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„Manchmal brauche ich einen Sturz“

Heinz Zak will 240 Meter über der Elbe balancieren. Im SZ-Interview erzählt er, was ihn an der Lebensgefahr reizt.

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© Heinz Zak

Königstein. Der Österreicher Heinz Zak liebt es, über Abgründe zu spazieren. Was andere Menschen panisch fürchten, ist für den 58 Jahre alten Slacklinepionier ein Moment intensiver Lebensfreude. Im Vorfeld seines neuen Hochseil-Balanceakts zum Erlebnis-Wochenende „Festung Aktiv“ am 6. und 7. August auf der Festung Königstein spricht der Bergsportler mit der SZ über die Furcht vor dem Abgrund, die Risiken des Sports – und den Wert des Lebens.

Herr Zak, Ihre Seilabenteuer überm Elbtal sind irgendwie zum Markenzeichen der Outdoortage auf der Festung Königstein geworden. Können einem Abgründe mit der Zeit vertraut werden?

Eigentlich nicht. Die Festung ist für mich schon eine Herausforderung, weil ich weiß, dass ich die Leine dort nicht einfach so problemlos laufen kann. Es ist eben sehr tief, man schaut 240 Meter runter auf die Elbe. Und natürlich ist es auch spannend, zu erleben, dass das Publikum da ist und etwas sehen will – und man die eigene Leistung auf Kommando abrufen muss.

Irritiert Sie das?

Nein. Sobald ich auf der Leine stehe, sind die Leute sehr ruhig. Alle fiebern dann mit mir mit, dass ich da rüber komme. Das ist ja auch eine tolle Geschichte: Die Zuschauer sind ja nur wenige Meter vom Geschehen entfernt und schauen auf einen, der da draußen durch die Luft balanciert.

Woran denken Sie, wenn Sie den ersten Schritt in die Luft raus machen?

An gar nichts. Da konzentriere ich mich einzig und allein auf den Punkt, wo ich hingehe. Ich lasse mir Zeit, bis ich innerlich bereit dafür bin – das kann schon mal eine Minute dauern. Aber wenn ich dann loslaufe, hab ich keinen Platz mehr für andere Gedanken, dann sehe ich nur noch das Ziel, wo ich hin will.

Und das wäre?

Ich brauche immer einen Fixpunkt am Ende der Leine, auf den ich mich konzentrieren kann – möglichst irgendetwas Helles: zum Beispiel ein Stück Silberpapier oder eine helle Jacke. So einen Punkt verliert man nicht so leicht aus den Augen. Gäbe es hingegen nur die Leine, die da herumschaukelt, würde mich die Bewegung stören.

Was ist, wenn Ihnen schwindelig wird? Kann man den Sturz dann noch irgendwie verhindern – oder zumindest kontrollieren?

Ich versuche, mich mit den Knien oder Händen an der Leine zu fangen. Das tut zwar weh und ist ein ziemlicher Schock für Körper und Muskulatur – aber manchmal brauche ich so einen Sturz auch, um die Nervosität oder einen Rest Angst vor dieser wahnsinnigen Höhe zu verlieren. Das ist schon ein Thema, mit dem ich mich auseinandersetzen muss. Wenn ich falle, muss ich halt ein paar Minuten warten, und dann versuche ich es noch mal.

Ist das dann eine große Überwindung?

Nein, meistens geht’s dann sogar leichter. Aber ich brauch vorher eine kurze Pause.

Sie machen das auch ohne Sicherung?

Das hab ich auch schon gemacht.

Wie fühlt sich das an? Sie riskieren Ihr Leben …

Ich glaub, es ist eine Auseinandersetzung mit dem Leben. Diese Art der Auseinandersetzung ist natürlich etwas, wofür viele Leute kein Verständnis haben. Aber ich erlebe solche Momente sehr intensiv – und sie machen mir das Leben umso wertvoller.

Den Wert des Lebens könnte man auch anders spüren. Warum reizt Sie dieses Risiko?

Wie schon gesagt, es ist schwer nachvollziehbar – aber es bereichert mein Leben. Ich glaube, ich bin dadurch ein Mensch geworden, der sehr zufrieden ist, der sein Leben jeden Tag total genießt und auch wertschätzt. Das ist ein hohes Gut. Andere machen solche Erfahrungen vielleicht über eine Krankheit oder einen schweren Verlust. Viele machen sich aber auch gar keine Gedanken über solche Dinge. Sie leben vor sich hin oder träumen von Sachen, die sie nie verwirklichen – oder sie warten darauf, dass mit der Rente endlich das Leben anfängt. Aber das ist ein Weg, den ich nicht gehen werde.

Aber es gibt bestimmt auch Dinge, vor denen Sie Angst haben …

Wie mutig man selbst ist, kann man schwer einschätzen – und das hat, ehrlich gesagt, auch gar nichts mit meinen Grenzerfahrungen zu tun. Ich bewundere da wirklich Leute, die zum Beispiel im sozialen Dienst in Kriegsgebieten arbeiten, wo sie ständig mit dem Tod zu tun haben – da gäbe es vieles, wovor ich Angst hätte. Grundsätzlich bin ich aber ein sehr positiver Mensch. Vielleicht ist das ein Zug, den ich mir übers Klettern erarbeitet habe.

Stichwort Klettern: Was gibt Ihnen die Highline, was Ihnen die Wand nicht geben kann?

Dass ich mich in so kurzer Zeit so unglaublich konzentrieren muss. Beim Klettern hab ich immer irgendetwas zum Festhalten, und auch wenn’s da mal gefährlich wird – ich erlebe das irgendwie nicht so stressig wie auf der Leine.

In diesem Jahr sind Sie anscheinend gut in Form. Es gibt ein neues Projekt auf der Festung Königstein, eine 50 Meter lange Highline – das wäre neuer Festungsrekord …

Ich hab einfach geschaut, wo sich eine schöne Leine machen lässt, die mich vor eine neue Herausforderung stellt. Leider war in den letzten Wochen das Wetter sehr bescheiden, aber sobald es besser wird, werde ich regelmäßig für die Festung trainieren.

Gespräch: Hartmut Landgraf