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Kroemers letzter Versuch

Er wollte Bürgermeister von Coswig und Diera-Zehren werden – konnte aber keine Wahl gewinnen. Jetzt tritt Bernhard Kroemer noch einmal an.

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© Norbert Millauer

Von Philipp Siebert

Bernhard Kroemer will es wissen. Einmal noch. Nicht wie zuletzt als Bürgermeisterkandidat. Das ist schon zweimal schief gegangen – im Jahr 2008 in Coswig und vor drei Jahren in Diera-Zehren. Der 61-Jährige will jetzt höher hinaus. Es zieht ihn in die Landespolitik. Auf der Liste der Freien Wähler stellt sich der Coswiger am 31. August bei der Landtagswahl der Abstimmung.

Wieso er jetzt den Schritt in die große Politik wagt? Kroemer hat dafür mehrere Antworten parat. Zunächst zählt er als Grund das Wahlprogramm der Freien Wähler auf: Er wolle mehr Geld für Bildung, einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr und vieles mehr. Dann überlegt er einen Moment, kratzt sich hinter dem rechten Ohr. „Gesetze werden im Landtag gemacht“, sagt er nüchtern. Im Coswiger Stadtrat, indem er seit 1990 sitzt, stößt er deswegen immer wieder an die Grenzen des Machbaren.

Als Beispiel nennt er den kommunalen Finanzausgleich. Staatsminister Georg Unland (CDU) hält Hunderttausende Euro pro Jahr als Sicherheiten für die Städte zurück – für Notfälle. Gerät eine Gemeinde in finanzielle Schieflage, wird das Geld ausgezahlt. Wirtschaftet sie gut, zahlt die Kommune trotzdem weiter in den Fonds ein. Für Kroemer ist das ein Unding: „So haben wir nicht nur eine Mutti in Berlin, sondern auch einen Vati in der Landeshauptstadt, der die Kommunen bevormundet.“

Er lacht kurz, bevor er ernst weiter erzählt. „Das Geld könnte in Coswig etwa in Schulen oder Kitas gesteckt werden.“ Wenn die Städte vorankommen wollten, müssten andere Gesetze her, meint der Coswiger. Das will er ändern. Deswegen will er nach Dresden.

Kroemer kramt kurz in seiner schwarzen Aktentasche und holt einen dicken Ordner hervor. Darin stapeln sich Listen und Papiere. Zahlen und Diagramme breitet er vor sich auf einem Tisch aus. Der Mann ist studierter Mathematiker. Er rechnet vor. „Nehmen wir die Fünf-Prozent-Hürde, macht dass sechs Sitze.“ Der Coswiger steht auf Platz sieben der Wahlliste der Freien Wähler. „Aber das würde für mich auch noch reichen.“ Kroemer rechnet mit mindestens einem Überhangsmandat.

Er studiert weiter die Liste. Siegessicher ist der Coswiger keineswegs. Großspurige Töne sind nicht seine Sache. Er weiß, dass die Konkurrenz unter den kleinen Parteien zu groß ist. Neben den Freien Wählern buhlen auch die Piraten und die Alternative für Deutschland um die Stimmen – vor allem um die der Protestwähler.

Dann rechnet er wieder vor: „Würde nur die Hälfte der Bürger, die bei der Kommunalwahl im Mai dieses Jahres den Parteilosen ihre Stimmen gegeben haben, jetzt auch für die Freien Wähler votieren, dann wären wir sicher drin.“ Auf städtischer Ebene war die Partei die zweitstärkste Kraft im Freistaat. Im Schnitt holte sie 23,8 Prozent der Stimmen – deutlich mehr als die Linke oder die SPD. „Wir müssen es schaffen, diese Wähler wieder an die Urne zu holen.“

Dass das nicht einfach wird, weiß der Coswiger. Er vermutet, dass die Wähler den Parteilosen auf Landesebene nicht genügend Know-how zumuten. Und er spricht von Politikverdrossenheit. Wie das zu ändern ist? Darauf hat der stämmige Mann keine Antwort.

Das ist aber nur ein Problem des Coswiger Landtagskandidaten. Der Wahlkreis, in dem Kroemer antritt, ist wohl der schwierigste in Sachsen für Kandidaten der kleinen Parteien. In Coswig, Radebeul und Moritzburg muss er sich gegen Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) und SPD-Chef Martin Dulig durchsetzen. Beide gehören zu den Vorzeigepolitikern ihrer Parteien. Dass es mit einem Direktmandat nichts wird, weiß Kroemer. Er ist durch und durch Realist. „Aber über die Liste kann ich es schaffen.“ Vor der Wahl aufgeben, kommt für den Mann mit der tiefen, brummigen Stimme nicht infrage. Es ist sein letzter Versuch, sagt er. Kroemer will es unbedingt schaffen, wird dafür Wahlkampf machen, Plakate hängen und Flyer verteilen.

Ob er in den Landtag einzieht oder nicht – an seiner Arbeit im Coswiger Stadtrat soll sich nichts ändern, kündigt Kroemer an. Schafft er es, will er lediglich den Fraktionsvorsitz bei der Bürgerliste abgeben. „Ansonsten mache ich in Coswig weiter.“ Seine Heimatstadt mitzugestalten, ist ihm mindestens so wichtig, wie in der großen Politik mitzureden.