Ein Luchs streift umher

Viele dachten schon, der Luchs wäre aus dem Nationalpark Sächsische Schweiz verschwunden. Doch jetzt wurde der TU Dresden, die sich seit 2008 wissenschaftlich dem Luchs-Monitoring in Sachsen verschrieben hat, ein Foto einer Spur zugesandt. Achim Schreiber aus Sebnitz hatte sie im Januar in der Hinteren Sächsischen Schweiz bei Saupsdorf entdeckt. Die Fachleute gehen zwar davon aus, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit eine Spur, ein sogenanntes Trittsiegel, eines Luchses ist. Als gesichert gilt das aber nicht. Es wird nun lediglich als unbestätigter Hinweis mit der Kategorie C 3 in der Statistik erfasst. Mit C 2 werden „bestätigte Hinweise“ bezeichnet. Dazu müssen verschiedene Rahmenbedingungen erfüllt sein. Erst recht für die höchste Kategorie C 1, was „eindeutige Hinweise“ bedeutet. Das wären beispielsweise Fotos aus Fotofallen.
Achim Schreiber ist ein erfahrener Jäger und kennt sich mit Spuren aus. Der 68-Jährige hatte während seiner früheren beruflichen Tätigkeit in der Nationalparkverwaltung auch mal eine Exkursion in den Bayerischen Wald, wo die Erkennung von Luchsspuren geschult wurde. „Der Luchs kommt öfter in der Sächsischen Schweiz vorbei“, sagt Schreiber. Vor einigen Jahren hatte er auch mal eine Spur nahe des Kuhstalls entdeckt. Allerdings nicht in der Hochsaison des Tourismus. Da ziehen sich Luchse in ruhigere Gegenden zurück. An sich wäre die Felslandschaft aber ein fast perfekter Lebensraum. „Wenn ich vom Luchs berichte, sage ich immer, er ist hier ein ständiger Gast“, erzählt Schreiber.
Einen „eindeutigen Hinweis“ hat er selbst zwar noch nicht dokumentieren können. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hatte es solche aber schon gegeben, zuletzt im Winter 2013/14 bei Altenberg. „Im November 2013 lief ein Luchs in eine Fotofalle eines Jägers“, sagt Dr. Jana Zschille von der Professur für Forstzoologie der TU Dresden. Die ist im Auftrag des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie für das Luchs-Monitoring in Sachsen zuständig. Es war der zweite C 1-Hinweis im Landkreis seit 2008.
Den ersten gab es 2011. Da lief ein Luchs an der Grenze zwischen Sächsischem und Böhmischem Nationalpark in eine Fotofalle. In jenem Winter entdeckte auch Uli Augst eine Spur im Schnee im hinteren Kirnitzschtal. „Das war richtig Klasse, das war ein schöner Tag“, sagt der Mitarbeiter für Artenschutz in der Nationalparkverwaltung rückblickend. Augst war mit einem Kollegen mit einem Auto im Wald unterwegs und im tiefen Schnee steckengeblieben. Als er ausstieg, um zu gucken, wie man den Wagen wieder befreien könnte, sah er die Spur. Sie war noch relativ frisch und schnell war klar, dass sie von einem Luchs stammen musste.
Es leben viele geschützte Arten im Nationalpark. Der Nachweis eines Luchses ist für Augst aber immer noch etwas ganz Besonderes. „Ich habe hier sogar mal einen gesehen“, sagt er. Das war allerdings schon 1994. Das Tier kann heute nicht mehr leben. Im Freiland wird ein Eurasischer Luchs etwa 15 Jahre alt, in Gefangenschaft kann er noch zehn Jahre älter werden.
Schon einmal Trubel mit Luchsen
Mit dem aktuellen Foto von Achim Schreiber, das allerdings nicht für einen Abdruck in der Zeitung taugt, bleibt die Frage, ob sich ein Tier angesiedelt hat oder wie so oft nur auf Durchreise war. Luchse sind Einzelgänger mit festen Territorien, in denen kein anderes Tier gleichen Geschlechts toleriert wird. Die Antwort liefert Jana Zschille. Die Wissenschaftlerin geht davon aus, dass ein Tier die Sächsische Schweiz nur durchstreift hat, weil es in jüngster Zeit aus dieser Region keine weiteren Hin- oder Nachweise gab.
Das nächstgelegene feste Luchsterritorium ist am Rabenberg im Westerzgebirge bekannt. Es ist gleichzeitig das einzige in Sachsen. Dort lebt ein männliches Tier. Das wurde erstmals 2013 nachgewiesen.
Auf dem Foto könnte es der Luchs gewesen sein, der am 5. Februar 2018 nördlich von Hoyerswerda in eine Fotofalle gelaufen war. Das Tier stammt aus dem Harz. Das war an einer Ohrmarke erkennbar. Im Harz wurden in den Jahren 2000 bis 2006 insgesamt 24 Luchse ausgewildert, die zuvor in Gehegen aufgewachsen waren. Für die Wissenschaftler war der Weg dieses Tieres eine wichtige Erkenntnis. Im Harz gibt es inzwischen auch Nachweise von Jungtieren und damit von der Reproduktion. Das gibt es in Deutschland noch in Ostbayern und im Pfälzer Wald sowie im tschechischen Riesengebirge. Dass sich ein Tier dauerhaft im Nationalpark Sächsische Schweiz ansiedelt, gilt als unwahrscheinlich. Dazu ist in der Wander- und Klettersaison einfach zu viel Trubel. Ob das aber tatsächlich abschreckt, ist nicht erwiesen.
Trubel verursachten zwei Luchse schon einmal selbst, nachdem sie aus dem Gehege in Bad Schandau getürmt waren. Das befindet sich am oberen Ausstieg des historischen Personenaufzugs nach Ostrau. 2010 war Luchsin Cindy über einen abgebrochenen Ast ausgebüxt und wurde nie wieder gesehen. Vier Jahre später grub sich Alphons – die männlichen Tiere werden Kuder genannt – unter dem Zaun hindurch ins Freie. Tagelang wurde er gesucht, nachdem es immer wieder mal Hinweise gab, dass ihn jemand gesehen hatte. Schließlich wurde er in einem Ziegengehege im nahen Ortsteil Ostrau erwischt. Ein Tierarzt hatte ihn mit einem Pfeil betäubt, eingefangen und zurück ins Gehege gebracht. Alphons ist inzwischen 14 Jahre alt. Abgetrennt in einem zweiten Gehege lebt seine Tochter Cinderella.
Drei weitere Luchse leben in einem Gehege im Wildpark Osterzgebirge bei Geising. Es sind zwei Elterntiere mit weiblichem Nachwuchs. „Der Kuder ist jetzt kastriert“, sagt Parkleiter Frank Gössel. Es wurde immer schwerer, Abnehmer für den zahlreichen Nachwuchs zu finden.

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