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29.500 Menschen sollen in Kurzarbeit

Die Arbeitsagentur verzeichnet zudem einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. In einem Bereich steigt aber die Nachfrage nach Fachkräften.

Von Gunnar Klehm
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Hinter verschlossenen Türen wird derzeit in der Arbeitsagentur wie hier in Pirna intensiv an der Bewältigung der Krise gearbeitet.
Hinter verschlossenen Türen wird derzeit in der Arbeitsagentur wie hier in Pirna intensiv an der Bewältigung der Krise gearbeitet. © Daniel Schäfer

Mit Spannung wurden die aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur Pirna für den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge erwartet. Erstmals spiegelten sie einen Teil der Auswirkungen der Corona-Maßnahmen wieder. "Viele Bereiche der lokalen Wirtschaft fahren auf Sparflamme oder sind ganz zum Stillstand gekommen, wie beispielsweise unser Tourismus und Gastronomie-Bereich. Hier hätten im April normalerweise wieder viele Menschen eine Arbeit begonnen", erklärt die Chefin der Arbeitsagentur Pirna, Gerlinde Hildebrand.

Am Donnerstag, dem 30. April, wurden die aktuellen Zahlen mit Stand von Mitte April veröffentlicht. Denen zufolge sind im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 6.393 Frauen und Männer arbeitslos gemeldet, 489 mehr als einen Monat zuvor. Im Vergleich zum Vorjahr gab es 523 Arbeitslose mehr im Landkreis. Die Quote stieg von 4,6 auf aktuell 5,0 Prozent der Erwerbstätigen.

Hier gibt es allerdings einen erheblichen Unterschied zwischen den Personengruppen. Im Vergleich zum April 2019 ist die Zahl der arbeitslosen Männer um 6,9 Prozent gestiegen, die der Frauen dagegen um zwölf Prozent. Das kann daran liegen, dass die Baubranche, in der der Männeranteil viel größer ist, bis jetzt ganz gut durch die Corona-Krise gekommen ist. Dagegen liegt der Bereich Tourismus so gut wie brach. Überhaupt sind im gebeutelten Dienstleistungssektor viele Frauen beschäftigt.

Tausende Anträge auf Kurzarbeit

Aus nahezu allen Branchen des Landkreises haben Betriebe in den letzten Wochen in noch nie dagewesener Größenordnung Kurzarbeit angemeldet. "Aber das ist auch gut so, denn dieses Mittel soll, wo immer es möglich ist, Arbeitsplätze erhalten, Arbeitslosigkeit verhindern und Fachkräfte in den Unternehmen für die Zeit nach Corona sichern", erklärt Hildebrand. 

Die Zahl der Betriebe, die vorsorglich Kurzarbeit angemeldet haben, ist mit rund 2.800 enorm. Das sind rund 43 Prozent aller rund 6.700 Betriebe im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Es wurde im März und April für 29.446 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. 

Wie viele Menschen aber tatsächlich in Kurzarbeit geschickt wurden, steht erst später fest. Das liegt am Verfahren. Betriebe müssen das Kurzarbeitergeld vorstrecken. Es beträgt 60 Prozent des Arbeitslohnes beziehungsweise 67 Prozent bei Personen mit Kindern. Innerhalb von drei Monaten können die Unternehmen das Geld mit genauen Abrechnungen von der Arbeitsagentur einfordern. Demnach dürfte es erst im Juni oder Juli Klarheit darüber geben, wie viel Kurzarbeit tatsächlich gefahren wurde.

"Sicher ist aber, es sind wohl mehr als je zuvor“, erklärt Hildebrand. Die Arbeitsagentur geht davon aus, dass die Zahlen aus der Finanzkrise oder den Hochwasserkatastrophen überschritten werden könnte. Die genaue Zahl ist aber noch unklar.

Nachfrage bei systemrelevanten Jobs

Es gibt aber auch hoffnungsvolle Zahlen, wenn man zum Beispiel alle Personen ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung betrachtet, die sogenannten Unterbeschäftigten. Dabei kommen zu den arbeitslos Gemeldeten beispielsweise noch die Personen hinzu, die sich gegenwärtig in einer Qualifizierungsmaßnahme befinden. Rechnet man beide Gruppen zusammen, liegt die Zahl der Unterbeschäftigung aktuell immer noch unter der vom April 2019. 

Das liegt daran, dass es jetzt zwar mehr Arbeitslose gibt, aber auch viel weniger Personen in Qualifizierungen oder Fördermaßnahmen stecken. Unter dem Strich fällt die Unterbeschäftigung jetzt sogar um 37 Personen geringer aus. 

Diese gegenläufige Entwicklung könnte damit zusammenhängen, dass die Organisation von Qualifizierungsmaßnahmen derzeit bei der Arbeitsagentur keine Priorität hat. Das Hauptaugenmerk liegt seit fünf Wochen darauf, die Leistungsgewährung zu sichern. "Die Corona-Krise wirft uns von heute auf morgen um ein Jahr zurück", erklärt Hildebrand.

Die Zahl der gemeldeten freien Stellen liegt etwa auf Vorjahresniveau. Zuwachs an Arbeitsstellen verzeichnen sogar neben dem großen Bereich der Produktion und Fertigung insbesondere systemrelevante Branchen. Dazu gehören etwa Gesundheit und Pflege oder Logistik, Schutz und Sicherheit aber auch öffentliche Verwaltung.

Robuster Arbeitsmarkt in Region Freital

Im Vergleich der Geschäftsstellen der Arbeitsagentur im Landkreis steht die in Dippoldiswalde mit der sehr niedrigen Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent weiterhin am besten da. Die anderen Quoten: Sebnitz 5,7 %, Pirna 5,6 %, Freital 4,7 %.

In der Freitaler Region zeigt sich der Arbeitsmarkt in der aktuellen Krise besonders robust. Hier ist der Anstieg sowohl gegenüber dem Monat März (+0,3 %) als auch im Vergleich zum Vorjahr (+ 6 %) am geringsten. Das könnte daran liegen, dass zum einen der schwer getroffene Bereich Tourismus hier nicht so eine große Bedeutung hat wie in den anderen drei Regionen. Zum anderen ist es aber auch ein Zeichen, dass Industriebetriebe wie das Stahlwerk Freital oder die Unternehmen in den Wilsdruffer Gewerbegebieten die Probleme bisher ganz gut abfedern konnten.

Den höchsten Anstieg gegenüber dem Vorjahr verzeichnet mit mehr als zwölf Prozent Arbeitslosigkeit Dippoldiswalde. Nimmt man den Vormonat zum Vergleich, wurde in Sebnitz der größte Anstieg bei der Arbeitslosigkeit registriert.

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