SZ +
Merken

Landwirte brauchen weiter Hilfe

Die Genossenschaft in See profitiert zwar von den höheren Milchpreisen. Aber ausreichend sind diese noch lange nicht.

Teilen
Folgen
NEU!
© André Schulze

Von Katja Schlenker

See. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. So fasst Reinhard Keller von der Agrargenossenschaft See die Situation der Milchbauern zusammen. Seit einem halben Jahr erhält er 30,5 Cent pro Kilo Milch. Ein Liter Milch entspricht 1,02 Kilogramm. Im Gegensatz zum Vorjahr ist der Preis etwa vier Cent höher. Dafür haben Landwirte lange und ausdauernd gekämpft. Dennoch: „Das ist nach wie vor kein richtiger Preis“, sagt der Vorstandsvorsitzende. 40 Cent pro Liter sollten es mindestens sein, um davon leben zu können. Ab 35 Cent aufwärts könne man beruhigt einschlafen sagt Stefan Förster von der Agrarprodukt Rothenburg. Ein höherer Preis im 40-Cent-Bereich sei noch besser.

Das Schwierige an den Milchlieferungen ist, dass die Landwirte den ganzen Monat über Milch an die Molkerei liefern, aber erst am Ende das Ergebnis auf dem Konto sehen. In den Verträgen ist oft nur geregelt, dass die Milch abgenommen wird und der in Sachsen übliche Durchschnittspreis dafür gezahlt wird. Konkret zu kalkulieren, ist in so einer Situation schwierig. Etwa 250 Milchkühe stehen im Stall der Agrargenossenschaft See. In Rothenburg sind es sogar 430 Tiere, die 10000 Liter Milch pro Tag geben. Das entspricht ungefähr 83 gefüllten Badewannen.

Trotzdem können beide Betriebe nur überleben, weil sie nebenbei noch Ackerbau betreiben. „Wenn wir reine Milchproduktion hätten, hätten wir schon aufgeben müssen“, sagt Reinhard Keller. „Weil sich das überhaupt nicht tragen würde.“ Auch Stefan Förster spricht von Quersubventionierung über den Ackerbau und die Biogasanlage. Eventuell soll der Milchpreis ab Mai auf 32 Cent pro Liter ansteigen, sagt er. Das habe die Molkerei zumindest angedeutet.

Bei Müller-Milch in Leppersdorf erhalten Landwirte sogar 33,5 Cent pro Kilo Milch, sagt Geschäftsführer Rainer Peter vom Bauernverband Oberlausitz. Am Donnerstag hat er die Zahlen ganz neu erhalten. Ideal sind ein Fettgehalt von vier Prozent und ein Eiweißgehalt von 3,4 Prozent. Wer besonders gute Qualität liefert, erhält eventuell zwei Cent pro Kilo obendrauf. Im Idealfall könnten Milchbauern also die 35 Cent erhalten, welche das Halten und Melken der Kühe lohnenswert machen.

In den vergangenen Monaten seien die Molkereien durchaus auch unter Druck geraten, erklärt Rainer Peter, weil etwa vier Prozent weniger Milch abgegeben worden sind. Dennoch bleiben Verluste von bis zu 1000 Euro pro Kuh und Jahr aus der Vergangenheit. Das Problem ist das Preisdrücken in Deutschland. Große Supermarktketten, die bundesweit tätig sind, wollen ihre Produkte möglichst günstig an Kunden verkaufen. Regionale Molkereien können dagegen wenig ausrichten. Wenn sie niedrigere Preise von den Supermarktketten diktiert bekommen, müssen sie diese schlucken und geben sie weiter an die Landwirte. Diese haben dann jedoch niemanden mehr, an den sie die niedrigeren Preise abgeben können.

