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Muss dieser Baum wirklich weg?

Eine Eiche in Kreischa soll einem Parkplatz weichen. Wilfrid Richter möchte das verhindern. Doch es gibt ein Problem.

Von Annett Heyse
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Wilfrid Richter möchte, dass die Eiche hinter ihm im Zuge des Pflegeheim-Neubaus in Kreischa erhalten bleibt.
Wilfrid Richter möchte, dass die Eiche hinter ihm im Zuge des Pflegeheim-Neubaus in Kreischa erhalten bleibt. © Karl-Ludwig Oberthür

Das Problem, um das es geht, steht gegenüber von Wilfrid Richters Haus. Hier, am Gartenweg/Ecke Mühlgraben in Kreischa, hat sich Richter vor Jahren einen kleinen Streifen Land gesichert. 96 Quadratmeter, er nutzt ihn als Parkplatz. Schade nur, dass das Grundstück nicht noch etwas breiter ist. Dann wäre das Problem, das Wilfrid Richter nun hat, keines. Dann wäre die Eiche sein Baum. Stattdessen droht die Fällung.

Die Eiche wächst nahe der Flurstücksgrenze auf dem Nachbargrundstück. Sie muss sich vor etwa 40 Jahren wild angesiedelt haben. Noch ist diese Eiche kein besonderer Baum. Etwa acht Meter hoch, den Stammdurchmesser gab ein Gutachter mit rund 20 Zentimetern an. 

Wilfrid Richter, der sich selbst als absoluten Naturfreund bezeichnet, hat die Eiche dennoch in sein Herz geschlossen. "Hier, mitten in Kreischa, ist doch nicht viel Grün. Ich liebe diesen Baum. Er ist gerade gewachsen, schön dicht und trägt selbst in diesem Hitzesommer jede Menge Eicheln." Wilfrid Richter zeigt auf die tief herabhängenden Äste, die tatsächlich voll beladen mit Früchten sind.     

Mit Wasser nachgeholfen

Dass die Eiche gut wächst, mag auch daran liegen, dass Nachbar Richter etwas nachhilft. Ist es lange trocken, legt er ab und zu einen Wasserschlauch an das untere Stammende. "Dann drehe ich den Hahn mal zehn Minuten auf. Es ist mir egal, was das kostet." 

Doch schon bald könnte der Baum gefällt werden. Das Grundstück in bester Lage mitten im Ort gehört einem Investor, der dort ein Wohn- und Pflegeheim errichten möchte. Geplant ist der Bau einer dreiteiligen Wohnanlage. Der Bereich für betreutes Wohnen soll insgesamt 72 Apartments unterschiedlicher Größe umfassen. 

Daneben sind eine Tagespflege mit 30 Plätzen und zwei Pflege-Wohngemeinschaften für jeweils zwölf Bewohner mit Demenz angedacht. Auch das Büro des Pflegedienstes Advita wird im Haus untergebracht sein. Zu jeder Wohnung gehört ein Balkon. Eine Tiefgarage mit 51 Stellplätzen vervollständigt das Projekt. Das Vorhaben wurde Anfang 2019 auf einer Einwohnerversammlung vorgestellt.

Seitdem ist nicht viel passiert, nur die Eiche legte einige Zentimeter zu. Doch bald könnte es ernst werden. Dort, wo der Baum wächst, soll ein zusätzlicher Parkplatz hin. Wilfrid Richter sieht ein, dass die Wohnanlage Parkplätze benötigt. "Aber kann man den Baum da nicht integrieren? Er wäre doch auch ein hervorragender Schattenspender", schlägt er vor. 

Parkplätze werden gebraucht

In der Gemeindeverwaltung kann man die Bitte des Anwohners durchaus nachvollziehen. Aber die Baupläne würden da keinen Spielraum lassen, sagt Bürgermeister Frank Schöning. "Neben der Eiche werden ja auch Birken, eine Weide und eine Linde gefällt." Der Platz für die Pkw-Stellfläche werde gebraucht. "Der Bauherr muss diese nachweisen, sonst bekommt er keine Baugenehmigung. Die Anzahl der Stellplätze errechnet sich nach Anzahl der Wohnungen, Betten und Personalstärke des Seniorenheims."

Bleibt die Eiche stehen, müsste man in ihrem Umkreis etwa zehn Meter Platz lassen, um den Wurzelbereich und damit die Standsicherheit nicht zu gefährden. "Dann fallen aber etliche Stellplätze weg und der Bauherr bekommt ein Problem", argumentiert Schöning.

Noch aber ist im Kreischaer Rathaus kein Fällantrag eingegangen. Schöning rechnet in den nächsten Wochen damit. Dann werde man sich die Situation noch einmal vor Ort anschauen und beurteilen, sagt der Bürgermeister.

Wilfrid Dittrich hat sich schon ein paar Argumente zurechtgelegt, um für den Baum zu kämpfen. Von einem Biologen hat er erfahren, dass der Baum als Sauerstoffproduzent einen biologischen Wert von umgerechnet 40.000 Euro hat. Als er kürzlich im Urlaub in Mecklenburg war und dort das bekannte Naturkundemuseum Müritzeum besuchte, ist er auf eine interessante Zahl gestoßen. "Eine 100-jährige Eiche produziert in zehn Minuten so viel Sauerstoff, wie zwölf Personen in dieser Zeit verbrauchen", erinnert er sich. Deshalb fordert er eine Chance für die Eiche.

Die Gemeinde wird in der Angelegenheit strikt nach Vorschriften verfahren. Diese schreiben vor, dass bei einer Fällung Ersatzbäume gepflanzt werden müssen. Die Pläne des Bauherren sehen vor, junge Bäume im hinteren Grundstücksbereich in Richtung Krippe zu setzen. Das ist allerdings weit weg von Wilfrids Richters Haus.

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