich bleibt diese aber auch darunter. Für das Schullandheim gelte Heimrecht, mithin seien strenge Unterbringungsvorschriften zu beachten. Möglicherweise lässt das nur eine Belegung mit weniger als 50 Flüchtlingen zu. Das sei noch zu prüfen, sagte Franziska Snelinski.

Eine ähnliche Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge ohne Eltern bereitet der Landkreis in Döberkitz bei Göda vor. Laut Landkreis wird hier wie in Neukirch vor allem mit Jungen gerechnet. Die Unterkünfte für Flüchtlinge ohne Eltern sollen ähnlich wie ein Kinderheim für deutsche Kinder betrieben werden. Damit seien sie nicht mit einem Asylbewerberheim vergleichbar, heißt es in Bautzen. Die Verantwortung liege beim Jugendamt des Landkreises Es erfolge eine Intensivbetreuung durch Sozialpädagogen und Erzieher mit einem Betreuungsschlüssel 1:3. Jeder minderjährige Flüchtling soll einen vom Gesetz bestellten Vormund erhalten, heißt es in Bautzen. Vorrangige Aufgabe werde es sein, die Eltern ausfindig zu machen, um die Familien zusammenzuführen.

Kritik an Europa und Landkreis

In Neukirch kursieren wegen der geplanten Unterkunft viele Gerüchte. Mit einem am Freitag vom Gemeinderat unterzeichneten offenen Brief soll dem entgegengewirkt werden. In dem an Ministerpräsident Tillich und Landrat Harig gerichteten Schreiben heißt es: „Zurzeit sind bereits 90 Personen im Asylbewerberheim ,Am Lehrlingswohnheim‘ untergebracht, und deshalb fordern wir, keine weiteren Asylbewerber und Flüchtlinge der Gemeinde Neukirch zuzuweisen.“ Der Gemeinderat fordert „eine gerechte Verteilung von Asylbewerbern und Flüchtlinge auf alle Städte und Gemeinden im Landkreis“. Dem Landkreis wird vorgeworfen, Flüchtlinge „offenbar willkürlich und ohne Konzept nur nach der bloßen Verfügbarkeit von Unterbringungsobjekten“ zu verteilen.

Das Flüchtlingsheim Neukirch ist Mitte des Jahres eröffnet worden. „Ausschreitungen, verbale Auseinandersetzungen oder gar Gewalt gibt es nicht, das soll auch so bleiben. Jede Form von Gewalt und Hetze wird entschieden abgelehnt“, heißt es im offenen Brief. Der Gemeinderat verweist auf die von Bürgern praktizierte Willkommenskultur, „jedoch sind dafür die Möglichkeiten eines kleinen Dorfes begrenzt“. Der Gemeinderat erklärt, „es gibt zahlreiche ungeklärte Belange“. So sei nach aktueller Rückfrage mit den niedergelassenen Ärzten eine ausreichende medizinische Versorgung der Asylbewerber nicht gewährleistet, „da es tägliche sprachliche Verständigungsschwierigkeiten gibt und Dolmetscher nicht vorhanden sind.“ Sporadisch erfolge per Telefon eine Übersetzung der Anliegen der Asylbewerber. Die Behandlung beanspruche ein Vielfaches an Zeit gegenüber anderen Patienten. „Kritik verdient die europäische und deutsche Asylpolitik ebenso wie die des Landkreises. Die Stimmung in unserer Gemeinde ist angespannt. Eine Eskalation möchten wir unbedingt verhindern.“