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Manufaktur Meissen streicht jede vierte Stelle

Meißen. Die Kurve, die der Beamer an die Wand wirft, sieht nicht gut aus. Christian Kurtzke, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Porzellan-Manufaktur Meissen, sitzt davor und schaut betrübt aus. „Es gibt leider keine Alternative“, sagt er gestern auf einer Pressekonferenz.

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Von Ulf Mallek

Meißen. Die Kurve, die der Beamer an die Wand wirft, sieht nicht gut aus. Christian Kurtzke, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Porzellan-Manufaktur Meissen, sitzt davor und schaut betrübt aus. „Es gibt leider keine Alternative“, sagt er gestern auf einer Pressekonferenz. „Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, sie belastet uns auch emotional.“

Die Manufaktur Meissen entlässt ab August fast ein Viertel ihrer Mitarbeiter. Das hat die Geschäftsführung beschlossen und am Morgen den Beschäftigten auf einer Betriebsversammlung gesagt. Die aktuelle Gesamtstellenzahl von 784 wird auf 584 reduziert. Eigentlich, sagt Kurtzke, wäre nach den internen Wirtschaftlichkeitsberechnungen sogar eine Verringerung um 250 Stellen nötig. Die 50 Stellen können aber gerettet werden, weil die verbliebenen Mitarbeiter einer Härtefallklausel für 2010 und 2011 zustimmten. Sie bedeutet Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld. 20 weitere Stellen könnten teilweise erhalten werden, weil vor allem Mitarbeiter in den künstlerischen Abteilungen in Teilzeitverträge wechseln.

Es geht kräftig bergab

Der Grund für die Entlassungen ist ein seit fast zehn Jahren fallender Umsatz. Zudem schreibt das Unternehmen keine Gewinne mehr. Im Jahr 2008 trat ein operativer Verlust von sechs Millionen Euro auf. Im Porzellan-Kerngeschäft geht es kräftig bergab. Verkaufte Meissen 2001 noch Porzellane im Wert von über 41 Millionen Euro, so fiel diese Zahl bis 2009 auf 31,5 Millionen. Ein kleines Zwischenhoch im Jahr 2006 (32,9 Millionen Euro) war der Frauenkirchen-Einweihung in Dresden und der Übergabe des neuen Besucherzentrums der Manufaktur in Meißen geschuldet.

Meissen ist ein Sanierungsfall, sagt Geschäftsführer Kurtzke, der seit Herbst 2008 an der Spitze der Traditionsfirma steht. „Wenn wir jetzt nicht handeln, geht uns das Geld aus.“ Exakt wird es 162 betriebsbedingte Kündigungen geben, 19 Mitarbeiter gehen in Altersteilzeit und zwei in Rente. Der Abbau wird vorrangig in der Verwaltung und in den Zentralbereichen vorgenommen. Dort sind 30 Prozent der Mitarbeiter betroffen. Personalleiterin Anka Heiduch sagt, die Entlassungen werden im August beginnen. Die meisten haben aber eine Kündigungsfrist von sieben Monaten. In Absprache mit dem Betriebsrat wird eine Sozialauswahl vorgenommen.

„Es ist wichtig, dass wir jetzt schnell Klarheit schaffen“, sagte der Vorsitzende des Betriebsrates, Peter Kohl. Trotz eines Sozialplans müssten auch viele ältere Kollegen gehen, da das Unternehmen seinen ohnehin hohen Altersdurchschnitt von 47 Jahren sonst noch weiter in die Höhe treibt. Die Belegschaft unterstütze den Sanierungskurs, sagt Kohl. „Aber es tut natürlich weh.“

Kurtzke macht den verbliebenen Mitarbeitern Hoffnung. Der Umsatz im ersten Quartal dieses Jahres steigt um 16 Prozent. „Wir wissen allerdings noch nicht, ob es ein Einmaleffekt wegen des 300-jährigen Porzellan-Jubiläums ist oder schon die Trendwende.“ Im nächsten Jahr will Kurtzke wieder die Zahlen von 2003 und die Gewinnschwelle erreichen. Die Unternehmensstruktur wurde völlig umgekrempelt. Kurtzke möchte weg von „der behüteten Staatsfirma hin zum eigenständigen Wirtschaftsunternehmen“. Deshalb hat er ein Profit-Center-System eingeführt. Jede der sieben Produktionsabteilungen, vom Museum (Haus Meissen) über Service-Hersteller (Fine Living) und Juweliere (Fine Jewellery) bis hin zur neuen Abteilung für Sonderwünsche (Meissen individuell) arbeitet auf eigene Rechnung. Kurtzke: „Wir sind jetzt ein koordinierter Flottenverband.“

Vermögende Kunden gefragt

Die Kurzarbeit im Unternehmen, etwa zwölf Prozent der Belegschaft waren betroffen, läuft zum Monatsende aus. Der massive Strukturwandel im Haus soll es überlebensfähig machen. Kurtzke setzt dabei vor allem auf die neuen Bereiche Architektur und Schmuck, aber auch auf Sonderwünsche vermögender Kunden. Das erste Halbjahr war ermutigend, entscheidend wird das Weihnachtsgeschäft sein, sagte Kurtzke. Er hofft auf eine nachhaltige Trendwende.

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