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Langebrücks letzter Hausarzt

Klaus Lorenzen liebt seinen Beruf. Trotzdem stößt er allmählich an seine Grenzen – wie viele Hausärzte im Freistaat.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Kirsten

Er arbeitet Tag und Nacht für die Gesundheit seiner Patienten. Klaus Lorenzen ist seit mehr als 20 Jahren Hausarzt. Der 52-Jährige ist bei jedem Übel die erste Anlaufstelle, egal ob es sich dabei um einen kleinen Schnupfen, eine Fleischwunde oder einen schweren Infekt handelt. In Langebrück ist er der letzte verbliebene Hausarzt, nachdem sein Kollege vorübergehend nach Klotzsche abgewandert ist, weil er keinen Ersatz für die gekündigte Praxis fand. „Zu zweit, das hat gepasst mit der Aufteilung der Patienten. Wir haben uns gut reingeteilt“, sagt Lorenzen. Nach dem Weggang seines Kollegen wird nun mehr Arbeit auf Lorenzen zukommen.

Seit 2002 praktiziert er in Langebrück, das knapp 4 300 Einwohner hat. Zuvor war er zwölf Jahre in Weixdorf niedergelassen. Wie viele Hausärzte stößt auch er langsam an seine Belastungsgrenzen und wird damit vor neue Herausforderungen in seinem Alltag als Allgemeinmediziner gestellt. Die Patienten werden älter, gleichzeitig nimmt die Zahl der Einwohner in den ländlichen Regionen ab. Auf Entlastung hoffen viele Hausärzte aber vergeblich. Allein in der Provinz sind etwa 240 Stellen unbesetzt. Der demografische Wandel wird das Problem verschärfen. 25 Prozent der Hausärzte sind heute 60 Jahre und älter. „Offene Stellen bestehen nicht nur auf dem Land, sondern auch in den kreisfreien Städten Chemnitz, Dresden sowie in großen Kreisstädten“, sagt Ingo Mohn, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Sachsen.

100 Patienten am Tag

Fast 100 Patienten versorgt Klaus Lorenzen täglich, der Tag beginnt um sieben Uhr morgens. Am Nachmittag ist der Mediziner auf Hausbesuchen unterwegs, zweimal wöchentlich bietet er eine Abendsprechstunde an. Dazu regelmäßig Zwölf-Stunden-Bereitschaftsdienste. Weil auch seine Patienten immer älter werden, hat Lorenzen jüngst einen Außenfahrstuhl anbauen lassen und die angemieteten Praxisräume vergrößert. Sogar kleinere Operationen kann er hier jetzt durchführen.

Trotz der alltäglichen Belastung hat der Langebrücker Arzt genau die richtige Entscheidung getroffen, als er sich in seinem Studium auf die Allgemeinmedizin spezialisierte. „Unser Fach ist keineswegs langweilig, sondern sehr breit gefächert. Oft müssen wir schnell entscheiden, was im nächsten Schritt zu tun ist. Jeder Kranke geht zuerst zu seinem Hausarzt“, sagt Lorenzen. Viele Studenten hatten über Jahre genau die gegenteilige Vorstellung eines Allgemeinmediziners. Auch deshalb wollte in der Vergangenheit kaum jemand als Arzt auf dem Land arbeiten.

Image muss besser werden

Derzeit laborieren KV Sachsen, Krankenkassen und das Sozialministerium am Ruf des Hausarztes. Mittlerweile ist die Allgemeinmedizin an den Medizinischen Fakultäten des Freistaates verankert. „An der Verbesserung des Images des Hausarztes muss unbedingt gearbeitet werden“, gesteht KV-Sprecher Mohn. Um die Attraktivität zu steigern, soll die Allgemeinmedizin künftig noch besser in den Studienlehrplan eingebunden werden. Zudem gibt es verschiedene finanzielle Förderprogramme, um mehr Studenten nach ihrem Abschluss aufs Land zu locken. Über Praktika in Hausarztpraxen sollen sie erfahren, dass ein Allgemeinmediziner mehr ist als ein „Husten-Schnupfen-Doktor“, sagt Ingo Mohn.

Auch Klaus Lorenzen hat regelmäßig Hospitanten in seiner Praxis. „Ich finde es sehr inspirierend, mich mit jungen künftigen Kollegen über Fachliches austauschen zu können“, sagt der gebürtige Hamburger. Den Studenten möchte er vor allem die Vielseitigkeit seines Berufes vermitteln. Viele Familien betreut er generationsübergreifend. Von der Geburt bis zum Tod. „Unser Beruf ist nicht immer leicht. Gerade, wenn man einen Patienten verliert, den man über Jahre versorgt hat, zu dem man eine Beziehung aufgebaut hat“, sagt Klaus Lorenzen. „Das geht auch mir sehr nah.“