Folglich können Milchbauern im Gegensatz zu den Molkereien ihre verlorenen Einnahmen überhaupt nicht kompensieren. Ausrichten können Milchbauern und Molkereien aber auch wenig gegen die niedrigen Preise, weil große Supermarktketten ihre Ware auch einfach aus dem Ausland importieren können. Dort herrschen jedoch mitunter andere Standards, was zum Beispiel Produktion und Inhaltsstoffe angeht. Insofern ist auch ein Umdenken in der Bevölkerung nötig und ein Bewusstsein dafür, dass Lebensmittel auch einen bestimmten Preis haben müssen.

Dass die Situation für Milchbauern sich zunächst verbessert hat, bestätigt Sprecher Frank Meyer vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft. Seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres seien wieder steigende Erzeugerpreise zu verzeichnen. Von Dezember 2016 bis April 2017 bewegen diese sich auf etwa dem gleichen Niveau. Aber: „Um nachhaltig wirtschaftlich Milch zu produzieren, müssten nach Kalkulation unseres Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Milcherzeuger durchschnittlich 34 bis 36 Cent je Kilogramm erzielen“, erklärt er. Dieser Wert wird aktuell noch nicht überall erreicht.

Nach einem im Auftrag des Deutschen Bauernverbandes, des Fachverbandes Landtechnik beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sowie der Landwirtschaftlichen Rentenbank vierteljährlich erstellten Konjunktur- und lnvestitionsbarometers Agrar ist die aktuelle wirtschaftliche Lage in allen Betriebsformen im März 2017 besser als im Dezember 2016 eingeschätzt worden, erklärt Frank Meyer. Und bestätigt ebenfalls, dass weitere Steigerungen beim Milchpreis erwartet werden. Diese sind jedoch davon abhängig, wie sich der Markt entwickelt. „Nach vorliegenden Informationen hatten mehrere Molkereien für Mai Erhöhungen angekündigt“, sagt der Sprecher.

Zudem hat es seitens der Europäischen Union finanzielle Mittel gegeben. Im September 2015 hat es ein erstes Hilfspaket über 500 Millionen Euro gegeben. Deutschland hat davon 69,2 Millionen Euro erhalten. „Diese Mittel wurden über ein Liquiditätshilfeprogramm, das mit einer Darlehensaufnahme verbunden war, an rund 9000 Milcherzeuger und Schweinehalter in Deutschland ausgereicht“, erklärt Sprecher Frank Meyer.

Im Juli 2016 ist ein zweites Hilfspaket gefolgt, um die Agrarmärkte zu stabilisieren. Davon sind 150 Millionen Euro bereitgestellt worden, damit Landwirte freiwillig ihre Milchanlieferungen verringern. Sie bekommen eine Prämie von 14 Cent pro Kilo für eine Produktionsverringerung in einem bestimmten Zeitraum gezahlt. Dieses Programm ist seit Februar abgeschlossen. In Sachsen sind dabei 167 Anträge über 13579074 Kilo Milch und einer Beihilfe von rund 1,86 Euro bewilligt worden.

Außerdem sind in Deutschland knapp 116 Millionen Euro dafür eingesetzt worden, um eine Beihilfe von mindestens 0,36 Cent pro Kilo Jahresmilchlieferung von Dezember 2015 bis November 2016 zu gewähren, wenn die Milchanlieferung zwischen dem Beibehaltungs- und dem Bezugszeitraum – also vom 1. Februar bis 30. April, verglichen mit der Vorjahresperiode – nicht erhöht wird.

Wenn ein Preis von 69 Cent für einen Liter Trinkmilch zugrunde liegt, gliedert sich dieser etwa wie folgt:

  • 29,6 Cent: Preis für Landwirt ab Hof für Rohmilch.
  • 8,6 Cent: Handelsspanne.
  • 8,5 Cent: Kartonverpackung.
  • 8,3 Cent: Produktionskosten Molkerei.
  • 4,3 Cent: Mehrwertsteuer.
  • 2,2 Cent: Lagerung/Logistik.
  • 1,6 Cent: Grüner Punkt.
  • 1,4 Cent: Transport zur Molkerei.
  • 0,5 Cent: Verwaltung/Molkereimarge.