Von Dr. Klaus Menzel
Gut sechzig Jahre nach seinem Tod erhält er nun auch ein filmisches Denkmal: Professor Karl Söhle, einer der bekanntesten deutschen Musikkritiker des 20. Jahrhunderts. Gedreht wurde dabei auch in Liegau-Augustusbad, wo Söhle 1947 im Altersheim Luisenhof starb. Und so war ein Autoren- und Filmteam der Medienwerkstatt Isenhagener Land aus Hankensbüttel in der Lüneburger Heide in Liegau; Söhle war am 1. März 1861 in Uelzen geboren und wuchs in Hankensbüttel auf. Und so erarbeiten derzeit Dr. Günter Brünning und Pfarrer a.D. Joachim Lücke aus Söhles Heimat nun einen Dokumentar- und Spielfilm über Hankenbüttels berühmtesten Sohn.
Geboren in der Heide
Karl Söhles Vater Carl Söhle war Finanz- und Kassenverwalter am Königlichen Amt Isenhagen. Vom Vater erhielt der Sohn Karl kontinuierlichen Biologieunterricht bei den gemeinsamen Streifzügen durch Moor und Heide. Die Tonwelt dieser Landschaft wurde schon damals unbemerkt prägend zur Musik in den Ohren des jungen Söhle. Die Lust zum Fabulieren und die romantisch gefärbte Frohnatur hat er wohl von seiner Mutter Catharine geerbt, die aus einer französischen Emigrantenadelsfamilie stammte. „Ich habe meinen Eltern das Leben schwer gemacht, muss ich zu meiner Schande gestehen“, schrieb Söhle später. Und: „Statt folgsam und fleißig in die Schule zu gehen, strich ich lieber in Moor und Heide umher und beobachtete die Tiere, daher meine starke Tierliebe.“
Mit 14 Jahren besuchte Karl eine seiner älteren Schwestern in Nordhausen. Dort hörte er zum ersten Mal ein größeres Konzert. Danach postulierte er: „Musikant will ich werden! Musikant, sonst nichts!“ Er begann autodidaktisch und planlos, aber mit Feuereifer Violine, Klavier, Orgel, Flöte und zuletzt auch Violoncello zu üben. Die Familie war entsetzt und hielt die Musik für eine brotlose Kunst. Ungeachtet dessen musizierte er mit seinen Freunden, sie spielten Stücke von Haydn, Mozart und Beethoven – oft zum Ärger der Nachbarn und zum Nachteil der Schulbildung.
„Nach verschiedenen Versuchen, Kultur in mich hineinzubringen, wurde über mich beschlossen, ich sollte Lehrer werden“, beschreibt Karl Söhle seinen weiteren Lebensweg. Er absolvierte, wenn auch mit Mühe, das Lehrerseminar in Wunstorf. Vier Jahre wird er mit innerer Qual Dorfschullehrer in Ochtmannien bei Syke und zuletzt bis 1885 in Wittingen.
Mit 24 Jahren findet Karl Söhle in Franz Tölpel (1849 bis 1925), der Richter im Amtsgericht Isenhagen ist, einen musikalisch fanatisch engagierten Freund und Gönner. Franz Tölpel wohnte bis zu seinem Tod 1925 als Junggeselle im Martens´schen Haus Nr. 26 in Hankensbüttel. Das Haus erwarb 1878 der Maler Georg Martens, es wurde unter Tölpel zum musikalischen Mittelpunkt Hankensbüttels. In diesem „Musentempel am Oldenberg“ wurde oft bis in die Morgenstunden Kammermusik gespielt. Karl Söhle war, so oft es seine Lehrtätigkeit erlaubte, im Streichquartett dabei. Tölpel ermöglicht Karl Söhle das Musikstudium am Konservatorium in Dresden. Doch Söhle muss das Studium aufgeben; „die Gönnerschaft reichte nicht aus“, schreibt er später – finanzielle Unzulänglichkeit und eine Sehnenscheidenentzündung seiner Griffhand lassen ihn scheitern. Er gesteht dies auch ein. Dieses Eingeständnis seines Misserfolges als Dorfschullehrer und Musikant macht Söhle als Mensch und Künstler so sympathisch.
Das „doppelte Unglück“ hatte für die interessierte Nachwelt allerdings den großen Vorteil, dass er sich nun ganz der Musikkritik und der schriftstellerischen Arbeit zuwenden konnte. Der Gedanke, einmal Erlebtes dichterisch zu verwerten, war schon in der Zeit des Dorfschullehrerseins aufgekommen. Jetzt ebnete ihm sein Freund Ferdinand Avenarius den Weg zum Schriftsteller. In Dresden wurde Söhle sesshaft und fand hier sein wahres Glück: Er erwarb sich weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Anerkennung als Musikkenner, Musikkritiker und vor allem als Schriftsteller. Er erwarb 1917 die Würde eines Musikprofessors. Und in Dresden fand er die große Liebe seines Lebens: Maria Berge, eine bekannte Brahms-Sängerin. Sie starb 1933.
Umzug ins Rödertal
Am Ende des Zweiten Weltkrieges war Söhle ausgebombt, litt Hunger und zunehmend auch an Altersbeschwerden. Als im September 1947 seine langjährige Betreuerin Elisabeth Penkert erkrankte, wurde Karl Söhle für zunächst vier Wochen im Altersheim Luisenhof des Liegauer Augustusbades aufgenommen. Hier fühlte er sich in waldreicher Umgebung geborgen und bat um Daueraufnahme. Sein Wunsch konnte erfüllt werden. Doch weniger später, am 13. Dezember 1947 starb er in Liegau.
Karl Söhle ist heute in Dresden und Umgebung fast vergessen. Gedenktafeln sollten deshalb zum Beispiel an seiner Dresdner Wohnung in der Helmholtzstraße 3B und auch am Luisenhof in Liegau-Augustusbad angebracht werden. Auch eine Straße oder ein Platz könnte seinen Namen bekommen; zudem sollte sein Werk einen Nachdruck erfahren.
Der Autor Dr. Klaus Menzel aus Liegau-Augustusbad ist Mitglied im Heimatverein des Ortsteils.